Österreich: Ein Eklat in Salzburg und neuer Antisemitismus

vor 14 Stunden 1

Am Samstag, um 11.41 Uhr, kippte die Stimmung bei der feierlichen Eröffnung der Salzburger Festspiele. Pro-Palästina-Aktivisten enterten die Bühne der Felsenreitschule und die in die Steinwand gehauenen Arkaden, sie entrollten Transparente, brüllten ins Publikum: Es dürfe nicht schweigen zu Verbrechen Israels im Gazastreifen, zu verhungernden Palästinensern.

In den ersten Reihen verfolgte die Staatsspitze um Bundespräsident  und Bundeskanzler stumm das Geschehen. Bei dem Festakt feiert sich alljährlich die Kulturnation Österreich, das Fernsehen lässt die übrige Republik live teilhaben – ein ideales Szenario für Aktivisten, ihre Botschaften zu platzieren. Davor hatte der Verfassungsschutz DSN  im Vorfeld gewarnt.

 Pro-Palästina-Aktivisten in den Arkaden der Felsenreitschule.

Eklat beim Eröffnungsakt: Pro-Palästina-Aktivisten in den Arkaden der Felsenreitschule.

Foto: Franz Neumayr / AFP

Gewaltlose Störungen von Veranstaltungen mögen ärgerlich sein, in einer demokratischen Gesellschaft müssen sie ausgehalten werden. Doch die Aktion von Salzburg wirft Fragen auf: Hätten die Aktivisten auch Waffen statt der Transparente hineinschaffen können? Und darf eigentlich jeder mit jedem Anliegen stören? Den Demonstranten von Salzburg jedenfalls ging es nicht nur um die humanitäre Katastrophe in Gaza.

Hinter der Aktion steckten auch linksradikale Sympathisanten der Terrormiliz Hamas, die Israel das Existenzrecht absprechen. Sie sind organisiert in der Gruppe »Palästina Solidarität« , die eine Pressemitteilung zum Eklat von Salzburg veröffentlichte. Einer der Mitgründer rechtfertigte den grausamen Überfall auf Israel vom 7. Oktober 2023. Befreiungskampf sei nun mal »kein Mädchenpensionat«, sagte er dem »profil« . Das Massaker an mehr als 1200 Menschen verglich er mit dem Aufstand des Warschauer Judenghettos gegen die Nazis 1943. Solche Sprüche und abstrusen Analogien sind keine Israel-Kritik, sondern Antisemitismus.

Israelis von Tiroler Campingplatz verwiesen

In den vergangenen Tagen kam es noch zu zwei weiteren Vorfällen. In Tirol wurde ein Ehepaar von einem Campingplatz verwiesen , als es seine israelischen Pässe zeigte. Und in Wien wurden mehrere Musiker aus einer Pizzeria geworfen , weil sie sich auf Hebräisch unterhielten. Den Taten liegt offenbar ein hässlicher Kurzschluss zugrunde: Sämtliche Israelis, Besucher und Urlauber, werden kollektiv und pauschal verantwortlich gemacht für die Gaza-Politik der Regierung von Benjamin Netanyahu.

 Warnung des Verfassungsschutz blieb ungehört

Best-Case-Szenario für Aktivisten: Warnung des Verfassungsschutz blieb ungehört

Foto: Oliver Das Gupta / DER SPIEGEL

Wien, Salzburg und Tirol: Diese Vorfälle zeigen, dass sich das Klima für jüdische Menschen in Österreich verschlechtert hat. Schon nach dem Überfall der Hamas vom 7. Oktober erzählten Gastronomen von israelischen und koscheren Lokalen, dass plötzlich Kundschaft ausblieb. In diesen Wochen schwappt eine neue Welle des Judenhasses durchs Land, wie eine Anfrage von SPIEGEL und »Standard« bei der Israelitischen Kultusgemeinde Wien  zeigt. »In den vergangenen Tagen ist ein signifikanter Anstieg gemeldeter antisemitischer Vorfälle zu verzeichnen«, heißt es. Die Täter kommen vermehrt aus dem linken und muslimischen Spektrum.

Die Bandbreite der Taten reicht von Schmierereien, digitalen Hasskommentaren bis zu Bedrohungen auf offener Straße. Taxifahrer hätten Juden, deren Religionszugehörigkeit durch ihr Äußeres erkennbar war, nicht mitgenommen. »Die allermeisten Vorfälle enthalten Formen der Dämonisierung und Delegitimierung Israels«, heißt es aus der Gemeinde. Wer jüdisch ist oder eine Verbindung nach Israel hat, zeigt das in Österreich besser nicht offen. Das ist die Lage im Geburtsland Adolf Hitlers, 80 Jahre nach dem Holocaust und dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Social-Media-Tipp der Woche:

Zum Auftakt der Salzburger Festspiele tummelten sich zahlreiche Politikgrößen in der Stadt an der Salzach, und das nicht nur wegen der Hochkultur. Rumäniens Präsident Nicușor Dan  traf seinen österreichischen Amtskollegen Alexander Van der Bellen und warnte vor russischer Desinformation. Ex-Kanzler Christian Kern sprach über Kunst im öffentlichen Raum, sein Nachfolger Sebastian Kurz lud zu einer Party, zu der auch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner erschien.

Das aktuelle deutsch-österreichische Kanzlerduo Friedrich Merz und Christian Stocker  besuchte die Vorstellung des »Jedermann« – und anschließend den Hauptdarsteller Philipp Hochmair . Der postete ein Foto von der Begegnung später in sozialen Medien. »Merz war sehr euphorisch«, erzählte der Schauspieler – der Besucher aus Berlin habe sogar die stehenden Ovationen eingeleitet.

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Herzliche Grüße aus Salzburg

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Oliver Das Gupta, Autor für SPIEGEL und STANDARD

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