News: Haustiere als Raubtierfutter, Markus Söder und das Recht des Lautstärkeren beim Bürgergeld

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Eisbären im Zoo von Aalborg

Eisbären im Zoo von Aalborg

Foto: Henning Bagger / Ritzau Scanpix / IMAGO

Fressen oder gefressen werden: Ein dänischer Zoo macht weltweit Schlagzeilen, weil er dazu aufruft, Haustiere abzugeben – allerdings nicht zur weiteren Pflege, sondern als Futter, etwa für Luchse: »Auf diese Weise geht nichts verloren – und wir gewährleisten ein natürliches Verhalten, eine ausgewogene Ernährung und das Wohlergehen unserer Raubtiere.« Der Zoo sucht unter anderem Kaninchen und Meerschweinchen; er will nach eigenen Angaben die natürliche Nahrungskette der Tiere nachahmen, »sowohl aus Gründen des Tierschutzes als auch der fachlichen Integrität«.

Nach eigenen Angaben hat der Zoo in diesem Jahr bereits 137 Kaninchen bekommen. Viele der gespendeten Tiere seien alt oder verletzt. Es gebe Spender, »die das Interesse an ihren Haustieren verlieren, und dann können wir Menschen aus einer Zwickmühle herausholen«, sagt der Direktor. Das Gesetz des Dschungels, es gilt nicht nur in den internationalen Beziehungen (hier mehr ) und seit Trumps Zollstreit im internationalen Handel (dazu hier mehr ), sondern auch im nordjütländischen Aalborg.

2. Maul aufreißen II

Viele Politiker glauben, auch in ihrem Habitat gelte das Gesetz des Dschungels, verwechseln aber Stärke mit Lautstärke. Das zeigt sich in der Bürgergelddebatte. Da fordert Markus Söder, allen Ukrainern das Bürgergeld zu streichen (hier mehr). Gut gebrüllt, bayerischer Löwe, nicken viele: Die CDU-Ministerpräsidenten von Sachsen und Thüringen, Kretschmer und Voigt, stimmen ein. Der Chef des Kanzleramts, Frei, zeigt sich offen. Der andere Teil des Rudels jault empört auf: Der SPD-Chef und Vizekanzler Klingbeil weist den Vorstoß zurück (hier mehr). Der Chef der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Radtke poltert über Söder, das Denken in Überschriften habe »sich leider zum Arschgeweih der deutschen Politik entwickelt. Eine Zeit lang nett, aber irgendwann ist man es einfach nur noch leid.« (Hier mehr dazu.)

Nun ist Söder dafür bekannt, seine Haltungen zu verändern, wie der Geier seine Position beim Kreisen über der Beute. Beim Bürgergeld jedoch, das muss man ihm lassen, bleibt Söder auf der Spur: Er kritisiert es konsequent als ungerecht gegenüber allen Geringverdienern. Und er hat gewittert, wie er im Sommerloch ein Thema setzen kann.

Aber in der Sache wirkt Söders Forderung so konstruktiv wie ein Gorilla, der sich auf die Brust trommelt. Denn die schwarz-rote Bundesregierung hat sich längst drauf verständigt, allen künftig ankommenden Ukrainern kein Bürgergeld mehr zu bezahlen, sondern nur noch die niedrigeren Sozialleistungen, die auch Asyl­be­wer­be­r bekommen (bei Erwachsenen 441 statt 563 Euro im Monat). Die Ukrainer, die schon länger hier sind, auch so zu behandeln, wie Söder es will, wäre problematisch, das buchstabiert die »taz« anschaulich durch: Auch Asyl­be­wer­be­r bekommen nur so lange reduzierte Sozialleistungen, bis ihnen ein Schutzstatus zuerkannt wird. Danach rutschen sie ins Bürgergeld. »Auch wenn über ihren Asylantrag nach drei Jahren noch nicht entschieden wurde, haben sie Anspruch auf Leistungen in Höhe des Bürgergelds«, schreibt die Zeitung . »Die Zeit mit niedrigeren Sozialleistungen ist­­­­ also stets klar begrenzt.« Wenn man die Ukrainer genauso behandelte wie Asylbewerber, ihnen also nach drei Jahren das Bürgergeld geben würde – was wäre dann gewonnen? Viele kamen kurz nach Ausbruch des Krieges im Jahr 2022. Wie lange das her ist, könnte sogar Balu, der Bär, ausrechnen.

  • Hier mehr dazu: Worum es beim Streit über das Bürgergeld für ukrainische Geflüchtete geht

3. Mund halten

Der Prozess gegen Jian G., einen früheren Mitarbeiter des damaligen AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah, hat begonnen. Die Verteidigung wies die Vorwürfe zurück, G. sei als Agent für den chinesischen Geheimdienst tätig gewesen. Der gebürtige Chinese G. will sich demnach selbst nicht zu den Vorwürfen äußern. Sein Anwalt sagte, es werde sich zeigen, ob G. »007 oder lediglich 08/15« sei. Bis Ende September sind 13 Verhandlungstermine angesetzt. (Hier mehr dazu.)

»Für Krah, der inzwischen im Bundestag sitzt, und die AfD, könnte der Prozess peinlich werden«, berichten meine Kollegin Ann-Katrin Müller und meine Kollegen Sven Röbel und Wolf Wiedmann-Schmidt. Deren Recherchen zufolge schöpfte der mutmaßliche chinesische Spion zahlreiche vertrauliche Details aus dem Innenleben der Partei ab: »über Flügelkämpfe und Streitigkeiten, das Privatleben von hohen AfD-Funktionären, die Machtambitionen von Co-Parteichef Tino Chrupalla und seltsame Geschäftsideen von AfD-Parlamentariern«.

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Russland steigt offiziell aus Abrüstungsabkommen für Atomraketen aus: Russland setzt wieder auf atomare Kurz- und Mittelstreckenraketen: Ein historischer Abrüstungsvertrag zum Ende des Kalten Krieges ist damit Geschichte. Allerdings sind die USA ohnehin schon ausgestiegen.

  • Israel will Gazastreifen offenbar vollständig besetzen: Noch immer befinden sich Dutzende israelische Geiseln in den Händen der Hamas. Übereinstimmenden israelischen Medienberichten zufolge setzt Premier Netanyahu jetzt auf eine Einnahme des gesamten Gazastreifens.

  • Gletscherschwund auf unberührter Insel alarmiert Forschende: Auf der australischen Insel Heard Island schmelzen die Gletscher dramatisch schnell. Wissenschaftler warnen vor verheerenden Folgen für die Artenvielfalt und sprechen von einem »besorgniserregenden Bild«.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen: Der Fußballer, der noch über sich selbst lachen konnte:

 Weltmeister, Olympiabronze, Bundesligalegende

Frank Mill im DFB-Trikot: Weltmeister, Olympiabronze, Bundesligalegende

Foto:

IMAGO sportfotodienst

Ein legendärer Pfostenschuss prägte die Karriere von Frank Mill. Wie er mit dieser Szene umging, zeigt, warum der Weltmeister von 1990 zu den besonderen Fußballern der Bundesligageschichte gehört.

Was heute weniger wichtig ist

Foto:

James Devaney / GC Images / Getty Images

Der Teufel schaut Insta: Die Dreharbeiten zur Fortsetzung von »Der Teufel trägt Prada« laufen – und Instagram, TikTok und X sind voll mit Fotos vom Set in New York. Drehbuchautorin Aline Brosh McKenna, 58, findet aber nicht, dass dadurch zu viel vorweggenommen wird: Es sei eine »Ehre, dass die Leute immer noch Interesse haben«, sagte sie dem Onlineportal Indiewire. Sie »stehen draußen, nur um einen Blick auf diese Schauspieler und diese Figuren zu erhaschen« – besonders in ihren Kostümen. Offenbar hätten die Fans den dringenden »Wunsch, diese Figuren wiederzusehen«.

Mini-Hohlspiegel

Das »Darmstädter Echo« über Fußballnationalspielerin Giulia Gwinn: »Man habe das Gefühl, es ist ein eingeschweißter Haufen, sagte Gwinn.«

Hier finden Sie den ganzen Hohlspiegel.

Cartoon des Tages

Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.

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Thomas Plaßmann

 Schwieriger Hauptdarsteller

Regisseur Spielberg (an der Kamera) bei den Dreharbeiten zu »Der weiße Hai« (1975): Schwieriger Hauptdarsteller

Foto: Bridgeman Images / IMAGO

Könnten sie einem Tier beim Maulaufreißen zuschauen: Vor 50 Jahren lief Steven Spielbergs Blockbuster »Der weiße Hai« an und veränderte Hollywood von Grund auf. Nun kommt er wieder ins Kino – und zeigt meisterhaft, wie man das Publikum in Angst und Schrecken versetzen kann.

»Mit einem Mal fühlen wir uns klein und begreifen: Wir stehen vielleicht am Ende der Evolution, aber nicht an dem der Nahrungskette«, schreibt mein Kollege Lars-Olav Beier. (Hier mehr. )

Wenn Sie den Harpunenspieß umdrehen wollen, könnten Sie vor dem Kinobesuch kochen, vielleicht Dorade royal mit Jasminblüten und Piment auf Pinien-Couscous und Rosenessig-Glace (hier das Rezept ).

Ich wünsche Ihnen einen, gnihi, haiteren Abend. Herzlich
Ihr Oliver Trenkamp, Blattmacher in der Chefredaktion

Niemandem verpflichtet außer Ihnen
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