Eine Koalition von drei Parteien, die sich bei zentralen Themen einfach nicht einigen kann? Weil sie von liberal-konservativ bis grün reicht und nicht leicht zusammenzuhalten ist? Klingt vertraut. In Island ist jedenfalls die Regierungskoalition geplatzt, und nun muss vorzeitig ein neues Parlament gewählt werden. Knapp 270.000 Wahlberechtigte sind an diesem Samstag aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Es sind 63 Parlamentssitze zu vergeben.
Prognosen gibt es unmittelbar nach Schließung der Wahllokale keine, dafür werden im Laufe der Nacht nach und nach Teilergebnisse aus den verschiedenen Landesteilen erwartet. Ein vorläufiges Endergebnis dürfte voraussichtlich am Sonntagmorgen deutscher Zeit feststehen – sofern die derzeit rauen Wetterbedingungen vor allem im Osten der Nordatlantik-Insel nicht zu Verzögerungen bei der Abstimmung und der Auszählung führen.
Benediktsson hatte den Posten des Regierungschefs erst im April von der langjährigen Ministerpräsidentin Katrín Jakobsdóttir übernommen. Sie war wegen ihrer Bewerbung auf die isländische Präsidentschaft im Frühjahr von ihrem Regierungsamt zurückgetreten, verlor die Wahl dann aber gegen Tómasdóttir.
Benediktsson schaffte es derweil nicht, die untypische, über die politische Mitte hinweg reichende Regierungskoalition am Leben zu erhalten. Der Chef der liberal-konservativen Unabhängigkeitspartei begründete das Aus der Koalition mit Meinungsverschiedenheiten unter anderem in Migrations- und Energiefragen. Beobachter halten das jedoch für einen Vorwand, um dem schwierigen Bündnis mit der Fortschrittspartei und der ehemals von Jakobsdóttir geführten Links-Grünen Bewegung ein Ende zu setzen.
»Katrín Jakobsdóttir hat diese Koalition sieben Jahre lang zusammengehalten. Sie war der Leim der Regierung mit diesen drei Parteien, die von rechts bis links reichten«, sagt die Professorin für Politikwissenschaften an der Universität von Island, Eva Heida Önnudóttir. Jakobsdóttirs Abgang habe letztlich den Zusammenbruch der Koalition eingeläutet, in der nur in wenigen Angelegenheiten Einigkeit geherrscht habe.
Wer die künftige Regierung stellen wird, ist noch höchst ungewiss. Die Chancen stünden 50 zu 50 zwischen einer möglichen konservativ-rechtsgerichteten Dreierkoalition unter Führung von Benediktsson und einer liberalen Mitte-Koalition, die aus Vidreisn, Samfylkingin und einer weiteren Partei bestehen könnte, sagt Önnudóttir. Eine Schlüsselrolle könnte die Fortschrittspartei spielen, die politisch in der Mitte steht.