Spanien: Eklat um ein Verbot muslimischer Feste

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Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen haben antiislamische Vorkommnisse in Spanien eine landesweite Debatte über Pluralität und Religionsfreiheit ausgelöst.

Der Gemeinderat der Kleinstadt Jumilla im Süden des Landes hatte in der vergangenen Woche beschlossen, religiöse Feierlichkeiten auf kommunalem Gelände zu verbieten. Das Verbot bezog sich insbesondere auf die Sportanlage der Stadt, in der die muslimische Gemeinde des Ortes traditionell die im Islam wichtigen Feste wie das Ende des Ramadan sowie Eid al-Adha, das Opferfest, begeht.

Regierungschef Pedro Sánchez nennt die Entscheidung „diskriminierend“

Dass der Beschluss sich gegen die muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger richtete, war unzweifelhaft. Eingebracht hatte den Antrag der einzige Gemeindeabgeordnete der rechtspopulistischen Partei Vox. Im ursprünglichen Antragstext hatte er sich ausdrücklich gegen „fremde kulturelle Praktiken wie das Lammfest“ ausgesprochen. Außerdem erklärte er: „Wir verteidigen unsere Traditionen gegen die ständige ideologische Offensive der Linken, die versucht, uns fremde Bräuche aufzuzwingen.“

Die Stadtratsfraktion der in Jumilla regierenden bürgerlichen Partei Partido Popular (PP) strich zwar den expliziten Bezug auf islamische Bräuche aus dem Antragstext, gab dem Vorstoß jedoch statt.

Was folgte, war ein landesweiter medialer und politischer Aufschrei. „Diskriminierend“, nannte Regierungschef Pedro Sánchez die Entscheidung, „sie spaltet unsere Gesellschaft und stellt einen gefährlichen Präzedenzfall dar.“ Vor „Apartheid“ warnten soziale Bewegungen, und Vertreter muslimischer Gemeinschaften in Spanien äußerten sich besorgt.

Die katholischen Bischöfe haben sich an die Seite der muslimischen Mitbürger gestellt

Der wuchtigste Gegenschlag folgte dann am Donnerstag vergangener Woche. Die spanische Bischofskonferenz stellte sich auf die Seite der muslimischen Mitbürger und kritisierte das in Jumilla erlassene Verbot von Gottesdiensten auf öffentlichem Gelände. Religiöse Kundgebungen gehörten zur Religionsfreiheit und seien somit von der Verfassung geschützt, argumentierte die Führung der spanischen Katholiken. In einer schriftlichen Stellungnahme kritisierten die Bischöfe „eine Diskriminierung, die es in demokratischen Gesellschaften nicht geben dürfte“.

Den Beistand der Katholiken für die Muslime von Jumilla brachte schließlich den Parteichef von Vox, Santiago Abascal, in Rage. Der katholischen Kirche falle es womöglich schwer, die sozialistische Regierungspolitik zu bekämpfen, da sie selbst von öffentlichen Geldern abhängig sei, insinuierte Abascal in Interviews. Und damit nicht genug: Er stellte die Frage, ob die Kirche womöglich aufgrund der Fälle von Kindesmissbrauch „mundtot“ geworden sei.

Das Gepolter des rechtspopulistischen Parteichefs ist eine bemerkenswerte Zäsur. Erzkonservative und katholische Kreise sind in Spanien traditionell eng verflochten. Schon beim Ausbruch des Bürgerkriegs 1936 stand die Kirche aufseiten des aufständischen Militärs und im Regime des von 1939 bis 1975 regierenden Diktators Francisco Franco war sie ein wichtiger Stützpfeiler.

Die rechtsextreme Vox riskiert, dass sie einen Teil ihrer Wählerschaft verärgert

Dass nun der Anführer der Partei, die in Teilen Francos Erbe hochhält, einen Frontalangriff auf die Kirchenführung startet, birgt Sprengkraft. Bisher hatte Abascal einen offenen Konflikt mit dem Episkopat vermieden. Er ist sich der katholischen Basis seiner Wählerschaft bewusst. Zu insinuieren, Spaniens Bischöfe stünden unter dem Druck linker Kreise, ist ein Wagnis. Womöglich möchte Absascal sich und seine Partei als wahren Hüter fundamentalkatholischer und nationalistischer Werte darstellen.

Die nationale Führung des PP, der größten Partei im spanischen Parlament, versuchte unterdessen erfolglos, die Debatte herunterzukochen. Deren Sprecher bezeichneten den PP am Donnerstag als „Partei der Freiheit“ und betonten deren Verfassungstreue. Zugleich warfen sie sowohl den Sozialisten als auch der rechtsextremen Partei Vox vor, mit dem Fall von Jumilla zu polarisieren. Angeblich suche der dortige Stadtrat bereits andere Veranstaltungsorte für religiöse Feierlichkeiten.

Formal verstößt die Verordnung nach Ansicht von Juristen nicht gegen die Verfassung, da sie keinen Glauben explizit nennt, sondern allgemein religiöse Veranstaltungen in Sportanlagen der Gemeinde verbietet. Doch in Jumilla sind es in den vergangenen Jahren ausschließlich die rund 1500 Muslime der 27 000-Einwohner-Stadt gewesen, die ihre Feierlichkeiten auf dem fraglichen Gelände begangen hatten.

Jumilla liegt in der landwirtschaftlich geprägten Region Murcia. Knapp 90 Kilometer entfernt liegt auch der Ort Torre-Pacheco, wo es erst vor einem Monat zu religiös-rassistischen Unruhen gekommen war. Nach einer tätlichen Attacke eines Marokkaners, der, wie sich später herausstellte, gar nicht aus Torre-Pacheco stammte, hatten Internet-Agitatoren zur Hatz gegen die muslimische Gemeinde in dem Ort aufgerufen und die Kleinstadt nächtelang mit Krawallen überzogen.

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