Nach zuletzt vier Pflichtspielen ohne Sieg will RB Leipzig ausgerechnet bei Inter Mailand den Negativlauf stoppen und die ersten Punkte in dieser Champions-League-Saison sammeln. Trotz der ungünstigen Vorzeichen und der sich weiter zuspitzenden Personalsituation spricht Marco Rose von einer "tollen Aufgabe".
Benjamin Henrichs (li.) und Marco Rose auf der Pressekonferenz vor dem Duell mit Inter Mailand. IMAGO/Picture Point LE
Für viele im Tross von RB Leipzig war der sogenannte "Pitch Walk" am Montagabend der erste Besuch des legendären Stadions Giuseppe Meazza in Mailand, nicht so für Marco Rose und Benjamin Henrichs. Wie die Stimmung im besten Fall sein wird, wissen aber weder der Trainer noch der Abwehr-Allrounder aus eigener Erfahrung.
Als Rose vor gut vier Jahren mit Borussia Mönchengladbach bei Inter Mailand ein 2:2 holte, durften wegen der Corona-Pandemie nur 1000 Besucher live anwesend sein. Und als Henrichs vor acht Jahren mit der Nationalmannschaft in San Siro gastierte (aber nicht eingesetzt wurde), war die Atmosphäre beim tristen 0:0 ziemlich reserviert.
Hoffenheim-Patzer wirkt noch nach
Das wird am Dienstag anders sein, wenn RB Leipzig bei Italiens kraftstrotzendem Meister Inter Mailand versuchen will, endlich Fuß zu fassen in der Champions League. "Es ist ein sehr beeindruckendes Stadion. Es erfüllt mich mit Dankbarkeit, hier sein zu dürfen", sagte Henrichs, fügte aber zugleich an: "Aber es ist nicht einfach, hier zu spielen."
Einfach fällt Leipzig in den vergangenen Wochen auf dem Platz wenig, auch deshalb sind die physisch und psychisch angeschlagenen Sachsen krasser Außenseiter. Der 3:4-Patzer in Hoffenheim nach dreimaliger Führung wirkte auch am Montag noch nach. "Wir sind alle nicht zufrieden mit dem, was wir an Ergebnissen liefern und auf den Platz bringen. Ich bin jetzt im dritten Jahr Trainer in Leipzig, und es ist das erste Mal, dass wir von einer Krise sprechen können", bekannte Rose bei der Abschluss-Pressekonferenz, bei der er zugleich betonte: "Ich weiß, dass es die Jungs besser machen können. Und sie wissen, dass sie es besser machen müssen. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns da gemeinsam rausarbeiten."
Rose steht in der Verantwortung - angespannte Personallage
Das wird auch von den Bossen auch gefordert, und naturgemäß steht da der Trainer besonders in der Verantwortung. Der Druck auf den Coach ist nach der Hoffenheim-Pleite erheblich gestiegen, wenngleich die Verantwortlichen noch fest an den Turnaround unter dem aktuellen Coach glauben. Rose weiß, dass die Sieglos-Serie beendet werden muss, nicht unbedingt in Mailand, aber in den folgenden Heimspielen gegen Wolfsburg (Bundesliga) und Frankfurt (DFB-Pokal). Und er strahlte am Montag einen sehr entschlossenen Eindruck aus: "Ich persönlich war selten klarer. Wir haben Hoffenheim aufgearbeitet. Wir sind in einer intensiven Phase, kennen die Themen und die Umstände, unter denen wir gerade arbeiten. Aber wir wollen keine Entschuldigungen."
Die extrem angespannte Personallage ist dabei ein zentraler Punkt. Personell pfeifen die Sachsen schon seit Wochen aus dem letzten Loch, nach dem Ausfall von Lukas Klostermann (Oberschenkelprobleme) hat Rose inklusive Nachwuchsspieler Viggo Gebel (17) nur noch 15 einsatzfähige Feldspieler mit dabei. Die Abwehr stellt sich mit Lutsharel Geertruida, Willi Orban, Castello Lukeba und Benjamin Henrichs von selbst auf, weil Rose keine weiteren gelernten Verteidiger zur Verfügung hat. Von muss er trotz Formtief weiter auf Benjamin Sesko und Christoph Baumgartner setzen, weil sich Reservisten wie André Silva überhaupt nicht aufdrängen. Auch deshalb gehe es "erst einmal darum, ein stabiles Spiel abzuliefern", betonte Rose: "Wir müssen versuchen, uns Selbstvertrauen zurückzuerarbeiten über gute und starke Zweikämpfe und über eine hohe Intensität."
"Wir stehen in der Champions League mit dem Rücken zur Wand", fasst Sport-Geschäftsführer Marcel Schäfer die Situation zusammen, ähnlich sieht es Kapitän Willi Orban: "Wir haben nichts mehr zu verlieren. Das sind die Spiele, von denen man als Kind träumt." Ob daraus ein Albtraum wird, zeigt sich am Dienstag.
Oliver Hartmann