Telefonica Deutschland macht Fortschritte bei der Migration des Kernnetzes in die Cloud. Seit dem Startschuss für das "5G Cloud Core" im Mai dieses Jahres sind inzwischen eine Million Kunden im Cloud-Kernnetz, erklärte der Netzbetreiber am Donnerstag. Telefónica sei der erste Netzbetreiber mit einem klassischen Mobilfunknetz, der sein Kernnetz in die Cloud auslagert.
Im Mai hatte Telefónica damit begonnen, sein Kernnetz in die Cloud von Amazons AWS auszulagern. Neben AWS arbeitet der Netzbetreiber dabei mit dem finnischen Ausrüster Nokia zusammen. Im Kernnetz laufen die Daten der verschiedenen Antennenstandorte zusammen, die dort mit zentralen Funktionen wie der Zuordnung zu Kundenkonten, der Gesprächsvermittlung und der Abrechnung weiterverarbeitet werden.
AWS statt On-Premise
Traditionell findet das auf Hardware statt, die in eigenen Rechenzentren steht. Auch das alte Kernnetz von Telefónica ist bereits in der Cloud, aber es ist die hauseigene: mit Cloud-Software und Hardware von Ericsson in eigenen Rechenzentren. Im Zuge der zunehmenden Virtualisierung können solche Kernfunktionen auch auf der Hardware von Hyperscalern wie AWS realisiert werden.
Das ist für Netzbetreiber noch Neuland. "Da bisher kein anderer bestehender Telekommunikationsanbieter auf der Welt diesen Schritt gegangen ist, haben unsere Teams von AWS, Nokia und o2 Telefónica ein Stück weit technologische Pionierarbeit geleistet, worauf wir sehr stolz sind", sagt Bas Hendrikx, der bei Telefónica Deutschland für das Cloud-Kernnetz zuständig ist und den etwas sperrigen Titel "Head of Digital Cloud Networks & Orchestration" trägt.
Telefónica verspricht sich davon einige Vorteile. Einerseits können Updates schneller und unterbrechungsfrei ausgespielt werden. Auch bei Störungen kann der Netzbetreiber nahtlos auf andere Cloudregionen ausweichen. Darüber hinaus ist das Kernnetz in der Cloud flexibel skalierbar – und auch sicher, wie der Telefónica betont. Nicht zuletzt kann ein Netzbetreiber auch Kosten sparen.
Software macht's günstiger
"Wir gehen davon aus, dass die Nutzung der Public Cloud in der gesamthaften Betrachtung günstiger wird", erklärt Hendrikx gegenüber heise online. Zum einen müsse Telefónica nicht so viel in eigene Rechenkapazitäten investieren. "Zudem können die Kernnetzfunktionen, die als Software angelegt sind, schneller und kostengünstiger aktualisiert werden."
Die Kunden bekommen davon nichts mit. "Dafür gibt es keine Anzeigen im Smartphone", erklärt Hendrikx. "In der Regel merken die Kunden es auch nicht." Denn die Servicequalität soll dieselbe sein wie im herkömmlichen Netz: "Wir hatten von Anfang an das Ziel, das neue cloudbasierte Kernnetz mit derselben Qualität und allen Funktionen wie bei unserem herkömmlichen Kern in Betrieb zu nehmen."
Ob ein Kunde über die Cloud oder das traditionelle Kernnetz geroutet wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. "Dazu gehören die jeweilige Region, Netzabdeckung und Endgeräteeigenschaften", sagt Hendrikx. Das Netz regelt das automatisch. Zunächst sind es Kunden, die im 5G-Standalone-Netz eingebucht sind. "Nachdem wir im Laufe des Projekts die Funktionen auf 5G Nonstandalone und 4G erweitert haben, können wir nun auch Kunden in diesen Mobilfunkstandards über den neuen Kern laufen lassen."
Auch im nächsten Jahr wird Telefónica sein Cloud-Kernnetz weiter ausbauen. "Wir wollen die Nutzung der Cloud in unserem Netzbereich 2025 weiter skalieren", sagt Hendrikx. "Wir sehen die Vorteile für unsere Netzarchitektur sowie unsere Kundinnen und Kunden. Wir planen daher sowohl mit AWS und Nokia als auch mit Ericsson die Weiterentwicklung cloudbasierter Kernnetzfunktionen."
(vbr)