Neue Studie zu Musikstreaming: Warum auf Spotify jetzt alles gleich klingt

vor 2 Tage 2

In den frühen Zweitausenderjahren brach der CD-Markt ein; nachdem die CD bereits die Kassette und die Kassette die Schallplatte ersetzt hatte, konkurrierte man nun plötzlich mit einem unfairen Wettbewerber: dem Internet. Warum teure Alben kaufen, wenn man sich die Songs auch halblegal (so genau wollte es niemand wissen) aus dem Netz ­ziehen konnte? Die Umsatzzahlen rutschten in den Keller – bis iTunes und vor allem Spotify Rettung versprachen.

Für monatlich nicht einmal den Preis eines Albums öffneten sich die Tore zur großen weiten Welt der Musik; so gut wie jeder Künstler, jedes Genre, jede Pop-Epoche ist inzwischen auf den Plattformen vertreten, die seit gut zehn Jahren wieder viel Geld in die Kassen der großen Musiklabels spülen.

Das Spotfiy-Versprechen: unbegrenzte Kreativität

„Unsere Mission ist es, das Potential der menschlichen Kreativität freizusetzen“, schrieb Spotify damals über sich selbst. Und irgendwie schien es ja auch zu stimmen: Unbekannte Künstler konnten ihre Musik präsentieren, ohne einen Major-Deal abgeschlossen zu haben, und die Hörer hatten jetzt Zugang zu Tonwelten, die sie als Album nie gekauft hätten.

Doch es schien nur so. Schon seit einiger Zeit beklagen sich Künstler, dass nur die allerpopulärsten unter ­ihnen fair entlohnt werden, während Musikjournalisten herausgefunden haben, wie eifrig Spotify bemüht ist, seine Hörer algorithmisch in Richtung billiger Massenware zu führen.

Wie stark dadurch die Homogenität der Popmusik zugenommen hat, haben jetzt die beiden kulturwissenschaftlich interessierten deutschen Ökonomen Paul Niklas Kullick und Johannes Petry ermittelt. In der Fachzeitschrift „Finance and Society“ vergleichen sie die Hip-Hop-Charts aus dem Jahr 2002 mit der aktuell erfolgreichsten Spotify-eigenen Playlist „RapCaviar“.

Gleiche Melodien, gleiche Rhythmen, gleiche Lyrics

Und was soll man sagen? Wer nicht dreiminütige, in Cis-Dur komponierte, auf gesampelte Melodien, die immergleichen „808“-Drum-Kits und einheitliche Schlagmuster zurückgreifende, mit Auto-Tune korrigierte und mit zunehmend ähnlichen Lyrics ausgestattete Songs für den Gipfel menschlicher Kreativität hält, kann nach der Lektüre einem Anflug von Kulturpessimismus kaum ausweichen. In beinahe allen Dimensionen (Tonart, Melodie, Rhythmik, Lyrics), so die beiden Autoren, hat die musi­kalische Homogenität zugenommen.

Und das, obwohl schon die Charts der Zweitausender nicht gerade ein Paradies musikalischer Vielfalt waren. Die wichtigste Ursache hierfür sei der Siegeszug der kuratierten Playlist, die das Album ersetzt hat: mit ihr streben Plattformen danach, möglichst viele Nutzer möglichst lange „im Stream“ zu halten, um durch wachsende Nutzerzahlen steigende Aktienkurse zu rechtfertigen.

„Bingeability“ ist jetzt das goldene Kalb, um das die Kulturindustrie tanzt – möglichst störungsfreies Fließen von einem Song zum nächsten, immer das wiederholend, was man schon kennt und mag. Da trauert man schon fast den guten alten „Bravo“-Hits nach.

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