Kartellamt zur 50+1-Regel: Eigentlich müssen Bayer, Wolfsburg und RB jetzt bangen

vor 6 Stunden 1

Es ist der Dauerbrenner im deutschen Profifußball, die Debatte über die 50+1-Regel – und wie konsequent beziehungsweise inkonsequent sie umgesetzt wird. Das Bundeskartellamt hat sich schon vor Jahren in die Diskussion eingeschaltet, welche Grenzen externen Investoren in der Fußball-Bundesliga gesetzt werden sollen.

Am Montag hat die Behörde nun eine entsprechende Empfehlung herausgegeben, in der sie die Bundesliga bei dem Thema zum Nachbessern auffordert.

Kartellamtschef Andreas Mundt hat in dem Schreiben an die Deutsche Fußball Liga (DFL) angemahnt, der deutsche Fußball solle 50+1 – also die Regelung, nach der ein Verein die Anteilsmehrheit an einem Klub innehaben soll und kein Investor – »diskriminierungsfrei und konsequent« anwenden.

Das betrifft vor allem jene Klubs, die von Konzernen gesteuert werden und für die die DFL Ausnahmegenehmigungen geschaffen hat, also Bayer Leverkusen und den VfL Wolfsburg. Mundt bezieht sich jedoch auch, zwar indirekt, aber konkret genug, auf zwei weitere Beispiele: auf RB Leipzig und auf Hannover 96.

RB-Mitgliederstruktur auf dem Prüfstand

So führt Mundt für das Kartellamt aus: »Maßgeblich wird sein, dass die DFL bei allen Vereinen der Bundesliga und der 2. Bundesliga gleichermaßen für offenen Zugang zur Mitgliedschaft und damit für die Mitbestimmung der Fans sorgt.«

Eine Anmerkung, die eindeutig auf Leipzig abzielt: RB hat den Zugang von Mitgliedern von Beginn an hermetisch beschränkt, der Klub hat lediglich 23 stimmberechtigte Mitglieder (Stand 2024), die übrigen mehr als 1000 Mitglieder besitzen nur einen Förderstatus. Dies hat das Kartellamt explizit gemaßregelt.

Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamts

Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamts

Foto: Oliver Berg / dpa

Zudem heißt es in dem Schreiben, die DFL solle »sicherstellen, dass die Wertungen der 50+1-Regel auch bei den eigenen Abstimmungen beachtet werden«. Dies bezieht sich wiederum auf den Fall Martin Kind. Der langjährige Geldgeber und Geschäftsführer von Hannover 96 hatte im Vorjahr bei der Abstimmung über den Einstieg eines externen Investors in die Bundesliga womöglich gegen die Weisungen des Vereins verstoßen.

Hannover 96 hatte beschlossen, gegen einen Einstieg zu stimmen. Die Abstimmung auf der DFL-Mitgliederversammlung war zwar geheim, aber es gilt als wahrscheinlich, dass Kind anders abgestimmt hat, als vom Verein vorgegeben. Das Kartellamt hat das jetzt deutlich gerügt.

Was ist mit den Ausnahmen für Bayer und Wolfsburg?

Das Kartellamt gibt der Liga zudem einen Hinweis mit: Die für Leverkusen und Wolfsburg durch die DFL getroffenen Ausnahmeregelungen, die den beiden Klubs erlauben, von den Vorteilen der Konzernbindung zu profitieren, würden dem heutigen Europarecht nicht mehr »ausreichend« entsprechen.

DFL-Präsidiumssprecher Hans-Joachim Watzke

DFL-Präsidiumssprecher Hans-Joachim Watzke

Foto: Christian Charisius / dpa

Das heißt: Diese Ausnahmeregelungen wären heute nicht mehr machbar, und es ist die Frage, ob sie entsprechend rückwirkend verändert werden müssen.

Was hat das nun für die Bundesliga zur Folge?

Erst einmal wenig. Theoretisch haben die Empfehlungen Sprengkraft: Die Finanzierung von Leverkusen und Wolfsburg mithilfe der sie stützenden Großunternehmen steht auf dem Prüfstand. Leipzigs Klubstruktur entspricht nicht den Bedingungen von 50+1, und Abstimmungsverhalten wie das von Martin Kind können nicht gebilligt werden.

Aus der Fan-Ecke wird die Vorlage des Kartellamts nachvollziehbar prompt aufgegriffen. In einer Stellungnahme der »Fanszenen Deutschlands« heißt es: »Die betroffenen Vereine müssen kurzfristig ihre Gesellschaftsform und Organisation im Sinne der 50+1-Regel anpassen oder aus dem organisierten Fußball ausscheiden.« Beides erscheint angesichts der Fußballrealitäten schwer vorstellbar.

Hilfestellung statt Verfahren

Das Kartellamt hat lediglich Empfehlungen ausgesprochen, sie sind rechtlich nicht bindend für die DFL. Kartellamtschef Mundt betont deutlich, dass man »kein Verfahren gegen die DFL« anstrenge, sondern man vielmehr auf Bitte der DFL »eine fundierte Einschätzung dieser schwierigen sportkartellrechtlichen Fragestellung« vorgenommen habe. Man verstehe dies »als Hilfestellung für die DFL«. Die Einzelheiten der Umsetzung liegen allein bei der Deutschen Fußball Liga.

Dies ist also kein Erdbeben, und RB Leipzig, Wolfsburg oder Leverkusen müssen zunächst einmal keine Konsequenzen für ihren Ligabetrieb fürchten. Dennoch: Die Empfehlungen können nicht gänzlich folgenlos bleiben, die DFL wird sich nicht tot stellen können. Dazu ist das Risiko viel zu groß, dass es künftig Klagen gegen den Status der Konzernklubs oder von RB geben wird, die sich nun auf das Kartellamt berufen können.

Die DFL hat im Vorfeld bereits zugesichert, man werde sich »so rasch wie möglich« mit der Thematik befassen. In ihrer Stellungnahme vom Mittag verspricht die DFL, die kartellrechtliche Bewertung »eingehend zu prüfen«.

DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke formuliert es im besten Politikerdeutsch: »Der gesamte Ligaverband wird Lösungen finden müssen, um die Regelung gemeinschaftlich abzusichern und zu stärken.«

Die Stunde der DFL-Juristen

Will sagen: Es ist jetzt die Stunde der Juristen in der DFL, die einen Kompromissvorschlag erarbeiten dürften, der den derzeitigen Stand der Dinge vielleicht modifizieren, aber mit Sicherheit nicht umstürzen wird.

Bayer Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro bei den Meisterfeiern 2024

Bayer Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro bei den Meisterfeiern 2024

Foto: Christopher Neundorf / EPA

Man darf davon ausgehen, dass am Ende die Dinge weitgehend so bleiben, wie sie sind: Leverkusen und Wolfsburg werden weiterhin von der Unterstützung der Konzernmütter profitieren, RB Leipzig wird weiterhin im Netzwerk von Red Bull über entsprechende Mittel verfügen.

Ob Leipzig allerdings seine bewusst abgeschottete Mitgliederstruktur unter diesen Bedingungen auf Dauer halten kann oder sich auf den Weg machen muss, ein etwas normalerer Klub zu werden, gehört zu den spannenderen Zukunftsfragen.

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