IPC-Initiative: UN erklären offiziell Hungersnot in einem Teil des Gazastreifens

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In Gaza-Stadt sei das Leben von 132.000 Kindern unter fünf Jahren bedroht, teilt eine Initiative der Vereinten Nationen mit. Israel weist den Bericht zurück.

22. August 2025, 17:51 Uhr Quelle: DIE ZEIT, AFP, dpa,

 In einem Gebiet im Gazastreifen herrscht eine Hungersnot. Zur Rettung von Menschenleben fordert die zuständige IPC-Initiative ein sofortiges Ende des Konflikts.
In einem Gebiet im Gazastreifen herrscht eine Hungersnot. Zur Rettung von Menschenleben fordert die zuständige IPC-Initiative ein sofortiges Ende des Konflikts. © Eyad Baba/​AFP/​Getty Images

Die Vereinten Nationen haben in einem Teil des Gazastreifens offiziell eine Hungersnot erklärt. Es gebe "belastbare Beweise" dafür, dass im Regierungsbezirk Gaza-Stadt die schlimmste Stufe der IPC-Skala zum Hungermonitoring erreicht sei, teilte die dafür zuständige IPC-Initiative (Integrated Food Security Phase Classification) mit. Das Leben von 132.000 Kindern unter fünf Jahren sei wegen Unterernährung bedroht, 41.000 davon würden als besonders bedrohliche Fälle betrachtet – doppelt so viele wie bei der vorherigen Einschätzung im Mai. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist es das erste Mal, dass in einem Land des Nahen Ostens eine Hungersnot ausgerufen wird.

"Ein sofortiger Waffenstillstand und die Beendigung des Konflikts sind von entscheidender Bedeutung, um eine ungehinderte, großangelegte humanitäre Hilfe zur Rettung von Menschenleben zu ermöglichen", teilte die UN-Initiative weiter mit. "Aushungerung als Mittel der Kriegsführung zu nutzen, ist ein Kriegsverbrechen", sagte UN-Menschenrechtskommisar Volker Türk.

Laut UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher ist Israel für die katastrophale Lage verantwortlich. "Diese Hungersnot hätten wir vermeiden können, wenn man es uns erlaubt hätte", sagte Fletcher vor Journalisten in Genf. Stattdessen würden sich die bereitstehenden Hilfsgüter an den Grenzen stapeln, "wegen der systematischen israelischen Blockade an den Grenzen".

Ehe eine Hungersnot nach der IPC-Skala erklärt wird, müssen drei Kriterien erfüllt sein: Mindestens 20 Prozent der Haushalte sind von einem extremen Lebensmittelmangel betroffen, mindestens 30 Prozent der Kinder leiden unter akuter Mangelernährung und täglich sterben mindestens zwei Erwachsene oder vier Kinder pro 10.000 Einwohner an Hunger oder aufgrund des Zusammenspiels von Unterernährung und Krankheit. Im Fall von Gaza-Stadt treffen alle drei Kriterien zu, teilte Jean-Martin Bauer vom Welternährungsprogramm (WFP) in Genf mit.

Von israelischer Seite gibt es heftige Kritik an dem IPC-Bericht. "Es gibt keine Hungersnot in Gaza", schrieb das israelische Außenministerium. Die Einschätzung der IPC-Initiative basierten auf falschen Angaben der Hamas. In den vergangenen Wochen hätten Hilfslieferungen "den Gazastreifen mit Grundnahrungsmitteln überschwemmt". Der Bericht ignoriere Daten, die von israelischer Seite zur Verfügung gestellt worden seien, teilte die für Palästinenserangelegenheiten zuständige israelische Behörde Cogat mit. Damit sei er "nicht nur voreingenommen", sondern diene auch "der Propagandakampagne der Hamas".

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete den Bericht gar als "glatte Lüge". Israel verfolge keine Politik des Aushungerns, sondern der Hungerprävention, sagte Netanjahu. Sein Land habe seit Beginn des Krieges die Lieferung von zwei Millionen Tonnen Hilfsgütern in den Gazastreifen ermöglicht. Viele Lastwagen seien allerdings geplündert worden, ehe sie die Warenhäuser für Hilfsgüterverteilung erreicht hätten.

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