In sozialen Netzwerken wollen Menschen attraktiv wirken und bearbeiten ihre Fotos mit Schönheitsfiltern. Damit gewinnen sie, wie eine Studie zeigt, auch an inneren Werten. Experten fordern ethische Richtlinien – und in Australien wird jetzt über eine Altersgrenze entschieden.
Ein schönes Äußeres wirkt auf Menschen anziehend, egal wie gut oder schlecht es um die inneren Werte steht. Und deshalb haben Schönheitsfilter großen Einfluss: Werden Porträts mithilfe von KI verändert, erscheinen die abgebildeten Gesichter für Betrachter attraktiver, wie eine aktuelle Studie veranschaulicht.
Aber die Filter haben noch mehr Einfluss, mussten die spanischen Forscher feststellen: Das geschönte Gesicht lässt eine Person zudem deutlich intelligenter, vertrauenswürdiger, geselliger und glücklicher erscheinen. Zumindest wird sie von anderen so wahrgenommen, wie es in ihrer jetzt von der britischen Wissenschaftsakademie, „Royal Society“, veröffentlichten Studie heißt.
Schönheitsfilter seien in der digitalen Welt weitverbreitet und würden eine wichtige Rolle für heutige Schönheitsstandards und die Wahrnehmungen von Schönheit spielen, schreibt die Forschungsgruppe um Aditya Gulati und Nuria Oliver von der Universität in Alicante. Für die aktuelle Studie legte das Team daher 2748 Personen die Porträts von 462 Männern und Frauen vor, ließ diese in sieben Eigenschaften bewerten. Die Probanden bekamen sie in ausgewählten Bildersets in jeweils einer Version zu sehen – entweder das Porträt im Original oder mit Filter.
Die Information, dass die Hälfte der Bilder bearbeitet war, hielt man zurück. Und unabhängig vom eigenen Alter, Geschlecht, der ethnischen Zugehörigkeit oder persönlichen Präferenzen empfanden fast alle Betrachter die mittels KI manipulierten Gesichter als attraktiver. Aber es zeigte sich auch, dass natürlich schöne Menschen durch die Filter weniger gewinnen konnten als etwa unattraktive.
Das Alter der Betrachter spielte eine Rolle für die Einschätzung, wie intelligent, vertrauenswürdig und glücklich eine Person wirkte. Generell wurden jüngere Personen als attraktiver wahrgenommen im Vergleich zu Menschen mittleren Alters oder Senioren – mit und ohne Filter, was sich schon in früheren Studien zeigte. Jüngere Menschen erschienen nun dank KI noch geselliger, den Älteren wiederum bescherte sie mehr Intelligenz und Vertrauenswürdigkeit.
Weil solche Bildveränderungen großen Einfluss haben, sehen Wissenschaftler und Psychologen den Einsatz kritisch. Die Studienautoren halten fest, dass solche Manipulationen „die Grenze zwischen Realität und Künstlichkeit verwischen“. Wer solche Filter nutze, stelle sich oft idealisiert und unrealistisch dar. Was unter anderem die Frage aufwerfe, was in der digitalen Selbstdarstellung wirklich authentisch sei. Und wo die Ehrlichkeit bleibe. Die Diskrepanz zwischen echten und gefilterten Bildern könne die persönliche Authentizität untergraben und zu einem falschen Identitätsgefühl beitragen.
„Schönheitsfilter füttern unseren Schönheitssinn mit unrealistisch verschönerten Gesichtern, die dazu führen, dass der Prototyp sich immer weiter von den realen Gesichtern entfernt“, sagt auch Helmut Leder, Professor für Allgemeine und Kognitive Psychologie an der Universität Wien, wo er 2004 den Forschungsschwerpunkt Empirische Ästhetik begründete. „Langfristig führt das dazu, dass reale Gesichter immer weniger attraktiv eingeschätzt werden, und die Standards, was erfüllt sein muss, damit ein Gesicht als schön gilt, fast unrealistisch hoch sind“, betont Leder.
Nicht nur andere Gesichter werden demnach als weniger attraktiv wahrgenommen, sondern auch das eigene. „Wenn es um die eigene Person geht, kann das natürlich auch Konsequenzen für das Selbstbild haben“, sagt Leder. Und davon hänge das Selbstbewusstsein ab. Außerdem könnten die Filter dazu führen, dass häufiger Schönheitsoperationen vorgenommen werden. Auch deshalb fordern die spanischen Forscher mehr Transparenz – und ethische Richtlinien für die Verwendung von Schönheitsfiltern. Vor allem dann, wenn Menschen durch gefilterte Bilder ohne ihr Wissen in ihrer Entscheidungsfindung beeinflusst werden könnten.
Soziale Medien könnten „sozialen Schaden anrichten“
Um insbesondere Kinder und Jugendliche vor dem Einfluss sozialer Medien zu schützen, setzt die australische Politik zum Beispiel auf strikte Regeln. Gerade haben die Abgeordneten für einen Gesetzentwurf gestimmt, der erstmals ein Mindestalter festlegt: Die Nutzung von Plattformen wie Facebook, Instagram, X, TikTok und Snapchat wäre erst ab 16 erlaubt; Ausnahmen sind für Gaming- und Video-Plattformen sowie für Messengerdienste vorgesehen.
Als „Geißel“ bezeichnete Premierminister Anthony Albanese Instagram und Co., soziale Medien könnten „sozialen Schaden anrichten“. Vor der Abstimmung im Parlament hatte er noch einmal für die Pläne geworben und Eltern aufgeworfen, sich dahinter zu stellen. Soziale Medien seien nicht nur eine „Plattform für Gruppenzwang“, sondern sie schürten auch Ängste und lockten Betrüger an.
Winkt der Senat das Gesetz jetzt am Donnerstag durch, müssen die Anbieter „angemessene Maßnahmen“ ergreifen, damit jüngere Kinder und Teenager keinen Account einrichten können. Ein Jahr hätten sie Zeit dafür, bevor ihnen Geldbußen in Millionenhöhe drohen.
mit dpa und AFP