In einer frühen Phase der Regionalliga-Saison hat sich zwischen Platz 1 und Kickers Offenbach schon ein signifikanter Punkte-Puffer aufgebaut. Das sorgt am Bieberer Berg für gereizte Stimmung und wirft die Frage auf, ob der Kader stark genug ist.

Bricht dem OFC weg: Marc Wachs (rotes Trikot) hat sich an der Sehne verletzt. IMAGO/Hartenfelser
So viel Wehrhaftigkeit wie nach der Partie gegen den TSV Steinbach Haiger hätte sich Kickers Offenbachs Trainer Kristjan Glibo von seinen Spielern auch in der Anfangsphase auf dem Platz gewünscht. Man kann das, was nach Schlusspfiff geschah, aber auch als einen Beleg dafür werten, dass am Bieberer Berg bereits nach vier Spieltagen das Nervenkostüm extrem angespannt ist. Dass einige Akteure der Gäste nach ihrem 3:1 (2:1)-Erfolg provokante Gesten in Richtung der Heimfans machten, hatte jedenfalls zur Folge, dass Spieler beider Teams zunächst auf dem Rasen und später in der Mixed Zone nicht nur verbal aneinander gerieten.
"Emotionen gehören dazu", sagte Glibo, aber seine Elf hätte "die Energie lieber in der ersten Hälfte auf dem Platz zeigen" sollen. Vor allem in der Anfangsphase war das nicht der Fall. Sein Team habe den Beginn der Partie "komplett verschlafen", kritisierte der OFC-Coach: "Wir haben die persönlichen Duelle nicht angenommen und sind zu Recht ins Hintertreffen geraten." Nach nur elf Minuten stand es bereits 0:2. Der Pfosten und mehrere starke Paraden von Torhüter Johannes Brinkies verhinderten einen noch höheren Rückstand. Die Kickers-Fans unter den 7480 Zuschauern wähnten sich im falschen Film.
Am letzten Spieltag der vergangenen Saison hatte der OFC die Steinbacher an gleicher Stelle ähnlich überrannt, wie es nun die Gäste mit den Hausherren taten. Damals hieß es am Ende 5:1. Das umgekehrte Ergebnis wäre diesmal durchaus möglich gewesen, zumal Offenbachs bereits verwarnter Dominik Crljenec kurz nach der Pause unnötig Gelb-Rot sah und damit die ohnehin angespannte Personalsituation weiter verschärfte. Der 25-Jährige war laut Sport-Geschäftsführer Christian Hock die erste Alternative, wenn es um die Frage geht, wer in den kommenden Wochen Co-Kapitän Marc Wachs (Sehnenverletzung) als Abwehrchef oder zweiter Sechser ersetzen soll. Nun fällt Crljenec selbst eine Partie aus. Damit stehen aktuell weiterhin sieben Spieler nicht zur Verfügung.
Hock sucht einen Stürmer
Hock hatte deshalb vor dem Duell mit Steinbach das gesamte Team in die Pflicht genommen. Doch viele Akteure waren damit offensichtlich überfordert. Wie in der Woche zuvor bei der ersten Saisonniederlage (1:3 beim FSV Mainz 05 II) stand in Brinkies nur ein Mitglied des fünfköpfigen Mannschaftsrats in der Startelf. Gegen Steinbach wurde in Ronny Marcos ein weiteres eingewechselt, die anderen drei sind verletzt. Boubacar Barry, nicht nur aufgrund seines Tores zum 1:2 einer der besten Offenbacher, gab zu, dass es derzeit an Führungsspielern hapert. Hock will das aber nicht als Ausrede gelten lassen. Der Kader sei grundsätzlich gut genug, betont er. Das mag bei bester Besetzung für die Defensive und das Mittelfeld gelten, der Sturm ist diese Saison aber noch torlos, weshalb man sich nach einem weiteren Angreifer umsieht. Jan Dahlke (zuletzt Hessen Kassel) wird weiterhin gehandelt. An Valdrin Mustafa, der gegen Steinbach erneut nicht zum Einsatz kam, soll derweil Ligarivale FC Homburg Interesse haben.
Glibo bittet um Geduld, verweist darauf, dass erst der 4. Spieltag absolviert sei. Aber mit der Geduld ist das in Offenbach so eine Sache. Die Kritik nimmt zu, auch an Hock. Es sei zu riskant gewesen, mit fünf Verletzten beziehungsweise Rekonvaleszenten in die Saison zu gehen, heißt es unter anderem. Glibo spricht von einer "Herausforderung". Das Problem: Die kommenden Aufgaben werden nicht leichter.
Christian Düncher