NBA-Star Victor Wembanyama: Sehen wir gerade den besten Basketballer der Geschichte?

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In der Gegenwart zu erkennen, wie gerade Geschichte geschrieben wird, ist schwer. Manchmal versteht man historische Entwicklungen erst in der Retrospektive. Aber es gibt auch so markante Veränderungen, dass wirklich jeder merkt: Ab jetzt ist die Welt eine andere.

Genau das geschieht gerade im Basketball. Der Protagonist der Zeitenwende ist ein junger Franzose von 21 Jahren und 2,24 Metern: Victor Wembanyama.

Seit 2023 spielt er für die San Antonio Spurs in der nordamerikanischen NBA. Schon Jahre vorher war der Hype um »Wemby« immens. Als größtes Talent seit LeBron James, vielleicht sogar jemals, wurde er wegen seiner speziellen Veranlagung gefeiert. Und mit seiner Ankunft in der stärksten Liga der Welt übertraf er sogar jede Erwartung.

Das Zeug zum GOAT

Ein Blutgerinnsel in der Schulter beendete Wembanyamas zweites NBA-Jahr zwar vorzeitig. Was er bis dahin in eineinhalb Saisons gezeigt hatte, verdeutlichte: Dieser Mann wird einmal der Beste der Welt. Eines Tages.

Nun, ja. Dieser Tag scheint früher zu kommen als erwartet. Mit jedem weiteren Spiel verhärtet sich sogar der Verdacht: Ist der Tag vielleicht schon heute?

Das Victor-Wembanyama-Zeitalter hat begonnen

Das Victor-Wembanyama-Zeitalter hat begonnen

Foto: Darren Abate / AP

Seit dem Saisonstart Mitte Oktober erstarren Fans wie Experten – selbst Mit- und Gegenspieler – geradezu vor Ehrfurcht. Denn Wembanyama, Spitzname »Alien«, macht Dinge, die übermenschlich wirken: Blocks mit dem Rücken zu Gegenspielern, Dunks aus scheinbar unmöglichen Winkeln, ohne kaum abspringen zu müssen, sogar tänzelnde Dribblings  mit abschließendem Dreier á la Stephen Curry.

Über die tatsächliche Größe einer Karriere wird erst nach ihrem Ende entschieden. Aber der bisherige Eindruck rechtfertigt die Prognose: Über diesen Spieler wird man eines Tages als GOAT diskutieren. Der Greatest Of All Time.

Zumindest eins steht bereits heute fest: Mehr Potenzial hatte noch niemand.

Training im Kloster

Aber was hat sich verändert, dass gerade jetzt die Branche so ausflippt, wenn es um Wembanyama geht?

Vor ein paar Monaten hatte er noch ein anderes Profil. Seine besondere Stärke war schon damals die Kombination aus Körpergröße, defensivem Timing, Ballgefühl bei Dribblings und Würfen, Flinkheit und Übersicht. Die Flüssigkeit seiner Bewegungen wirkte mit seinen 2,24 Metern schon immer surreal. Wie eine Kreuzung aus Wilt Chamberlain und Kobe Bryant.

Damals hatte »Wemby« aber noch klare Schwächen: Ihm fehlte in manchen Momenten die bloße Kraft, um von den Goliaths der NBA nicht herumgeschubst zu werden. Trotz seines Talents wirkte er punktuell wie ein Junge, der gegen Männer spielte. Außerdem wählte er noch oft den falschen Abschluss.

In der Saisonpause hat Wembanyama diese Schwächen bereinigt. Statt durchschnittlich fast neun Dreiern pro Spiel im Vorjahr nimmt er jetzt nur noch ungefähr drei Versuche aus der Distanz. Das ergibt Sinn, denn Highlights wie diese sind angesichts seiner Körpergröße zwar schlichtweg irre:

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Aber seine Länge kann Wembanyama am besten in Korbnähe ausspielen. Dort muss er nur leicht hüpfen, um den Ball über den Ring zu legen. Dort profitiert er auch von seiner neugewonnenen Kraft, die gar nicht mal so augenscheinlich ist. Wembanyama ist nach wie vor ein Schlaks, und das wird wohl auch so bleiben. Bei seiner Größe wäre allzu viel Muskelmasse nur unnötiges Verletzungsrisiko.

Wembanyama priorisiert seit jeher Biegsamkeit  und Balance mit seinem Krafttraining. Vor einiger Zeit kursierten Videos von merkwürdigen Übungen auf Finger- und Zehenspitzen. Im Sommer gingen Aufnahmen von »Wemby« mit kahl geschorenem Kopf viral, weil er sich als Teil seines Sommerpausentrainings in einem Shaolin-Kloster in China  aufhielt.

Natürlich war das nicht alles, um robuster zu werden. Wembanyama selbst gab vor Kurzem an, seit Beginn seiner NBA-Karriere ordentlich zugenommen zu haben: »Vielleicht so 30 Pfund«, meinte er im Gespräch mit Comedian Kevin Hart. Umgerechnet sind das etwa 13,6 Kilogramm.

Die Ein-Mann-Verteidigung

Die veränderte Physis ist spürbar. In der Vertikalen war »Wemby« mit seinen 2,24 Metern ohnehin schon im Vorteil, jetzt kann er sich mit Schulterschubsern  leichter horizontal Platz verschaffen. Auch gegen den Ball verhilft Wembanyama seine Stärke zu noch mehr Dominanz.

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Bereits vergangene Saison wäre er zweifellos zum Verteidiger des Jahres gewählt worden, hätte er nicht so viele Spiele verpasst. Dieses Jahr ist er noch besser. Im Eins-gegen-eins im freien Raum ist Wembanyama dank flinker Füße und langer Arme kaum zu überwinden, umso schwerer wird es näher dran.

Der Bereich um den Korb wird mit »Wemby« auf dem Feld zur Flugverbotszone für Gegner. Kein Team erlaubt so wenige Abschlüsse am Korb wie die Spurs, wenn der Franzose auf dem Feld steht. Im Schnitt blockt er 4,1 Würfe pro Spiel. Zum Vergleich: Knapp ein Drittel aller 30 NBA-Teams haben als gesamte Mannschaften einen niedrigeren Schnitt als Wembanyama allein.

In der Summe ergibt sich bereits jetzt, in seiner dritten Saison, ein Spieler ohne Schwächen. Ein Basketballer mit einer Superkraft (Defense), der obendrein alle weiteren Aspekte des Basketballs ebenfalls beherrscht und sich nur noch in Nuancen weiterentwickeln und etwas konstanter werden muss.

Wembanyama beim Korbleger gegen die New Orleans Pelicans

Wembanyama beim Korbleger gegen die New Orleans Pelicans

Foto: Peter Forest / AP

Bei früheren, vermeintlichen Alleskönnern wie Scottie Pippen, LeBron James, Giannis Antetokounmpo oder Nikola Jokić fehlte bei genauerem Hinsehen dann doch immer ein Aspekt: Mal war es die schiere Körpergröße, mal die Freiwürfe, mal der Distanzwurf, mal Flinkheit in der Defensive.

Bei »Wemby« ist das anders. Seine Vollständigkeit nimmt einem die Fantasie, was nach ihm noch kommen soll. Der 21-Jährige ist der erste universelle Basketballspieler, das Ende der Evolution in diesem Sport.

Eine Dynastie in den Startlöchern

Doch um wirklich mal einer der ganz Großen zu werden – oder sogar der Größte von allen – muss Wembanyama Titel gewinnen. Sie sind die harte Währung in allen Sportdebatten.

Zu seinem Glück entwickelt sich das restliche Team analog zu seiner Frühreife. Bereits von 1999 bis 2014 waren die Spurs mit einer Mannschaft um Tim Duncan eine Macht, nun dämmert eine ähnliche Ära. Mit etwas Glück und klugem Scouting haben die Spurs einen Teamkern gebastelt, der zu einem 5:2-Saisonstart gestürmt ist.

Devin Vassell bringt vom Flügel viel Dynamit mit

Devin Vassell bringt vom Flügel viel Dynamit mit

Foto: Darren Abate / AP

Um Wembanyama herum haben die Spurs nahezu alles, was sie benötigen: Vielseitigkeit und Defensivstärke unter dem Korb und auf dem Flügel, sogar ein paar Spieler mit Erfahrung im Titelkampf. Höchstens noch ein, zwei Ausnahmedreierschützen könnten helfen.

Vor allem im Spielaufbau gehören zu San Antonios Kader aber gleich drei Hochbegabte:

Der athletische Stephon Castle, 21, war Rookie des Jahres der Saison 2024/2025. Dieses Jahr macht er einen großen Schritt, ist im Angriff aggressiver und verteidigt diszipliniert. Dann holten die Spurs an zweiter Stelle der diesjährigen Draft Dylan Harper, 19, der bei den Profis bislang gut reinkommt. Der Guard fällt mit Fußarbeit und Feingefühl auf, kann aus der Distanz werfen und spielt überlegte Pässe. Ein natürlich begabter Aufbauspieler.

Und dann ist da noch De’Aaron Fox, 27, einer der schnellsten Spieler der NBA. 2023 wurde er zum Allstar gewählt, vergangene Saison kam er per Trade zu den Spurs. Bei dem imposanten Saisonstart fehlt er bislang sogar verletzt, mit ihm dürfte das Offensivspiel noch mal dynamischer werden.

Vor Saisonbeginn diskutierte die NBA-Welt noch, ob San Antonios junge Stars vielleicht jetzt schon bereit sind, um in der hart umkämpften Western Conference die Playoffs zu erreichen. Einig war man sich immerhin bei der Prognose, dass in San Antonio ein Titelkandidat heranwächst.

Jetzt gehören die Spurs nach sieben Spielen bereits zu den Topteams der Western Conference und Wembanyama dominiert nach Belieben. Vielleicht waren selbst die Optimisten zu vorsichtig. Denn in San Antonio scheint gerade alles ein bisschen schneller zu gehen als erwartet.

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