Kambodscha-Thailand-Konflikt: Der Streit der alten Männer

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© Lilian Suwanrumpha/​AFP/​Getty Images

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Hun Sen und Thaksin Shinawatra galten einst als Freunde. Nun sind die Patriarchen aus Kambodscha und Thailand verfeindet – und provozieren Kämpfe zwischen ihren Ländern.

26. Juli 2025, 10:11 Uhr

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Noch vor zwei Jahren feierten die beiden mächtigsten Politiker Kambodschas und Thailands gemeinsam Geburtstag. Das anschließende Zerwürfnis der Männer wirkt im gefährlichen Grenzstreit ihrer Länder nun wie ein Brandbeschleuniger. Die Rede ist von Hun Sen, der fast vier Jahrzehnte lang in Kambodscha regierte, und Thaksin Shinawatra, Ex-Regierungschef des Nachbarlandes Thailand. Beide sind über 70 und gelten in ihrer Heimat nach wie vor als De-facto-Anführer – mit Unterstützung ihrer Kinder: In Kambodscha leitet Hun Sens Sohn, Hun Manet, die Regierung. In Thailand wurde Thaksins Tochter, Paetongtarn Shinawatra, vergangenes Jahr zur Regierungschefin gewählt.

Thailands ehemaliger Premierminister Thaksin Shinawatra (rechts) im Gespräch mit Hun Manet, heute Kambodschas Regierungschef und Sohn von Langzeitherrscher Hun Sen im August 2023 in Phnom Penh © AFP/​Getty Images

Die Familienclans waren lange Zeit enge Verbündete. Immer wieder gewährte Hun Sen den Shinawatras Zuflucht, wenn diese durch Machtkämpfe in Bangkok in Bedrängnis gerieten. Thaksin bezeichnete den autoritären Herrscher Kambodschas als Bruder, für den er eine tiefe Zuneigung empfinde. Doch aus der Freundschaft der beiden Männer ist in den vergangenen Monaten eine erbitterte Feindschaft geworden. Sie ist einer der Hauptgründe, weshalb sich die beiden Länder nun so unversöhnlich gegenüberstehen.

Während sich die kambodschanischen und thailändischen Truppen seit Donnerstagmorgen tödliche Gefechte liefern, heizen Hun Sen und Thaksin den Konflikt mit persönlichen Attacken weiter an: "Das thailändische Militär muss Hun Sen für seine Hinterlistigkeit eine Lektion erteilen", forderte Thaksin. Hun Sen antwortete, Thaksins Rhetorik unterstreiche Thailands Aggression. Er warf seinem ehemaligen Vertrauten vor, nach einem Vorwand zu suchen, um einen Krieg loszutreten.

Grenzstreit schürt nationalistische Wut

Der Streit der beiden Machtmenschen ist aus Sicht von Beobachtern höchst gefährlich: "Die enge Beziehung zwischen den Anführern hat in der Vergangenheit geholfen, Konflikte zu entschärfen", kommentiert Harrison Cheng, Thailandexperte des Beratungsunternehmens Control Risks. "Jetzt ist es genau diese Beziehung, die die Lage weiter verschlimmert." Auch aus Sicht von Tita Sanglee, Forscherin am Singapurer ISEAS – Yusof Ishak Institute, spielen die persönlichen Animositäten eine entscheidende Rolle bei der jüngsten Eskalation. "Spannungen zwischen Thailand und Kambodscha gab es schon immer", sagt sie. "Aber die Eskalation dieser Privatfehde stellt die Länder nun vor eine neue Lage."

Begonnen hat die jüngste Auseinandersetzung zwischen Thailand und Kambodscha bereits Ende Mai. An der Grenze zwischen Thailand und Kambodscha, deren genauer Verlauf seit dem Ende der Kolonialzeit umstritten ist, kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Soldaten beider Länder. Ein kambodschanischer Soldat wurde dabei getötet. Der Vorfall schürte in beiden Ländern eine nationalistische Stimmung – und wechselseitige Wut. Die Regierungen in Bangkok und Phnom Penh warfen einander vor, unrechtmäßig in fremdes Staatsgebiet vorzudringen.

Die Hoffnung, dass das Näheverhältnis zwischen den regierenden Familien zur Deeskalation beitragen könnte, wurde jedoch durch einen diplomatischen Eklat zunichtegemacht: Hun Sen veröffentlichte den Mitschnitt eines eigentlich vertraulichen Telefonats mit Thaksins Tochter, Regierungschefin Paetongtarn. Zu hören ist darin, wie die 38 Jahre alte Thailänderin versucht, an die Familienfreundschaft anzuknüpfen – offensichtlich, um die angespannte Lage zu entschärfen. Sie nennt Hun Sen "Onkel" und verspricht ihm, er müsse nur sagen, was er wolle, und sie werde sich darum kümmern. Zudem distanziert sie sich von den eigenen Streitkräften und sagt, ein thailändischer Militärkommandeur gehöre der gegnerischen Seite an. Hun Sen solle nicht auf ihn hören, empfahl sie.

Die politische Brisanz dieser Äußerungen muss Hun Sen bewusst gewesen sein. Sie öffentlich zu machen, war demnach ein bewusster Schlag: Paetongtarn stand zu diesem Zeitpunkt bereits innenpolitisch unter Druck – konservative Hardliner warfen ihr vor, gegenüber Kambodscha nicht genügend Härte zu zeigen. Der beinahe unterwürfige Ton der Regierungschefin im Gespräch mit ihm lieferte den Regierungsgegnern in Bangkok neue Argumente: Sie werfen der Premierministerin Verrat vor und wollen sie ihres Amtes entheben. Anfang des Monats entschied das Verfassungsgericht, sie vorläufig zu suspendieren – bis eine endgültige Entscheidung über ihre politische Zukunft fällt, leitet Innenminister Phumtham Wechayachai geschäftsführend die Regierung.

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