Smartphone-Nutzung an Schulen: Handyverbot? Handyfreiheit!

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Bitte einmal abgeben«, fordert Katrin Kampovsky vor Unterrichtsbeginn ihre Schülerinnen und Schüler auf. Die Kinder der Klasse 7 B wissen, was gemeint ist, und legen eines nach dem anderen ihr Smartphone in die Fächer eines kleinen Schränkchens neben der Tafel. Protest gibt es keinen. Die Handys abzugeben, ist an der Max-Tau-Schule in Kiel Routine. Alle drin, Klappe zu, Schlüssel umgedreht. Jetzt ist Handy-Ruhe – bis zum Schulschluss. Dann öffnet Klassenlehrerin Kampovsky das Handy-Hotel wieder, und die Schülerinnen und Schüler bekommen ihre Geräte zurück.

Die Schülerinnen und Schüler der Max-Tau-Schule in Kiel geben ihre Handys vor Unterrichtsbeginn ab.

Die Schülerinnen und Schüler der Max-Tau-Schule in Kiel geben ihre Handys vor Unterrichtsbeginn ab.

Foto: Kaja Grope / DEIN SPIEGEL

Die Max-Tau-Schule in Kiel ist seit Oktober 2024 handyfrei. An der Grund- und Gemeinschaftsschule wurde schon vor einigen Monaten umgesetzt, was jetzt an immer mehr Schulen in immer mehr Bundesländern Deutschlands beschlossen wird: kein Instagram mehr in den Pausen, kein WhatsApp heimlich unterm Tisch, kein Gedaddel auf dem Schulklo. Einfach gar keine Smartphone-Nutzung mehr. »Die Handys werden täglich vor dem Unterricht einkassiert und erst wieder herausgegeben, wenn die Kinder ihren Heimweg antreten«, sagt Frau Kampovsky.

Wie denken ihre Siebtklässler über das Handyverbot? Mina, 13, sagt: »Ich finde es richtig gut ohne Handy. Vorher wurden im Unterricht Fotos gemacht. Das war nervig.« Klassenkamerad Mustafa, 13, stimmt Mina zu: »Auch in den Pausen war das so. Leute haben einen einfach gefilmt, Sticker davon gemacht und die rumgeschickt. Ich bin froh, dass das jetzt nicht mehr passiert. Es ist viel entspannter so.«

Schnell noch eine Runde zocken unterm Tisch? Geht an vielen Schulen auch nicht mehr heimlich.

Schnell noch eine Runde zocken unterm Tisch? Geht an vielen Schulen auch nicht mehr heimlich.

Foto: skynesher / Getty Images

Mina ergänzt: »In den Pausen hingen wir nur am Handy. Jetzt gehen wir spazieren und quatschen wieder richtig miteinander.« Dann sagt Mina das, was wohl auch das größte Argument der Erwachsenen für ein Handyverbot ist: »An der Schule soll man sich im Unterricht konzentrieren. Smartphones stören da nur.«

Ihre Freundin Rem, 14, gibt zu: »Mir ist es anfangs total schwergefallen, auf das Handy zu verzichten. Und ehrlich gesagt, kann ich es auch immer kaum erwarten, mein Handy wiederzubekommen. Ich checke sofort Snapchat, TikTok, Instagram und WhatsApp. Vor allem bei Snapchat haben sich dann schon richtig viele Nachrichten angesammelt.«

Was Rem erzählt, ist das Problem an den digitalen Alleskönnern heutzutage: Sie haben so viele Funktionen, die so viel Spaß machen, dass man ganz leicht die Kontrolle über die Nutzung verliert und stundenlang davorhängt. Das tut aber nicht gut. Es lenkt ab, es verändert sogar das Gehirn, und es verändert auch das Verhalten in der realen Welt. Das soziale Miteinander leidet, wenn es normaler ist, ständig auf einen kleinen Bildschirm zu starren, als einander ins Gesicht zu blicken.

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Wer wann wie lange das Handy benutzen darf, sorgt in Familien für Dauerstress. Nun kommt Bewegung in das Thema. Immer mehr Schulen verbieten Smartphones konsequent. Warum so entschieden wird und wie die Schülerinnen und Schüler das finden, steht in DEIN SPIEGEL, dem Nachrichten-Magazin für Kinder. Außerdem im Heft: Was die neue Regierung für Pläne hat. DEIN SPIEGEL gibt es am Kiosk, ausgewählte Artikel online. Erwachsene können das Heft auch hier kaufen:

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Solche Verhaltensveränderungen an der Schule seien schleichend gekommen, erzählt Katrin Kampovsky: »Als nur ein paar Kinder ein eigenes Smartphone hatten, war das noch unproblematisch. Aber in den vergangenen Jahren wurde es immer extremer. Es gibt heutzutage viele Social-Media-Kanäle und Spiele, die sich ganz klar nur an Jugendliche wenden. Inzwischen hat so gut wie jede und jeder ein Smartphone.«

Natürlich war vor dem strikten Verbot auch an der Max-Tau-Schule die Smartphone-Nutzung nicht bedingungslos erlaubt – im Gegenteil. Wie an jeder Schule gab es Regeln wie: Eigentlich sollten die Handys ausgeschaltet sein. Eigentlich sollten sie in der Tasche oder im Rucksack bleiben. Eigentlich sollten sie nur in der großen Pause benutzt werden. Doch wirklich funktioniert hat das nicht. Kampovsky erzählt: »Immer wieder haben wir Lehrkräfte Zeit damit verbracht, die Schülerinnen und Schüler zu ermahnen und um Verständnis zu bitten. Das war anstrengend für alle Beteiligten. Das Verbot hat jetzt Klarheit geschaffen.«

Obwohl Schulen gute Erfahrungen mit konsequenten Verboten machen, werden sie nicht flächendeckend in ganz Deutschland durchgesetzt. In vielen europäischen Nachbarländern ist man strikter: in den Niederlanden, in Österreich, in Frankreich, in Italien.

 Es sind über 9 Milliarden SIM-Karten im Umlauf, die für die Handynutzung benötigt werden.

Kinder, Jugendliche, Erwachsene – sie alle nutzen Handys. Heute gibt es auf der Welt mehr Mobilfunkanschlüsse als Menschen: Es sind über 9 Milliarden SIM-Karten im Umlauf, die für die Handynutzung benötigt werden.

Foto: JackF / Getty Images

Dass es hierzulande anders ist, liegt auch an der deutschen Besonderheit, dass Schulpolitik in jedem Bundesland einzeln gehandhabt wird. Das bayerische Bildungsministerium kann also andere Dinge beschließen und empfehlen als das in Sachsen. Strenge Vorgaben seitens der Ministerien seien aber nicht unbedingt empfehlenswert, findet Dieter Lange, Leiter der Max-Tau-Schule. Er sagt: »Wir haben an unserer Schule viele Monate diskutiert, bevor es zum Verbot kam – zusammen mit den Kindern. Es ist wichtig, dass sie ein Mitspracherecht haben. Schülerinnen und Schüler sollen lernen, sich selbstkritisch mit der eigenen Handynutzung zu beschäftigen, und nicht einfach nur Regeln befolgen, die sich Lehrkräfte ausgedacht haben.«

In der Schulkonferenz im vorigen Herbst wurde es dann schließlich gemeinsam beschlossen, das Verbot. Ein Brief ging raus an die Eltern, in dem sie über die neue Regelung informiert wurden; Handy-Hotels wurden für jeden Klassenraum angeschafft. Denn mitbringen zur Schule dürfen die Kinder ihr Handy weiterhin. Das ist wichtig, denn einige haben zum Beispiel ihr Ticket für den Bus digital ge­speichert.

Lange sagt: »Es hat mich überrascht, wie schnell sich die Schülerinnen und Schüler an die neue Regelung gewöhnt haben. Mein Eindruck ist, dass viele wirklich auch erleichtert sind, dass die Dinger vom Schulhof verschwunden sind. Handyverbot ist auch Handyfreiheit.«

Dieser Artikel erschien in »Dein SPIEGEL« 7/2025.

Foto: DEIN SPIEGEL

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