Reichinnek im Bundestag zur Rentendebatte: „Zwergenaufstand der Jungen Gruppe legt die Koalition lahm“

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Hier können Sie die Debatte und Abstimmung im Video-Livestream verfolgen:

Nicht nur sicher, nein: "unschlagbar" und "unschlagbar sicher" ist die Rente den Worten von Bernd Rützel zufolge. Der Sozialdemokrat ist Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales und hält gerade eine leidenschaftliche Verteidigungsrede auf die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente.

Heidi Reichinnek geht die Koalition an. Sie spricht von einem „Zwergenaufstand der Jungen Gruppe, der die Koalition lahmlegt“.

Neulich hieß es bei der Linken noch, den Rentnerinnen und Rentnern würde nicht das Schwarze unter dem Fingernagel gegönnt. Nun variiert Fraktionschefin Heidi Reichinnek den rhetorischen Ausdruck: Den Alten würde nicht „die Butter auf dem Brot“ gegönnt. Völlig neue Töne also vom linken Rand des demokratischen Spektrums.

Pikant: Wann immer Andreas Audretsch die Linken attackiert, erhält er großen Beifall aus der AfD-Fraktion. 

Im Plenarsaal wird es hitzig: In einer Kurzintervention fordert ein AfD-Abgeordneter den CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann auf, zu erläutern, welche Zugeständnisse die Union der Linken gemacht habe, um deren Enthaltung zu erreichen. Man werde sich „von der Partei Die Linke nicht abhängig machen“, antwortet Linnemann knapp. Als im Anschluss der Grünen-Abgeordnete Andreas Audretsch eine kämpferische Rede hält und die Linke sowie die Koalition attackiert, wird es noch lauter.

Um ein Dezibel-Niveau von nicht mehr als 100 bittet Bundestags-Vizepräsident Omid Nouripour, der gerade die Debatte leitet. Denn während des Rede-Beitrags des Grünen Andreas Audretsch geht es im Plenum hoch her. Audretsch hat die Linke scharf attackiert, die kontert lautstark.

Dann schlägt Linnemann aber noch den Bogen zum großen Streit der vergangenen Woche. Er wirbt für Reformmut bei dem, was rund um die Rentenkommission noch kommen soll. Sein Wort in Gottes Ohr, wird sich so mancher in der Unionsfraktion angesichts der SPD-Ansichten zum Thema Rente denken.

Für die Union spricht jetzt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Als stellvertretender Fraktionsvize ist Linnemann eigentlich zuständig für die Themen Arbeit und Soziales, also auch für alle Fragen rund um die Rente. Trotzdem hatte sich Linnemann im Rentenstreit in den vergangenen Wochen auffällig zurückgehalten. 

In seiner Rede lobt er nun zunächst die Aktivrente, mit der Ältere zum längeren Arbeiten animiert werden sollen. Das Rentenpaket jetzt reiche aber nicht aus. „Wir brauchen einen zweiten Schritt“, sagt Linnemann mit Verweis auf die Rentenkommission. Für den zweiten Schritt brauche es heute „ein starkes Mandat“, wirbt Linnemann.

Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär, spricht in der Sitzung des Bundestags. Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär, spricht in der Sitzung des Bundestags.   Bild: dpa/Sebastian Christoph Gollnow

Das ist sein großes Steckenpferd: Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär und auch Vizevorsitzender seiner Fraktion für die Themen Arbeit und Soziales, beginnt seinen Debattenbeitrag mit Einlassungen zum Thema Aktivrente. Das Modell soll Ältere ermuntern, über das eigentliche Rentenalter hinaus weiterzuarbeiten. 

Unter Fachleuten wird das Modell sehr kritisch gesehen, die vorherrschende Meinung ist, dass hier teure Mitnahmeeffekte provoziert werden: Es arbeitet länger, wer das ohnehin getan hätte, aber für den Staat wird es teuer. Auch weisen Ökonominnen und Ökonomen immer wieder darauf hin, dass es wenig sinnvoll ist, einerseits mit der abschlagsfreien Rente nach 45 Beitragsjahren den früheren Renteneintritt zu fördern - und andererseits mit der Aktivrente das längere Arbeiten.

Schon vor der Rentendebatte gab es eine wichtige Abstimmung: die zum neuen Wehrdienst. Der Bundestag stimmte am Freitag mit Mehrheit für die Regelung. Sie sieht ab 2026 eine Musterungspflicht für junge Männer vor, der Dienst selbst bleibt aber freiwillig. Eine Wehrpflicht wird vorerst nicht eingeführt.

Mit Verspätung betritt Unions-Fraktionschef Jens Spahn den Plenarsaal und nimmt seinen Chefsessel ein. Auf ihm lastete in den vergangene Wochen enormer Druck, eine Mehrheit in der Fraktion zu organisieren. Nach allem, was man hört, ist ihm das gelungen. Doch entschieden ist noch nichts.

Die Debatte zum Rentenpaket beginnt mit einer Rede von SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt. Im Hintergrund ist beim Präsidium reger Betrieb. Nacheinander geben die Mitglieder der Jungen Gruppe persönliche Erklärungen bei der Sitzungsleitung ab, darunter auch der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, und der Vorsitzende der Jungen Gruppe, Pascal Reddig. Ob sie nun alle dem Paket zustimmen, ist damit aber noch nicht sicher.

Die Rentendebatte beginnt - ohne den Kanzler. Auch die hinteren Reihen der Unionsfraktion sind noch leer. Zur Sache geht es allerdings erst um 12.30 Uhr, wenn die namentliche Abstimmung stattfindet.

In den Reihen der Union sitzen um die fünfzig Abgeordnete. Aber nur zwei klatschen, als SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt demonstrativ lobt, dass heute ein Beschluss zur Stabilisierung des Rentenniveaus gefasst werden soll. Marc Biadacz, Sprecher der Unionsfraktion für Arbeit und Soziales, sitzt in der ersten Reihe, er ist einer derjenigen, die applaudieren. Er dreht sich um und schaut auffordernd. Doch bei seinen Fraktionskollegen ist keine Begeisterung zu entfachen. Soweit geht die Koalitionsdisziplin nach allem, was gewesen ist, dann nicht mehr.

Von Kanzler Merz oder Unionsfraktionschef Spahn ist noch nichts zu sehen, dafür hat Arbeitsministerin und SPD-Chefin Bärbel Bas auf der Regierungsbank Platz genommen, ebenso wie Finanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil. Noch wird über einen anderen Tagesordnungspunkt debattiert.

Noch zehn Minuten bis zum Beginn der Renten-Debatte, die Rebellen sind da: Johannes Winkel, Pascal Reddig und weitere Mitglieder der Jungen Gruppe in der Unionsfraktion haben in den Reihen des Plenarsaals Platz genommen.

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