Kulig über Professionalisierung im Schweizer Fußball: "Ich hasse halbe Sachen"

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Für Kim Kulig (34) wird das Länderspiel zwischen der Schweiz und Deutschland am Freitag besonders: Die Ex-DFB-Nationalspielerin ist inzwischen Trainerin beim FC Basel. Im kicker-Interview spricht sie über Unterschiede zwischen beiden Fußballnationen.

 Kim Kulig.

"Ich möchte um Titel spielen und die Mannschaft weiterbringen": Kim Kulig. IMAGO/Just Pictures

Frau Kulig, wie groß ist Ihre Vorfreude auf das Länderspiel am Freitag?

Mega! Ich werde auch dort sein. Die Schweiz sucht sich sehr gute Gegner gerade aus, das merkt man. Das scheint die Herangehensweise der neuen Trainerin Pia Sundhage zu sein. Sie ist so erfahren und weiß, was wichtig ist für ihre Mannschaft. Von daher macht sie es clever, dass sie gegen gute Gegner antreten. Pia hat einen klaren Plan. Sie hat in Vergangenheit immer wieder große Projekte angenommen und jetzt mit der Schweiz ein Land übernommen, das den nächsten Schritt machen muss in Richtung Weltspitze. Es gibt andere Nationen, die einen Schritt weiter sind in Sachen Körperlichkeit, Zweikampfhärte und Offensivstrategie. Ich bin ich auch sehr gespannt, wie eine Heim-EM im Rücken zum Erfolg beitragen kann. Eine Welttrainerin wie Pia Sundhage ist echt ein Glücksfall für die Schweiz.

Wo steht der Schweizer Frauenfußball?

Ich glaube schon, dass Deutschland noch ein Stück weiter ist. Wir haben ja beim FC Basel auch einige Nationalspielerinnen, aber man merkt schon noch den Unterschied zu anderen Nationen. Und das gilt nicht nur für den körperlich-athletischen Bereich. Ich glaube schon, dass die Breite in Deutschland noch besser ist. Ich habe ja immer auch den Vergleich zu Wolfsburg, bei der Top-Mannschaft habe ich zuvor gearbeitet. Hier in Basel gefällt mir aber auch genau deshalb besonders, dass ich meinen Teil dazu beitragen kann, dass wir professioneller werden und weitere Schritte nach vorn machen. Fest angestellte Physios sind dazugekommen, auch unser Torwart-Trainer arbeitet jetzt zu 100 Prozent für den Verein. Wir haben jetzt in den letzten eineinhalb Jahren sehr gute Schritte gemacht. Es geht alles so stetig voran. Aber da geht auch noch viel mehr.

War und ist es schwierig, sportlich diese Professionalität einzufordern?

Ich habe ja ehrgeizige Spielerinnen. Die Mädels, die arbeiten und zusätzlich professionell Fußball spielen wollen, die machen das ja aus einer Leidenschaft. Und deswegen war eine Basis vorhanden. Prinzipiell hat es mir einfach geholfen, zu wissen, was will ich und was ich brauche. Von den Rahmenbedingungen sind wir jetzt so weit, dass die Mädels professionell Fußball spielen können und auch die Zeit haben, gut zu regenerieren und professionell zu leben. Und wer dann noch arbeiten muss oder möchte, der kann das gut vereinbaren. Natürlich bin ich aus diesem Luxus Wolfsburg in eine andere Welt gekommen. Aber ich habe den Schritt ja bewusst gemacht, weil ich hier ganz viel Potenzial gesehen habe.

Jahresabschluss der DFB-Frauen

Die Professionalisierung kostet ja auch Geld. War es schwierig, das durchzudrücken bei den Verantwortlichen?

Nein, wir hatten einen klaren Plan, wir haben eine klare Richtung und wir haben ganz viele Sichtweisen, die wir einfach teilen und sagen: Das muss jetzt passieren. Ich hasse halbe Sachen! Und ich habe die volle Unterstützung vom FC Basel. Klar muss ich auch mal geduldiger sein, muss mal sagen: Okay, das geht jetzt halt gerade nicht. Aber es bewegt sich immer etwas. Sobald wir stehen, werde ich unruhig. Ein kleiner Schritt geht immer, finde ich.

Wenn da Alex Popp oder Svenja Huth vor dir stehen, ist das etwas anderes.

Sie sind beim VfL Wolfsburg vorzeitig aus Ihrem Vertrag ausgestiegen. Warum fiel Ihre Entscheidung für die Schweiz?

Gute Frage. Ich hatte sicherlich Möglichkeiten, auch irgendwo in Deutschland meine ganze Energie mit reinzubringen. Ich fand halt von Anfang an gut, dass ich hier etwas aufbauen kann. Ich möchte schon um Titel spielen und die Mannschaft weiterbringen. Und der FC Basel ist ein cooler Klub mit Tradition und Geschichte.

Als Co-Trainerin beim VfL Wolfsburg haben Sie die Öffentlichkeit nicht gesucht. War es für Sie persönlich wichtig, aus diesem Schatten rauszukommen?

Ja, total. Ich habe in Wolfsburg ganz viel gelernt, beispielsweise Dinge besser zu kommunizieren und weiterzugeben an die Mannschaft. Von daher waren es super wichtige Jahre. Ich habe den Schritt damals auch bewusst gewählt, zuvor hatte ich die U 20 von Eintracht Frankfurt trainiert. Aber wenn da Alex Popp oder Svenja Huth vor dir stehen, ist das etwas anderes. Und das Gute in Wolfsburg war ja, dass wir alle unsere Verantwortungsbereiche hatten. Ich war dort ja nicht nur, um Hütchen aufzustellen. Außerdem hatten wir ein gutes Trainerteam mit viel Qualität. Ich hatte als Co-Trainerin nicht diesen Druck und konnte ganz viel aufsaugen, was ich hier in Basel anwenden kann. Für mich war aber klar, dass ich den nächsten Schritt machen muss. Und jetzt bin überzeugt, dass ich eine Cheftrainerin bin.

In der Bundesliga ist aktuell keine Cheftrainerin tätig. Woran liegt das?

Schwierig zu sagen. Hier in der Schweiz ist der Frauen-Anteil höher. Aber mittlerweile ist es ja auch so, dass viele Ex-Spielerinnen ihre Trainer-Lizenzen machen. Da tut sich schon was. Wichtig ist, dass wir Frauen mutig sind und uns etwas zutrauen. Letztlich hängt es aber an den Vereinen, ob sie bereit sind, eine Trainerin zu verpflichten und ihr den Sprung zutrauen. Aber die Zahl an Trainerstellen ist natürlich auch begrenzt. In der Bundesliga spielen ja nur zwölf Klubs.

Zurück in die Schweiz: Ist die EM im nächsten Jahr schon ein großes Thema?

Ja, die EM ist schon präsent, zumindest bei den Spielerinnen. Ein Turnier im eigenen Land ist ja auch wichtig. Ansonsten hält sich die Präsenz noch im Rahmen, das könnte schon mehr sein. Deshalb ist es auch super, dass am Freitag mit der deutschen Mannschaft ein toller Gegner in der Schweiz antritt. Es wäre auch toll, wenn hier in Basel noch ein Spiel ausgetragen wird vor dem Turnier, denn Basel ist ja auch ein EM-Spielort.

Erhoffen Sie sich einen Schub für den Frauenfußball in der Schweiz?

Ja, sehr! Wir brauchen hier auch diesen Schub. Manchmal kommen eben auch nicht so viele Zuschauer zu den Spielen. Und ich kann mir schon vorstellen, dass durch so ein großes Turnier der Frauenfußball noch mehr wahrgenommen wird. Es gibt auch schon viele Mädels hier im Land, die Fußball spielen. Aber der Bekanntheitsgrad darf gerne höher werden. Es gibt noch viel Potenzial.

Welche deutsche Spielerin schätzen Sie besonders?

Ich bin ein Fan von Lena Oberdorf, die ich aus meinen Wolfsburger Zeiten gut kenne, aber leider verletzt ist. Sie bringt so viel mit. Aber auch Jule Brand ist sehr spannend. Sie ist eine Zockerin und auch eine coole Persönlichkeit. Aber ich könnte auch ganz noch viele andere nennen, denen ich jetzt nicht gerecht werde.

Interview: Gunnar Meggers

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