Der durchschnittliche YouTube-Nutzer ist nicht fähig, ohne weiteres bei über die Plattform gestreamten Musikvideos eine MP3-Datei der Tonspur herunterzuladen. Er könne den von der Google-Tochter eingesetzten Mechanismus "Rolling Cipher" nicht einfach umgehen. Das ist eine Kernaussage des heise online vorliegenden Urteils des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) vom 21. November, mit dem die Hamburger Richter die Berufung des Host-Providers Uberspace im Streit mit der Musikindustrie über die Webseite youtube-dl.org und die darüber einst verlinkte Programmbibliothek Youtube-DL für MP3-Downloads zurückgewiesen haben (Az.: 5 U 54/23). Ein durchschnittlicher Nutzer hat demnach nicht die Kenntnisse, mit "Programmwerkzeugen" im Browser wie "Web Developer Settings" umzugehen, um ein Herunterladen vorzunehmen.
YouTube nutzt das Verfahren Rolling Cipher vor allem zum Verschleiern des Speicherortes einer Videodatei. Letztlich sollen Nutzer des werbefinanzierten Basisdienstes so auch ermuntert werden, ein kostenpflichtiges Premium-Abo abzuschließen. Uberspace argumentierte vor dem OLG, beim Einsatz etwa von Firefox müsse der User zum Herunterladen von Audioinhalten nur das Video in dem Browser öffnen, in die Einstellungen für Webentwickler gehen und alle Daten nach "Audio" filtern. Dann sei es noch nötig, die erste URL mit "videoplayback" zu kopieren und zu verkürzen, um Zugriff auf die problemlos speicherbare Audiodatei zu erhalten. Zu kompliziert für den Durchschnittsnutzer, hält das OLG dagegen. Bei Rolling Cipher handle es sich daher um "eine wirksame Maßnahme".
Was Nutzern von Youtube-DL drohen könnte
Das Landgericht Hamburg sah den Mechanismus 2017 erstmals als effektiven technischen Schutzmechanismus an und blieb im Fall Youtube-DL bei dieser nun vom OLG bestätigten Ansicht. Laut der höheren Instanz steht auch die Tatsache, dass andere Programme ebenfalls ein Herunterladen von YouTube-Videos ermöglichen, der Wirksamkeit von Rolling Cipher nicht entgegen. Uberspace führte zudem ins Feld, dass Journalisten und Aktivisten auf YouTube-DL aufbauende Lösungen verwendeten, um nachrichtlich relevante Videos zu archivieren und so möglichen Löschaufforderungen von Regierungen, Strafverfolgern und Rechteinhabern zuvorzukommen. Dem OLG zufolge ist es aber "nicht maßgeblich, ob und inwieweit diese Vorrichtungen auch für andere Zwecke verwendet werden können, wenn sie tatsächlich vor allem zur Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen verwendet worden sind."
Youtube-DL-Nutzer wollen die Hamburger Richter ebenfalls nicht von der Angel lassen. Der Download über solche Drittangebote "vollzieht sich über eine Anleitung und in mehreren Schritten", schreiben sie. "Daraus muss der Durchschnittsnutzer schließen, dass ein Schutzmechanismus umgangen wird." Demnach handele ein solcher User "bösgläubig". Das bedeutet, ihm ist beim MP3-Download bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt, dass er zum Besitz der Audiodatei nicht berechtigt ist. Auch das Herunterladen könnte so eine Urheberrechtsverletzung darstellen. Das OLG äußert sich dazu eher kryptisch: Das Kriterium der Bösgläubigkeit gelte auch für zivilrechtliche Instrumente wie einen Unterlassungsanspruch, für die "regelmäßig die objektive Störereigenschaft" ausreiche. Uberspace selbst könne sich der Haftung nicht mit dem Hinweis entziehen, von möglichen Rechtsverletzungen über die Seite mit dem Link auf das Tool nichts zu wissen. Es sei ausreichend, "wenn der Beklagte erkannt hat, dass er sich im Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt".
(mki)