Steve Cropper gestorben: Der Klangmeister von Memphis

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Die amerikanische – und eine andere gibt es im Grunde nicht – Soulmusik bildete in den Sechzigerjahren zwei Fraktionen aus: Motown in Detroit nördlich und südlich Fame und Muscle Shoals in Alabama sowie Stax in Memphis. Alle haben für die Verbreitung und Akzeptanz der schwarzen Kultur sehr viel geleistet. Bemerkenswerterweise gelang die rassische Integration im segretierten Süden und zumal in Memphis besser, indem dort schwarze und weiße Musiker wie selbstverständlich zusammenspielten, mit der Begeisterung für alles, was mit Rhythm & Blues zu tun hatte, als größtmöglichem gemeinsamen Nenner.

Musikalisch war er der wichtigste Mann

Hier war Steve Cropper eine treibende Kraft. Universalisten gab es damals manche; Cropper aber war als Produzent, Songschreiber, Arrangeur, Toningenieur und Gitarrist der aus zwei Schwarzen und zwei Weißen rekrutierten Hausband Booker T & The MGs für das Stax-Studio und -Label rein musikalisch wahrscheinlich der wichtigste Mann. Allein die von ihm mitverfassten Kassenschlager „Green Onions“ (1962), „In The Midnight Hour“ (Wilson Pickett, 1965), „Knock On Wood“ (Eddie Floyd, 1966) und „(Sittin’ On) The Dock Of The Bay“ (Otis Redding, 1967).

Der Memphis-Sound machte aufgrund seiner unerhörten Kompaktheit und rhythmischen Sicherheit sofort Furore und wurde bald zum unentbehrlichen Korsett für sämtliche Stax-Superstars, von denen Otis Redding natürlich der allergrößte wurde, der, als er 1962 zum ersten Mal das Studio betrat, schon damit Epoche machte und seine Platten fortan auf dem Unterlabel Volt veröffentlichte. Hier musizierten, rührend unvoreingenommen, junge Männer von Anfang zwanzig miteinander, die noch mit Schlips und Kragen zur Arbeit erschienen, die von Fleiß und Gemeinschaftssinn geprägt war. Im Quartett von Booker T & The MGs kam es auf jeden gleichermaßen an: Booker T Jones (Orgel), Al Jackson (Schlagzeug) und Duck Dunn (Bass) und Cropper agierten in perfekter Ausbalancierung und unter Verzicht auf solistische Eskapaden. Man verhielt sich strikt mannschaftsdienlich. Cropper: „Lass mich stundenlang das gleiche Riff spielen, und ich bin glücklich. Ich mag es, in einem Groove zu verharren. Ich höre immer auf den Sänger und den Rest der Band.“

Nicht zufällig nannte man ihn den „Colonel“

Als Manager und Talent-Scout hatte er für den hochbetagt gestorbenen Stax-Chef Jim Stewart (F.A.Z. vom 8. Dezember 2022) eine ähnliche Funktion inne wie Jerry Wexler für den Atlantic-Boss Ahmet Ertegun und wie Smokey Robinson für den (noch lebenden) Motown-Mogul Berry Gordy, der seine Firma allerdings ungleich straffer führte und seinem Studio-Personal nicht annähernd die Freiheiten ließ, die Stewart seinem gewährte. Cropper, der aus Missouri stammte, war inoffizieller Vizepräsident, den man nicht zufällig „The Colonel“ nannte. Und als Instrumentalist wurde er über die Grenzen seines Genres hinaus stilprägend.

Das gelang in diesem Ausmaß sonst nur dem gleichfalls legendäre Motown-Bassisten James Jamerson. Beide landen in den entsprechenden Ranglisten meistens ziemlich weit oben. Croppers unaufdringliches, jedoch recht hartes, körnig-kratzendes Spiel war nicht weniger unnachahmlich als das von Duane Allman, exemplarisch nachzuhören auf „Time is Tight“, einem, wie das meiste von Booker T & The MGs eigenen Platten, reinen Instrumentaltitel, auf dem sich Cropper, mit federnder Geläufigkeit, aber ohne Virtuosengehabe, eines seiner ganz wenigen Soli gönnt. Diese Musik ist dermaßen erdig und solide, dass man, merkwürdig eigentlich im Soul, eine Stimme kaum vermisst.

Wie sagte Duck Dunn im Blues-Brothers-Film: „Wir hatten eine Band, so kraftvoll, dass sie aus Ziegenpisse Benzin machen konnte.“ Steve Cropper, war ihr heimlicher Klangmeister und hat noch im Alter ein mehr als ordentliches Soloalbum vorgelegt (F.A.Z. 10. Mai 2021). Nun ist er 84jährig in Nashville gestorben.

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