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Im August und Anfang September geht die Lage am Abend auf Weltreise: SPIEGEL-Korrespondentinnen und -Reporter berichten aus den Metropolen und entlegenen Ecken Asiens, Afrikas, Amerikas und Europas. Und natürlich bekommen Sie hier auch weiterhin Ihr Nachrichten-Briefing: News, Meinung, Storys – alles, was am Tag wirklich wichtig ist.
1. Luftverkäufer Putin, Vielversprecher Trump

Argumentiert mit Karten – und dem eigenen Großvater: Selenskyj in Washington, im Hintergrund Frankreichs Emmanuel Macron und US-Präsident Trump
Foto:Andrew Caballero-Reynolds / AFP
Donald Trump stellt sich die Welt offenbar ganz einfach vor: ein Anruf bei Putin, und die Sache läuft. Als am Montag der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und sieben weitere europäische Spitzenpolitiker bei ihm im Weißen Haus saßen, rief Trump den Kremlchef an, den er ein paar Tage zuvor in Alaska empfangen hatte. Daraufhin verkündete der US-Präsident, Putin scheine zu einem Zweiergipfel mit Selenskyj bereit, um über ein Ende des russischen Angriffskriegs zu verhandeln.
So einfach ist das nur leider nicht, schreibt mein Kollege Christian Esch. Putin hat das von Trump versprochene bilaterale Treffen auch vier Tage nach dem Gipfel nicht zugesagt. »Was, wenn die Russen dazu nicht bereit sind?«, fragte Selenskyj nach der Heimreise in einem Briefing mit eingeladenen Journalisten in Kyjiw, das Protokoll liegt dem SPIEGEL vor. »Dann möchten wir eine starke Reaktion der Vereinigten Staaten sehen.« Nämlich neue Sanktionen und Zölle gegen Russland.
»Putin will uns Luft verkaufen«, habe er zu Trump gesagt, berichtete Selenskyj. Denn Russlands Machthaber glaube selbst nicht an seine Forderung nach einem Abzug der Ukraine aus dem Donbass im Gegenzug für ein Einfrieren der Front. Selenskyj hält sie offensichtlich für einen vergifteten Vorschlag.
Und wie blickt Selenskyj inzwischen auf Trump? »Aus seiner Sicht ist das Treffen in Washington gut gelaufen«, sagt Christian. »Aber er kann bei Trump nie ahnen, was dem als Nächstes einfällt.«
Hier lesen Sie, warum Selenskyj im Gespräch mit Trump offenbar von seinem Großvater erzählte: »Putin will uns Luft verkaufen«
Warum so vieles dagegen spricht, dass Putin sich bald auf ein Treffen mit Selenskyj einlässt, erklärt Moskau-Korrespondentin Christina Hebel: Putin hat es nicht eilig
Außerdem: Neue Details über den in Italien gefassten mutmaßlichen Nord-Stream-Saboteur Serhij K.: Er besaß laut deutschen Fahndern zwei ukrainische Pässe mit verschiedenen Identitäten
2. Senioren zu Diensten
Boomer sind Räuber. Das sagt der Ökonom Marcel Fratzscher. Okay, er sagt es nicht ganz so gemein, aber der 54-Jährige übt harte Kritik an der Boomergeneration, zu der er sich auch selbst zählt. Die Babyboomer hätten der heutigen Jugend ihre Bildungschancen geraubt. »Zu viel Ignoranz, Selbstbezogenheit und Naivität«, wirft er ihnen im Gespräch mit meinen Kollegen Benjamin Bidder und Florian Diekmann vor (hier das Gespräch ).
Da sei etwa der Irrtum gewesen, dass nach dem Ende des Kalten Krieges »Wohlstand und Frieden Selbstläufer sind«. Dann das frappierende Unterschätzen des Klimawandels. Hinzu kämen demografische Probleme: In den Sechzigerjahren noch hätten sechs Beitragszahler eine Rentnerin oder einen Rentner versorgt, rechnet der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vor. Bald müsse diese Last von gerade mal zwei Beitragszahlern geschultert werden.
Deutschland lebe »in einer Fantasiewelt«, klagt Fratzscher. »Wegen der Alterung schrumpft Deutschlands Wachstumspotenzial. Rezession wird eher zur Norm werden. Leider handeln Demokratien oft erst, wenn sie mit dem Rücken zur Wand stehen.«
Ich als 30-Jähriger frage mich: Wie soll meine Generation das lösen? Fratzschers erfrischende Antwort: warum denn nur die Jungen? Sein Vorschlag: »Wir sollten ein verpflichtendes soziales Jahr für alle Rentnerinnen und Rentner einführen.« Zum Beispiel im Sozialbereich – »aber auch bei der Verteidigung«.
Worauf meine Kollegen die ebenso berechtigte Frage stellten, ob er ernsthaft Endsechziger in Panzer stecken wolle.
Was der Professor erwiderte, lesen Sie hier: »Wir sollten ein verpflichtendes soziales Jahr für alle Rentner einführen«
3. Wild Child
Ich bin mit den Wilden Kerlen aufgewachsen. Also den Fußball-Jugendromanen von Joachim Masannek: »Felix, der Wirbelwind«; »Vanessa, die Unerschrockene«; »Leon, der Slalomdribbler«. Als die Bücher 2003 verfilmt wurden, wurde Leon, Anführer der Bande, vom elfjährigen Jimi Blue Ochsenknecht gespielt . Ich meine es völlig unironisch, wenn ich sage: Ich hatte als Kind im Kino Gänsehaut. War der cool.
Derzeit steht Ochsenknecht, 33, Reality-Soap-Star, aus uncoolen Gründen in der Öffentlichkeit. Ende 2021 verbrachte er mehrere Tage in einem Tiroler Viersternehotel, um seinen Dreißigsten zu feiern – und beglich jahrelang die knapp 14.000 Euro hohe Rechnung nicht. Erst nachdem er im Juni in Hamburg festgenommen wurde, zahlte eine Ex-Freundin für ihn. Er wurde nach Österreich überstellt, am Landesgericht Innsbruck begann ein Betrugsprozess.
Am heutigen Freitag entschied die Richterin, dass Ochsenknecht eine Strafe von 18.000 Euro zahlen muss. Es handelt sich um »Diversion«, eine Art der Prozessbeilegung ohne Urteil, die es in Deutschland nicht gibt. Ochsenknecht entgeht einem Strafregistereintrag. Vorausgesetzt, er zahlt diesmal.
Mein Kollege Oliver Das Gupta berichtet, im Gerichtssaal seien viele fassungslos gewesen. Der Staatsanwalt rief zornig, Ochsenknecht habe nicht nur den Hotelwirt »verarscht«, sondern auch die Strafverfolgung, indem er seinen »Promibonus« ausgenutzt habe. »Auszahlen dürfte sich die Gerichtsentscheidung für ihn in jedem Fall«, schreibt Oliver: »Sein Marktwert ist gestiegen. Das ganze Spektakel ist kostenlose Reklame für die trashigen Soapformate, bei denen er mitmacht – und deren Mitarbeiter im Saal waren.« Ab September gibt es neue Folgen von »Diese Ochsenknechts«.
Hier lesen Sie die Gerichtsreportage: Der Staatsanwalt spricht von »Verarsche«
Und hier finden Sie die SPIEGEL-Recherche über den Skandal um die geprellte Zeche: Prinz Protz (hier auch als Podcast)
Was heute sonst noch wichtig ist
Uno-Experten stellen erstmals Hungersnot im Norden des Gazastreifens fest: Die Versorgungslage im Gazastreifen verschlechtert sich weiter: Experten sehen nun in einem Teil des Gebiets erstmals eine Hungersnot, Hunderttausende sind betroffen. Das israelische Militär weist den Bericht zurück.
FBI durchsucht offenbar Haus von Trumps Ex-Sicherheitsberater John Bolton: John Bolton äußert sich immer wieder kritisch über die Außenpolitik des US-Präsidenten. Nun wird gegen Trumps früheren Sicherheitsberater wegen dessen Umgangs mit vertraulichen Dokumenten ermittelt.
18-Jähriger soll Polizist erschossen haben: Ein 34-jähriger Polizeibeamter ist durch Schüsse aus einer Dienstwaffe getötet worden. Tatverdächtig ist laut Polizei ein 18-Jähriger. Er soll zuvor eine Tankstelle im saarländischen Völklingen ausgeraubt haben.
Meine Lieblingsgeschichte heute:

Angeklagte Letby vor Gericht: Die Meinung in Großbritannien kippt
Foto:Elizabeth Cook / empics / picture alliance
In einer Klinik im nordwestenglischen Chester sterben binnen eines Jahres mehr als ein Dutzend Kinder. Die junge Krankenschwester Lucy Letby wird für sieben Morde verurteilt, sie bekommt lebenslänglich. Doch mittlerweile streitet das ganze Land über ihre Schuld. Meine Kollegin Alexandra Berlin hat den Kriminalfall, der das Vereinigte Königreich spaltet, detailliert rekonstruiert. Sie war in Chester, sichtete Dokumente, las sich medizinisches Wissen an und konsultierte Ärzte, um zu verstehen, ob Letbys Unterstützer den Richterspruch zu Recht hinterfragen. »Experten im ganzen Land streiten über die Beweise«, sagt Alexandra. »Ob Letby eine Mörderin ist oder ein Opfer der Justiz, ist zur Glaubensfrage geworden.«
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Eine Krankenschwester wird wegen Mordes an sieben Babys verurteilt. Aber war sie es wirklich?
Was heute weniger wichtig ist

Robbie Williams: Strenger Vater, wenn es ums Internet geht
Foto: Nicolo Campo / IMAGOProtection: Der Sänger Robbie Williams, 51, will seine vier Kinder vor dem Internet schützen. Er verbiete ihnen den Besitz von Smartphones, sagte der Brite dem Sender ITV News. »Ich komme mit der zerstörerischen Natur des Internets nicht klar, es tut mir weh, es ruiniert meinen Tag«, erklärte der Musiker. Das Internet sei wie eine Droge. »Wie kann ich diese Droge einer Siebenjährigen geben?«
Mini-Hohlspiegel

Von SPIEGEL.de

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Thomas Plaßmann

Szene aus »Detention«
Foto: Red Candle GamesAls Korrespondent in Taipeh will ich Ihnen einen Taiwan-Tipp geben, dem Sie von überall auf der Welt folgen können: das einzigartige Videospiel »Detention« – ein politisches Horrorgame.
Das Mädchen Ray besucht in den Sechzigerjahren eine Highschool in einer abgelegenen Berggegend. Es ist die Zeit des »Weißen Terror«, jener bleiernen Ära, in der die heutige Vorzeigedemokratie Taiwan eine Diktatur unter der Herrschaft der chinesischen Kuomintang war. Auf rätselhafte Weise findet Ray sich eines Tages in ihrer leeren Schule wieder. Leichen liegen herum, Geister wandeln durch die Gänge. Bald erfährt sie: Jemand hat einen schrecklichen Verrat begangen. Und versucht herauszufinden, was sie damit zu tun hat.
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Man muss kein Gamer sein, um dem Sog von »Detention« zu verfallen. Das Spiel lebt von seinem Plot und einer atemberaubend schaurigen Ästhetik. Spielerisch unkompliziert, hat es doch eine ungeheure Atmosphäre. »Detention« ist verfügbar für Konsolen, Computer und Tablets/Smartphones (hier im App Store von Apple, hier für Android). Alternativ gibt es auch eine Netflix-Serie von »Detention« , die gar nicht schlecht ist – aber nicht so gut wie das Spiel.
Das Timing ist übrigens perfekt: Heute Nacht beginnt in Taiwan der »Geistermonat« . Alljährlich sollen sich da die Tore zur Unterwelt öffnen. Nachts wandern angeblich hungrige Seelen umher. Manche Menschen vermeiden es sogar, im Dunkeln Wäsche auf dem Balkon aufzuhängen, um bloß keine bösen Geister anzulocken.
Auch die Lage am Abend wandert nach der heutigen Ausgabe weiter auf ihrer sommerlichen Weltreise. Am Montag empfängt Sie an dieser Stelle meine Kollegin Britta Sandberg in Paris.
Machen Sie es gut. Herzlich aus Taipeh
Ihr Cornelius Dieckmann, Korrespondent