Der Wechsel von der alten Kupfer- auf eine moderne Glasfaser-Infrastruktur für superschnelles Internet erhitzt weiter die Gemüter. Tele Columbus, der Berliner Konzern hinter der Providermarke Pÿur, wirft der Deutschen Telekom jetzt vor, die Debatte über eine zeitnahe DSL-Abschaltung vorerst abwürgen zu wollen. Dem Magenta-Konzern schwebe vor, die angestammte Technik weiterzunutzen, obwohl aus dieser nach dem Einsatz des VDSL-Turbos Vectoring nicht mehr viel herauszuholen ist, moniert der mit Kabelnetzen groß gewordene Wettbewerber. "Es ist ein Festhalten an der alten Welt und selbstverständlich der Versuch, die eigene Marktstellung zu verteidigen."
Anlass für die Kritik ist ein aktueller Blogbeitrag der Telekom. Noch nutzten in Deutschland Millionen von Haushalten das DSL-Netz des Platzhirschen für Telefonie und Internet, heißt es darin. Wer nun sage, das Kupfernetz stehe kurz vor dem Aus, verbreite "Fake News" und verunsichere die Verbraucher. Denn es gebe von der Telekom weder regional noch bundesweit einen DSL-Abschalttermin. Wenn der Kunde die Wahl habe, sei zwar der schnelle Umstieg "auf unsere Glasfaser" empfehlenswert. Die neue Technologie biete viele Vorzüge. Doch letztlich werde der Verbraucher entscheiden. Zunächst müsse noch über die Hälfte der Haushalte mit den leistungsstarken und klimafreundlichen optischen Leitungen versorgt werden.
Tele Columbus plädiert in einem eigenen Blogeintrag dagegen für ein festes "DSL-Wechseldatum". Eine solche zeitliche Vorgabe helfe allen Beteiligten, "mit ausreichend Planungszeit auf die neue Infrastruktur" zu migrieren und die notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Ein ewiges paralleles Betreiben paralleler Infrastrukturen sei nicht sinnvoll. Nur ein DSL-Abschalttermin sorge dafür, "dass Gigabit-Infrastrukturen mit Glasfaser bis in die Gebäude und bis in die Wohnungen frühzeitig bereitgestellt werden".
Ganzheitliches Konzept für DSL-Upgrade gefordert
Die neuere Technik steht laut der Replik für einen Kosten- und Leistungsvorteil für die Verbraucher. "Millionen Haushalte haben seit vielen Jahren einen DSL-Anschluss und profitieren nicht von aktuellen Marktpreisen", gibt Tele Columbus zu bedenken. "Selbst, wenn Sie einen bestmöglichen DSL-Tarif haben, verschenken Sie mehrere hundert Euro pro Jahr trotz niedrigerer Internet-Bandbreiten." Mit Glasfaser seien 4- beziehungsweise 5-fache Geschwindigkeiten im Vergleich zu einem DSL-Anschluss nutzbar – und das bei finanziellen Ersparnissen.
Marktforscher haben herausgearbeitet, dass es für die Telekom kein wirtschaftliches Interesse gebe, im Glasfaserausbaugebiet eines Wettbewerbsunternehmens ihr DSL-Netz abzuschalten und so die Nutzer auf die schnellere optische Infrastruktur zu verweisen. Erst wenn die DSL-Auslastung unter 20 Prozent sinke, stellten die eigenen Telekom-Glasfasernetze eine wirtschaftliche Alternative dar. Ohne einen klaren Wechseltermin würden so Millionen Haushalte lange Zeit nicht von hohen Bandbreiten profitieren.
"Deutschland braucht ein ganzheitliches Konzept für ein wettbewerbsneutrales und verbraucherfreundliches Upgrade von DSL auf Glasfaser", verlangt Tele Columbus daher und befindet sich damit auf einer Linie mit Branchenverbänden. Das sei "unerlässlich für schnellen flächendeckenden Glasfaserausbau" und zugleich ein "Booster für Infrastruktur-Investitionen und Anbieterauswahl für Verbraucher". Dafür sei eine Ergänzung von Paragraf 34 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) nötig, um fairen Wettbewerb zu gewährleisten.
Regulierer will nur Impulse geben
Der Klausel zufolge muss ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht wie die Telekom bei dem Plan, Teile seines Telekommunikationsnetzes außer Betrieb zu nehmen oder durch neue Infrastrukturen zu ersetzen, dies der Bundesnetzagentur mindestens ein Jahr vorher anzeigen. Nötig sind ferner etwa ein Zeitplan und die Beschreibung eines Angebots alternativer Zugangsprodukte.
Die Regulierungsbehörde bremste jüngst die Erwartungen von Wettbewerbern: "Wir können die Kupfernetze nicht kurzfristig abschalten." Sie veröffentlichte ein Impulspapier, mit dem sie die Debatte in der Branche konstruktiv gestalten will. Dabei geht es vor allem um Konsens und Kooperation zwischen den Marktteilnehmern, was sich laut dem aktuellen "Blogger-Krieg" aber nicht abzeichnet. Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), erachtete vor Kurzem eine "diskriminierungsfreie und kundenzentrierte" Kupfer-Glas-Migration inklusive fixem, realistischem Abschaltdatum für unerlässlich.
Die EU-Kommission hat einen Wechsel bis 2030 ins Spiel gebracht, was die Mitgliedsstaaten, Regulierer und Wambach aber für zu ambitioniert halten. Aus Brüssel gebe es keinen Druck, betont die Telekom. Die Kommission habe nur ein Diskussionspapier vorgelegt. Auch die Bundesnetzagentur nenne keine festen Termine. Aus gutem Grund, da der Übergang "geordnet" und "mit Weitsicht" im Verbraucherinteresse stattfinden müsse.
(nie)