Der FC Barcelona und Dinamo Zagreb sprechen über einen Transfer des Riesentalents Cardoso Varela. Ein Transfer des 16-Jährigen käme einem Skandal gleich, sein Ex-Klub Porto hat sowohl Barca-Boss Laporta als auch den spanischen Verband per Brief auf die krude Vorgeschichte hingewiesen.

Seit der EM 2024 nicht mehr für Portugal nominiert und nun ein Spielball von Berater- und Klubinteressen? Spitzentalent Cardoso Varela. IMAGO/Sports Press Photo
Am 18. Februar 2025 schien die an Wendungen nicht gerade arme Odyssee des Ausnahmetalents Cardoso Varela ein Ende genommen zu haben. Nachdem der 16-Jährige monatelang in seiner "neuen Heimat" Kroatien festsaß und nicht bei dem weitgehend unbekannten Viertligaklub NK Dinamo Odranski Obrez registriert werden konnte, unterschrieb Varela im Februar einen Vertrag beim kroatischen Rekordmeister Dinamo Zagreb.
Halb Europa jagte den Jungen, auch RB Leizpig und Man City
Zuvor hatten sich allerhand seltsame Entwicklungen rund um die Karriere des Talents abgespielt. Im Sommer 2024 war Varela, begleitet von den Spielerberatern Faustino Gomes und Wilson Sardinha, in geheimer Mission nach Kroatien gebracht worden. Varela war 2022 als 13-Jähriger nach Portugal gekommen ohne Mutter oder Vater. Seine mittlerweile getrennt lebenden Eltern stammen aus ärmlichen Verhältnissen in Angola. Als Vormund in der Fremde hatten sie in Sardinha ausgerechnet einen Spielerberater eingesetzt. Varelas Talent blieb nicht unentdeckt, schnell heuerte er beim FC Porto an.
Doch die Verhandlungen über eine Verlängerung seines bis 30. Juni 2024 gültigen Ausbildungsvertrags scheiterten. Weil der FCP zu wenig bot und eine drakonische Vertragsstrafe von drei Millionen Euro in den Papieren hatte, sagen diejenigen, die es nicht gut mit dem FC Porto meinen. Weil skrupellose Spielerberater mit Varela Geld machen wollen, sagen andere. Fakt ist: Nach starken Auftritten bei der U-17-Europameisterschaft für Portugal 2024 jagte halb Europa den Flügelstürmer, auch RB Leipzig interessierte sich massiv, genau wie der FC Barcelona und Manchester City.
Ein kroatischer Drittligist und 3,8 Millionen Euro für Berater
Umso verwunderlicher war es, dass Gomes und Sardinha Varela plötzlich nach Kroatien brachten, damit sich der Junge dort einem Viertligisten namens Odranski Obrez anschließen sollte. Der Vater, so hieß es, habe dort Arbeit gefunden und zwar bei einer Firma namens Majdak Grafika. Mit diesem Namen war die Spur gelegt zu Andy Bara, dem Agenten von Stars wie Dani Olmo oder Joan Garcia, der jetzt beim FCB Deutschlands Nationaltorhüter Marc-Andre ter Stegen verdrängen könnte. Denn Majdak Grafika gehört Branimir Majdak, einem Freund Baras, der sich offensichtlich auch im Dunstkreis von dessen Agentur, Niagara Sports, bewegt. Mittlerweile ist Majdak sogar Präsident des Drittligisten NK Kustosija, über den Bara und Niagara Brückentransfers wie den von Mikayil Faye (zum FC Barcelona B) oder Baye Coulibaly (zu Crown Legacy, dem Farmteam des Charlotte FC) abgewickelt haben, bei denen unklar ist, wieviel Geld wirklich an den Ausbildungsvereinen der Talente in Afrika hängen blieb. Bei Kustosija registriert waren die Spieler jeweils nur ein paar Monate, Millionen brachten sie dennoch.
Um eine Vorstellung von finanziellen Folgen dieser Transfers zu bekommen: In der abgelaufenen Spielzeit hat Kustosija 3,8 Millionen Euro für Spielerberater ausgegeben. Das sind Summen, die manch deutscher Bundesligist nicht für Agenten bezahlt. Üblich in der Branche sind 10 bis 15 Prozent des Gehalts für die Berater, dazu noch Handgelder bei Transfers. Angesichts der Tatsache, dass die Etats in Kroatiens 3. Liga eher im sechs- denn im siebenstelligen Bereich liegen, dürfte hier ein deutlich größerer Anteil als der marktübliche an die Agenten gegangen sein.
FIFA blockiert Transfer, dann springt Dinamo Zagreb ein
Doch zurück zu Varela: Weil dessen Ausbildungsklub Porto früh ahnte, dass Odranski Obrez für den jungen Portugiesen lediglich eine Brücke zu einem größeren Klub sein sollte, wodurch der Endabnehmer die Ablösesumme einsparen könnte - was in der Regel zu höheren Erlösen für die Agenten führt - prangerte man die Sache öffentlich an. FCP-Präsident André Villas-Boas beklagte die Verletzung "grundlegender Integritätsprinzipien" und sah den Spieler zur "Handelsware" degradiert. Dagegen behauptete der Vater des Jungen in einem Brief, dass sein Sohn und er in Porto bedroht worden und deshalb nach Kroatien gegangen seien. Auch unter dem Namen der Mutter wurde ein Schreiben mit ähnlichem Inhalt verfasst, aufgrund eines Whats-App-Chats mit einem Porto-Mitarbeiter bestehen jedoch erhebliche Zweifel an der Echtheit des Dokuments. Am Ende erlaubte die FIFA den Transfer nicht, auch weil Odranski Obrez als Viertligist kaum das in den Statuten für einen derartigen Wechsel notwendige Training auf Spitzenniveau hätte bieten können.
Mit Varelas 16. Geburtstag aber Ende Oktober 2024 änderte sich die Situation - innerhalb der EU war nun ein Transfer möglich zu einem Klub mit entsprechend professionellem Hintergrund. Bara und Co. fanden diesen nach einigen Monaten in Dinamo Zagreb, wo Varela im Februar 2025 zunächst als Amateur registriert wurde und seither im Nachwuchs kickt. Beim FC Porto vermutet man, dass dies lediglich der Darstellung diene, es gehe um die menschliche Entwicklung Varelas, dass aber im Hintergrund längst ein Profivertrag existiere - was dann Dinamo wiederum im Falle eines Angebots eines großen Klubs einen Millionenregen bescheren dürfte, weil nicht nur Ausbildungsentschädigung, sondern auch eine Ablösesumme fällig würde.
Briefe an den FC Barcelona und den spanischen Verband
Und so könnte es nun kommen. Sowohl spanische als auch kroatische Medien berichten von konkreten Verhandlungen zwischen Bara, dem FC Barcelona und Dinamo Zagreb um Varela. Fünf Millionen Euro stehen im Raum, dazu weitere 15 Millionen Euro an Boni. Allerdings ist dies auch dem FC Porto nicht entgangen. Villas-Boas hatte bereits Anfang Juni zwei geharnischte Briefe versendet. Einen an den spanischen Fußballverband, einen an Barca-Präsident Joan Laporta, in denen er die Entwicklungen rund um Varela aus den vergangenen zwölf Monaten skizziert und die Agenten im Umfeld des Jungen heftig kritisiert: "Alles weist auf einen Fall von Menschenhandel und missbräuchlicher Ausbeutung eines jungen Sportlers aus benachteiligtem Umfeld hin - zum ausschließlichen Vorteil von Dritten mit Gewinninteressen."
Besonders pikant sind zwei Sachverhalte: Mit Deco ist ausgerechnet ein Held des FC Porto Sportdirektor in Barcelona. Zudem vermuteten die Portugiesen bereits im Zuge der Verbringung Varelas nach Kroatien 2024, dass Barca das eigentliche Ziel sein könnte. Damals, so schreibt der frühere Spitzentrainer Villas-Boas, habe man bereits Mitarbeiter des katalanischen Topvereins kontaktiert. "Die Antwort, die wir erhielten, war positiv: Man versicherte uns, dass auch Ihr Verein fest zur Integrität des Sports stehe und gegen Missbrauch im Fußball kämpfe. Uns wurde zugesichert, dass keine Spieler in einer Situation wie der von Cardoso Varela aufgenommen würden - vor allem nicht, wenn fragwürdige Vermittler beteiligt sind. Wir haben dieser Erklärung vertraut, gestützt auf die jahrzehntelangen engen Beziehungen zwischen unseren Klubs, die wir sehr schätzen", nimmt Villas-Boas nun Laporta in die Pflicht und appelliert: "Ich bin überzeugt, dass der FC Barcelona sich voll und ganz gegen undurchsichtige Praktiken im Fußball engagiert und alle notwendigen Maßnahmen ergreifen wird, damit sich dieser Fall nicht in die Reihe trauriger Beispiele für die Aushöhlung der Sportintegrität einreiht."
Varela hätte die U-17-EM spielen können, wurde aber nicht nominiert
Man darf nun gespannt sein, ob dies weitere Folgen für die Gespräche über Varela haben wird. Als dieser sich im Juni 2024 anschickte, Portugal zu verlassen, hatte er gerade mit Portugals U 17 die Vize-Europameisterschaft auf Zypern geholt. Am 1. Juni dieses Jahres wurde Portugals U 17 Europameister in Albanien, Varela hätte als 2008er-Jahrgangsspieler an dem Turnier teilnehmen dürfen. Doch seit sich die Geschichte eines der größten Talente des portugiesischen Fußballs zu einem handfesten Beraterskandal ausgewachsen hat, wurde er nicht mehr für die nationale Auswahl nominiert.
Benni Hofmann