In den Achtzigern waren nur Pop und Party? Von wegen. Ein neues Buch erklärt das Jahrzehnt zur Ursuppe für Österreichs Probleme.
Es fällt nicht schwer, die 1980er-Jahre in Österreich zu verklären: Falco und die EAV brachten die Coolness in den einheimischen Pop, Thomas Bernhard erklärte das Land mit Inbrunst zur miesen Kloake, Elfriede Jelinek erzählte die Leidensgeschichte einer Klavierspielerin. Das war nicht immer lustig, aber kulturell aufregend. Und dann diese Farben – fluoreszierend, wild, alles schien erlaubt.
Dass nicht alles eitel Wonne war, na gut, das weiß man schon. Nur erinnern mag sich daran niemand so recht. Der Autor Michael Mazohl will das ändern und das Jahrzehnt aus dem kollektiven Kuschelgedächtnis reißen. Es waren, so der Titel seines Buchs, Die scheiß 80er-Jahre. Durchaus eine großartige Zeit, wie Mazohl schreibt, aber "es ist auch unfassbar viel Scheiße passiert, die bis heute stinkt". Das ist mal eine Ansage.
Das Buch vermischt die persönliche Geschichte des Autors, Jahrgang 1979, mit den politischen Entwicklungen in Österreich. Als Kind erlebte Mazohl die Diskussionen zu Hause, in einer Familie, wie sie in den Achtzigern weitverbreitet war. Der Vater und die Tanten? Alles Lehrer. Die Mutter Hausfrau, der Opa ein Beamter und ehemaliger Wehrmachtssoldat. Und dann war da noch der streitlustige Onkel, konservativ und angetan von Jörg Haider.
Im Garten der Großeltern in der Wiener Neustadt debattierten sie alle gemeinsam. "Im Ohr habe ich", schreibt Mazohl, "noch die Namen, die damals immer fielen; im Radio, in der ZiB, die ich beim stillen Beschäftigen mitgeschaut habe, vor allem aber rund um die Familienstammtische: der Haider, der Mock, der Sinowatz, der Proksch, der Androsch." Über Kurt Waldheim und seine Vergangenheit im Zweiten Weltkrieg wurde weniger gesprochen – aus Rücksicht auf den Opa, der das auch gern aussparte.
In der Politik findet Mazohl sein eigentliches Thema und seine wichtigste These: Vieles von dem, was uns heute umtreibt, habe seine Ursprünge in diesem verklärten Jahrzehnt. Und überhaupt brauche man nicht so zu tun, als sei die Frequenz der Skandale heute besonders hoch. Denn, so schreibt er: "Drehten die Erwachsenen in den 1980ern auf dem ORF-Sender FS1 die Zeit im Bild auf, blickten sie mit ziemlicher Sicherheit in den Abgrund eines gerade aktuellen Skandals mit mehr oder weniger SPÖ-Beteiligung."
Zum Beweis nimmt Mazohl den Leser an die Hand und führt durch die kleinen und großen Skandale des Jahrzehnts. Von Udo Proksch, seinem Club 45 und der Lucona bis zur Kostenexplosion und den Schmiergeldern um das Allgemeine Krankenhaus in Wien. Dazu die Milliardenverluste (in Schilling) der Voest-Tochter Intertrading, die Waffenlieferungen der Noricum an den Irak und den Iran, die ÖVP-Parteispendenaffäre und noch viel mehr.
Das ist nicht neu, aber eindrücklich, wenn Mazohl einem die rasche Abfolge vor Augen führt, in der diese Abenteuerlichkeiten publik wurden.