Endlich geht es wieder nach Leistung
Wir sind noch in der Phase der ersten Male, also auch heute: erste Routine-Kabinettssitzung, erste Regierungserklärung von Kanzler Friedrich Merz, erste Regierungsbefragung. Heute von Kanzleramtschef Thorsten Frei und Finanzminister Lars Klingbeil – die Namen tippen sich schon viel flotter an Tag 8. (Wie Merz bereits am Dienstagabend einen Vorgeschmack auf seine Regierungserklärung gegeben hat, lesen Sie hier.)

Konstituierende Kabinettsitzung der Regierung Merz
Foto: Emmanuele Contini / NurPhoto / IMAGOEs sind demokratische Rituale, die in unruhigen Zeiten etwas Tröstliches haben. Jedenfalls wenn man ausblendet, wie viele Menschen sie nur durch den Zerrfilter von AfD-TikTok-Videos verfolgen werden. Oder dass viele denken, nur ein König könne diesem Land Frieden und Freiheit bringen.
So langsam gewinnt frau auch einen Überblick, welche Männer noch alles schöne Posten in der zweiten und dritten Reihe der neuen Regierung und der Unionsfraktion bekommen. Wobei, Moment: Im Kanzleramt wurden immerhin zwei Frauen für die sieben Abteilungsleiterposten gefunden, wohl unter fieberhafter LinkedIn-Suche oder dank dem verstaubten Filofax von Beate Baumann, das ein Merz-Mann unter einem Regal in seinem neuen Eckbüro entdeckt haben muss. In weiblicher Hand sind nun die Bereiche Sport (oha!) und Gesundheit und Soziales (was sonst?!).
Parität und Diversität waren nie Herzensanliegen der Union, aber es ist faszinierend, wie sie unter Merz als Thema abgemeldet sind. Von Menschen mit nichtweißer Haut ganz zu schweigen. Aber zugegeben, wir Journalistinnen quälen Merz auch nicht mehr damit. Wir haben verstanden, dass er Frauen nur einen Gefallen tun will, indem er sie vor dem Scheitern in zu anspruchsvollen Ämtern schützt.
Auch der Koalitionsausschuss ist übrigens von Unionsseite rein maskulin besetzt.
Mehr Hintergründe hier: Als es zum Ernstfall kommt, gibt es keinen Plan
Selenskyjs Hoffnung
Während US-Präsident Donald Trump heute von Saudi-Arabien nach Katar weiterreist und sich dort vielleicht ein Flugzeug schenken lässt, bleibt die große Frage, ob er auch einen Stopp in der Türkei einlegen und Wladimir Putin treffen wird. (Warum die Maschine aus Katar nicht alle Sicherheitsstandards erfüllt, lesen Sie hier .) Kommt der Kriegstreiber wirklich persönlich in die Türkei und wird gar mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj über Frieden verhandeln?

Der ukrainische Präsident Selenskyj
Foto: Efrem Lukatsky / AP / dpaEs ist mehr als unwahrscheinlich, und doch: Im Ukrainekrieg laufen die diplomatischen Bemühungen auf Hochtouren. Auch ohne greifbare Erfolge fragt man sich: Sind die Dinge in Bewegung? Darf man ein bisschen Optimismus wagen?
Mein Kollege Christian Esch hat Selenskyj interviewt und schreibt aus dem Nachtzug zurück aus Kyjiw: »Man hat den Eindruck: Die Ukrainer wissen gerade nicht, wo ihnen der Kopf steht. So viel Hin und Her und Unvorhersehbares, selbst für einen Präsidenten, der drei Jahre Krieg durchgemacht hat, ist das gerade etwas viel.«
Der ukrainische Präsident konnte jüngst Bundeskanzler Friedrich Merz, den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, den polnischen Regierungschef Donald Tusk und den britischen Premier Keir Starmer bei sich begrüßen (»ein ganz wichtiges Treffen«). Dann telefonierte er mit dem neuen Papst (»ein super Gespräch«). Und er macht sich Hoffnungen auf ein neues amerikanisches Sanktionspaket, »das stark ist und sehr gefährlich für die Russen«.
Zwar rechnet Selenskyj nicht ernsthaft mit einem Treffen mit Putin in Ankara – »Mir scheint, er hat Angst.« Aber er will dringend »ein Format für die Beendigung des Krieges finden«. Er wolle zeigen, »dass wir nicht die sind, die diese Prozesse bremsen«.
Das ganze Interview mit Wolodymyr Selenskyj hier: »Trump muss zur Überzeugung kommen, dass Putin lügt«
Kranke Kassen
Als Beamtenkind und Privatversicherte kennt die Autorin nur die süße Seite der Zwei-Klassen-Medizin. Aber dass es sie gibt, das entgeht auch uns Privilegierten nicht (die den Preis ihrer schnellen Facharztbesuche freilich über saftige Rechnungen zu spüren bekommen).

Behandlung dann erst später
Foto: Daniel Vogl / dpaKassenpatienten müssen oft monatelang auf Termine warten, wie eine exklusive SPIEGEL-Auswertung zeigt. Ein Team aus unserem Wirtschaftsressort hat das Terminangebot für zwölf Facharztgruppen auf der Gesundheitsplattform Doctolib analysiert, wo sich Millionen Patienten um Termine bemühen.
Die Auswertung von fast 24.000 Suchergebnissen ergab, dass Kassenpatienten im Schnitt etwa doppelt so lange auf Termine warten wie Privatversicherte, teils sogar rund drei- oder viermal so lang. Nur Kieferorthopäden oder Kinderärzte fallen aus der Reihe. Vielleicht, weil Erstere ohnehin von erwachsenen Selbstzahlern leben? Und die anderen vom tagesaktuellen Schniefnasen-Geschäft?
Die Kolleginnen und Kollegen liefern auch Erfahrungsberichte und Tricks von Terminsuchenden und erklären, welche Reformen die Ungleichheit verstärken.
Die ganze Geschichte hier: Kassenpatienten, bitte warten!
Lesen Sie hier den aktuellen SPIEGEL-Leitartikel
Lars Klingbeil muss das Reformtrauma der SPD überwinden: Der SPD-Chef hat seinen politischen Aufstieg mit Härte organisiert. Jetzt muss er als Vizekanzler ähnliche Fähigkeiten zeigen .
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Noch mehr Rätsel wie Wordle, Wortsuche und Paarsuche finden Sie bei SPIEGEL Games.
Gewinner des Tages…
…sind fünf Dörfer in Nordrhein-Westfalen um die Stadt Erkelenz herum, die dem Untergang entgangen sind und heute neue Namen erhalten. Eigentlich sollten Keyenberg, Kuckum, Berverath, Ober- und Unterwestrich im Braunkohlerevier Garzweiler abgebaggert werden, doch der frühere Kohleausstieg machte dies überflüssig. Die Bewohner waren schon größtenteils umgesiedelt worden – in neue Ortschaften mit denselben Namen.

Ortsschild zu den Neubaugebieten im Braunkohletagebau Garzweiler
Foto: Federico Gambarini / dpaWeil es rund um die Stadt Erkelenz aber nicht zwei Kuckums oder Keyenbergs geben soll, müssen die alten Ortschaften umgetauft werden.
Die Stadt Erkelenz hatte erst die Anwohner selbst Vorschläge einreichen lassen, aber die Bürgerbeteiligung ging offenbar zu knapp aus für ein klares Meinungsbild. Der »Rheinischen Post« zufolge wird der Stadtrat heute wohl entscheiden, auf »Fantasienamen« zu verzichten, um die Orte künftig mit den Vorsilben »Alt-« oder »Neu-« auseinanderzuhalten. Vielleicht hätte Neu-Berverath lieber als Entenhausen weitergemacht, oder Neu-Unterwestrich als Daisy Town – aber: Hauptsache, sie leben noch.
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Macron nennt israelisches Vorgehen im Gazastreifen eine »Schande«: »Was die Regierung von Benjamin Netanyahu aktuell macht, ist inakzeptabel«: Frankreichs Präsident richtet deutliche Worte gen Israel. Zugleich gesteht er ein, Europa sei im Vergleich zu Donald Trump machtlos.
Menendez-Brüder könnten auf Bewährung freikommen: Lyle und Erik Menendez haben 1989 als junge Männer ihre Eltern getötet, durch eine Netflix-Serie wurde ihr Fall zuletzt wieder zum Thema. Die Entscheidung eines US-Richters macht den Brüdern jetzt Hoffnung.
Sean Combs’ Ex-Freundin berichtet von schweren Misshandlungen: Casandra Ventura ist die wohl wichtigste Zeugin im Prozess gegen Sean »Diddy« Combs. Nun hat sie vor Gericht ausgesagt: über mehrtägige »Freak-offs« und massiven Missbrauch durch den Rapper.
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Westend61 / Getty Images