Die Idee verhallte zunächst. Doch mittlerweile gibt es laut Meinungsforschungsinstitut Forsa in Deutschland eine deutliche Mehrheit dafür: 64 Prozent der Befragten finden es demnach richtig, wenn die Europäer unabhängig von den USA über einen nuklearen Schutzschirm zur Abschreckung verfügen würden. Weniger als ein Drittel – 29 Prozent – fänden das nicht richtig. Forsa hat die Umfrage für die Zeitschrift »Internationale Politik« zwischen dem 12. und 13. Juni erhoben. Und damit noch vor den jüngsten Eskalationen zwischen Israel und Iran und der Bombardierung iranischer Nuklearanlagen durch die USA. Die jüngsten Entwicklungen zum Krieg in Nahost lesen Sie hier.
Ungewöhnlich klare Mehrheiten
Laut der Umfrage reicht die Zustimmung für eine europäische Atomabwehr über alle Parteivorlieben hinweg: Wähler der Grünen sind mit 78 Prozent besonders häufig der Meinung, dass Berlin zusammen mit Paris und London eine eigene nukleare Abschreckung anstreben sollte, gefolgt von Anhängern von CDU/CSU mit 71 Prozent. Weniger groß, aber noch über dem Durchschnitt, ist die Zustimmung von SPD-Wählern (65 Prozent). Bei den Unterstützern der AfD (54 Prozent) und der Partei Die Linke (52 Prozent) gibt es knappere, aber immer noch absolute Mehrheiten.
Auch sonst gibt es, wenn auch zum Teil knappe, absolute Mehrheiten für die Idee. So ist die Zustimmung in Ostdeutschland mit 52 Prozent (40 Prozent dagegen) weniger stark ausgeprägt als in Westdeutschland, wo sie bei 66 Prozent liegt (27 Prozent dagegen). Beim Blick auf das Alter fällt auf, dass die Zustimmung bei den unter 45-Jährigen mit 58,5 Prozent unter dem Durchschnitt liegt, bei den über 45-Jährigen dagegen darüber (67,5 Prozent). Bei außenpolitischen Fragen sind Mehrheiten für gewöhnlich selten.
Bis zu einer eigenständigen europäischen Kriegstüchtigkeit scheint es allerdings noch ein weiter Weg zu sein. In Italien gibt es derzeit Töne, die ein Fortbestehen der Nato anzweifeln: »Die Nato hat keine Existenzberechtigung mehr«, sagte Verteidigungsminister Guido Crosetto. Die Zeiten hätten sich geändert. »Die USA und die EU sind nicht mehr das Zentrum der Welt. Die Nato muss sich den veränderten Zeiten anpassen.« Um weiterhin Frieden und gegenseitige Verteidigung zu garantieren, müsse sie mit dem globalen Süden zusammenarbeiten.