Gute Tat in Stuttgart Warum ein Obdachloser 200 Euro für alleinerziehende Mütter spendete
»Schwalbe« aus Stuttgart rührt mit seiner Großzügigkeit Menschen in ganz Deutschland. Jetzt berichtet eine Bekannte, wie es zur 200-Euro-Spende des Obdachlosen kam – und was er sich wünscht.
22.12.2025, 19.06 Uhr
Weihnachtsmarkt in Stuttgart
Foto: Christoph Schmidt / dpaDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Er möchte anonym bleiben, das hat »Schwalbe«, ein Obdachloser aus Stuttgart, Svenja Gruß gesagt. Gruß ist Vorständin des örtlichen Sozialdienstes katholischer Frauen. Vergangene Woche überreichte »Schwalbe« einer Ordensschwester einen Umschlag. Darin waren 200 Euro und ein Brief mit der Bitte, das Geld alleinstehenden Müttern zukommen zu lassen.
Rund ein Jahr soll der Obdachlose dafür gespart haben. »Schwalbe« habe ihr erzählt, dass er das schon länger so mache, sagt Gruß dem SPIEGEL. Jedes Jahr spende er an jemand anderen, von dem er denke, er oder sie brauche das Geld mehr als er. In seinem Brief stehe »Happy Birthday, Jesus«. Und dass er den Umschlag absichtlich nicht beschrieben habe, damit er wiederverwendet werden könne.
Der Mann bestreite seinen Lebensunterhalt vor allem, indem er Pfandflaschen sammle und wegbringe. Früher sei er mit fünf Euro am Tag zurechtgekommen, durch die gestiegenen Preise brauche er mittlerweile fast doppelt so viel. Das habe der Obdachlose erzählt, sagt Gruß. Alles, was über den Betrag, den er täglich zum Leben benötige, hinausgeht, will er zur Seite gelegt haben. Dieses Jahr, um einer alleinerziehenden Mutter die Möglichkeit zu geben, ihren Kindern zu Weihnachten eine Freude machen zu können.
Und das hat geklappt. Der Betrag sei einer alleinerziehenden Mutter im Stuttgarter Osten übergeben worden, teilte Gruß Ende vergangener Woche mit.
Spendenübergabe in Stuttgart: Svenja Gruß vom örtlichen Sozialdienst katholischer Frauen, Schwester Nicola Maria, die »Schwalbes« Umschlag entgegennahm, und Daniela Kob vom Paulusstift, die die Spende in Vertretung für eine alleinerziehende Mutter in Empfang nimmt
Foto: PrivatDie Meldung berührte die Menschen in Deutschland. Zunächst berichteten örtliche Medien, dann griffen überregionale Zeitungen die Geschichte auf. Als Gruß »Schwalbe« in der Innenstadt suchte, um ihm davon zu erzählen, hatte er schon davon erfahren. Er hat einen kleinen Player, über den er Radio hören kann. Auf SWR3 lief eine Sendung, in der seine gute Tat erwähnt wurde.
Dass bei dem Sozialdienst Hunderte E-Mails von Menschen eingingen, die »den Herrn Schwalbe« zum Mittagessen oder zum Kaffee einladen wollten, anboten, ihm Bücher zu schenken oder die 200 Euro zu erstatten, wusste er da noch nicht. Als Gruß es ihm erzählte, soll er sich gefreut haben. »Ihm war überhaupt nicht bewusst, was diese für ihn kleine Geste ausgelöst hat.«
Die Angebote schlug der obdachlose Mann allerdings freundlich aus: »Ich brauche nichts. Ich habe, was ich brauche. Ich lebe bloß anders, das heißt nicht, dass es mir schlecht geht«, habe er gesagt, berichtet Gruß. Und weiter: »Die Leute können das Geld euch geben, und ihr gebt das Geld an alleinerziehende Mütter in Not weiter.«
Ein digitaler Adventskalender der anderen Art: Vom 1. bis zum 24. Dezember stellen wir Ihnen jeden Tag einen Menschen vor, der uns in diesem Jahr berührt, bewegt oder beschäftigt hat. Alle Menschen des Jahres finden Sie hier.
Gruß und »Schwalbe« kennen sich. Die Vorständin des Stuttgarter Sozialdienstes kommt auf ihrem Weg zur Arbeit an dem Platz, wo er sich regelmäßig aufhält, vorbei. Jetzt ist Gruß dem Mann doppelt dankbar, weil er an andere dachte, obwohl er selbst nicht viel hat. Und weil er mit seiner Tat dafür gesorgt hat, dass die Arbeit von Sozialdiensten in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Die Gelder würden immer knapper, sagt Gruß, es sei immer herausfordernder, Menschen helfen zu können.
Und dann erzählt sie von einer Mail, die sie besonders berührt hat. Angesichts der großen Themen in der Welt fühle er sich oft ohnmächtig, habe jemand geschrieben. Die Spende von »Schwalbe« habe ihm gezeigt, dass man manchmal auch mit den kleinen Dingen, vor der eigenen Haustür, einen Unterschied machen könne.

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