Über all dem unfassbaren Leid liegt eine unheimliche Stille – so beschreiben es britische Soldaten, die als Erste das KZ Bergen-Belsen erreichen. Inmitten des Horrors aus Tod, Sterben und Überleben sind die ausgehungerten, apathischen Noch-Lebenden zu schwach, um zu reden. Sie können sich kaum noch bewegen – von den Nazis systematisch erniedrigt und entmenschlicht. Der Tod ist in Bergen-Belsen überall.
Filmausschnitt »Nazi Concentration Camps«:
»Ich bin der Offizier, der das Regiment der »Royal Artillery« kommandiert, welches dieses Lager bewacht. Als wir hier ankamen, waren die Bedingungen unbeschreiblich. Die Menschen hatten seit sechs Tagen nichts zu essen.«
Die Hauptaufgabe für die britische Armee besteht erst mal darin, Leben zu retten, Trinkwasser zu organisieren, die Menschen mit Nahrung zu versorgen. Doch viele der geschwächten, unterernährten Ex-Gefangenen vertragen das Essen nicht oder sind todkrank. Das Massensterben geht weiter. In den Wochen nach der britischen Übernahme sterben noch mehr als 13.000 der ehemaligen Häftlinge; das ist etwa ein Viertel der Befreiten.
Ein Grund für die apokalyptischen Zustände des überfüllten Lagers war, dass die Nazis Abertausende Inhaftierte hierher transportiert und eingepfercht hatten, nachdem sie die Konzentrationslager im Osten – wie zum Beispiel Auschwitz – räumen mussten.
Filmausschnitt »Nazi Concentration Camps«, Dr. Hadassah Bimko Rosensaft:
»Man hat uns Häftlinge in einem schmutzigen, verlausten Lager auf die Erde geschmissen. Tausende auf ... nur Erde, ohne Decken.«
Medizinische Notversorgung, Krankentransporte in umliegende Krankenhäuser und das Bekämpfen der Typhusepidemie haben oberste Priorität. Und ebenso dringend ist es, wegen der Seuchengefahr die Leichen der KZ-Opfer zu begraben. In Massengräbern – aufgrund der unglaublich hohen Anzahl der Toten, der durch Hunger und Krankheit Ermordeten.
Filmausschnitt »Nazi Concentration Camps«:
»Unsere unangenehmste Aufgabe war es, die etwa 50 SS-Leute dazu zu bringen, die Toten zu begraben. Bis jetzt haben wir etwa 17.000 Menschen beerdigt, und wir erwarten, dass wir noch einmal etwa halb so viele beerdigen werden.«
Die Bilder der britischen Kameraleute gehören zu den schrecklichsten, verstörendsten Aufnahmen des Holocaust. Kaum auszuhalten – und dennoch ist es wichtig, sie zu zeigen. Ein Dokument des Leids der Opfer, Beweismittel für die Gräueltaten der Nazis.
Die wenigen SS-Wachen, die bei der Befreiung gefangen genommen werden konnten, kommen wenige Monate später im Herbst 1945 vor das Militärgericht in Lüneburg. Lagerkommandant Josef Kramer – auch »die Bestie von Belsen« genannt – wird zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Nach Wochen schlagen die medizinischen Behandlungen an, das Sterben endet. Überlebende, die wieder bei Kräften sind, erhalten den Status von »Displaced Persons« und verlassen nach und nach Bergen-Belsen.
Am 21. Mai 1945 ist das gesamte Lager evakuiert.
Um die Ausbreitung von Seuchen zu verhindern, brennt man die Holzbaracken des KZ mit Flammenwerfern nieder.
Wenig später wird die Gedenkstätte Bergen-Belsen eingeweiht.