Der erste Abschied wurde von einem lauten Knall begleitet. Als Levin Öztunali 2013 angekündigt hatte, statt für den HSV in Leverkusen als Profi spielen zu wollen, entstand eine politische Debatte um den Enkel von Uwe Seeler. Der zweite Abschied wird geräuschloser vonstattengehen, seit dieser Woche gehört der nur noch zur Reserve.
Traum geplatzt: Levin Öztunali wurde beim Hamburger SV in die U 21 degradiert. IMAGO/Eibner
"Armselig" nannte der große Uwe Seeler im Februar 2013 den Vorgang rund um seinen Enkel. Das größte HSV-Idol aller Zeiten war der Meinung, Frank Arnesen habe sich nicht genug um das Talent bemüht, der damalige Sportchef wiederum entgegnete, Öztunali und dessen Familie habe sich für das Geld von Bayer entschieden. Als Konsequenz wurde der damals 16-jährige Junioren-Nationalspieler, an dem seinerzeit auch der FC Bayern interessiert war, bis zum Vertragsende vom Profitraining ausgeschlossen - wie am gestrigen Dienstag. Der Unterschied: Der Aufschrei ist dieses Mal geringer. Öztunali, im Sommer 2023 mit großen Erwartungen von Union Berlin geholt und mit einem Vertrag bis 2026 ausgestattet, hat schon in den zurückliegenden Wochen und Monaten keine wirkliche Rolle mehr gespielt.
Dass der HSV mit ihm und Moritz Heyer nun zwei Hinterbänkler degradiert und in die Regionalliga-Mannschaft schickt, wirft naturgemäß Fragen auf: Löst diese Kaderverschlankung tatsächlich die akuten sportlichen Probleme? Oder ist die Streichung auch ein Ablenkungsmanöver? Klar ist: Sie markiert im Fall Öztunali das Ende eines Missverständnisses.
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26.11.24 - 12:03 Uhr 10:26 Minuten
Als der heute 28-Jährige vor eineinhalb Jahren ablösefrei aus Köpenick kam, wurde nicht nur der Fußballer Öztunali verpflichtet, sondern auch eine Figur, die Träume erfüllen sollte. Das war angesichts seines berühmten Opas eigentlich schon immer so. Vater Mete hatte einmal gesagt: "Er wird immer Uwes Enkel bleiben. Im Erfolgsfall wie im Misserfolgsfall. Wir haben von Anfang an versucht, ihn darauf vorzubereiten." Als der verlorene Enkelsohn zehn Jahre nach seinem krachenden Abschied wieder zu Hause in Hamburg ist, äußert sich sogar seine Oma, Seeler-Witwe Ilka in der Hamburger Morgenpost: "Es wäre doch ein dolles Ding, wenn der HSV es jetzt nach all den Jahren schafft, mit Levin aufzusteigen. Das wäre ein Traum."
Doch der Traum zerplatzte. Weil Öztunali zwar mit der Erfahrung von 190 Bundesligaspielen nach Hause kam. Aber auch mit der Hypothek, in seiner letzten Saison bei Union nur noch ganze acht Minuten zum Einsatz gekommen zu sein. Er war auf der Karriereleiter bereits auf dem Weg nach unten, und womöglich erschwerend hinzu kam die riesige Erwartungshaltung, dass er nicht nur Tore schießen, sondern vor allem auch Sehnsüchte erfüllen sollte: Öztunali ist ein begnadeter Techniker, aber ein zurückhaltender Charakter.
Seine Heimkehr und sein Name lösten Aufbruchstimmung aus, sein Auftreten nicht. Am Ende standen 19 Einsätze und keine Torbeteiligung in der abgelaufenen Saison und nur noch zwei Einwechslungen mit insgesamt 27 Spielminuten in der laufenden Spielzeit. Eigentlich sollte er schon im Sommer gehen, entschied sich jedoch für einen Verbleib. Mit der Versetzung zur U 21 soll Öztunali mit Nachdruck zum Wechsel bewegt werden. Auch das ist anders als beim ersten Abschied. Da war der Aufschrei groß und die Degradierung deshalb erfolgt, weil er nicht bleiben wollte.
Sebastian Wolff