Mit der Mentalität wie bei einer Kneipen-Prügelei will 96 die verbleibenden Chancen auf einen Aufstiegsplatz auf jeden Fall am Sonntag in Darmstadt wahren. Der Trainer glaubt fest an sein Team. Dabei helfen, möglichst das Optimum herauszuholen, soll ein zuletzt schmerzlich vermisster Führungsspieler.

Rückkehr des Führungsspielers: 96-Coach André Breitenreiter darf wieder auf Marcel Halstenberg hoffen. IMAGO/Jan Huebner
Natürlich hat der für seine einprägsamen Bilder bekannte Trainer auch zur aktuellen Situation wieder eine Szene parat. "Das ist so wie bei einer Auseinandersetzung in der Kneipe", führt André Breitenreiter aus. "Da gibt es die, die sich hinter der Musikbox verstecken, und es gibt die, die nach vorne gehen. Und wenn es gut geht, kommen alle raus und sagen: Die haben wir fertig gemacht!"
Letzteres gelang auf den Fußballplatz übertragen seiner Mannschaft bei der jüngsten 1:3-Schlappe gegen Elversberg nicht. "Wir haben uns zu passiv verhalten." Man sei zurückgewichen, habe nicht mehr - wie in der ersten Halbzeit, nach der man 1:0 führte - aggressiv verteidigt und sei schließlich aus dem Loch nicht mehr herausgekommen.
Mit der Mentalität wie bei einer Kneipen-Prügelei will 96 die verbleibenden Chancen auf einen Aufstiegsplatz möglichst am Sonntag in Darmstadt wahren. "Ich glaube an diese Mannschaft", sagt Breitenreiter. "Ich weiß, dass dieses Potenzial in dieser Mannschaft da ist. Ich möchte siegen, und es ist immer noch vieles möglich. Vor allem erst einmal, am Sonntag eine Reaktion zu zeigen." Und gegen Widerstände anzugehen. "Am Ende wird abgerechnet, und die Liga ist nach wie vor eng. Dazu müssen wir nicht vom Aufstieg sprechen, sondern erst einmal über eine verbesserte Leistung über 90 Minuten."
"Dann kommt der Tag, an dem man anfängt zu wackeln..."
Dass es in der Einschätzung besagten Potenzials und der Umsetzung Diskrepanzen gibt, räumt Breitenreiter, der sich im Winter bereit gezeigt habe, dem Klub zu helfen, ein. "Sicherlich wusste ich nicht alles und ich habe mich bestimmt auch in der Einschätzung einiger Sachen geirrt, aber das spielt keine Rolle." Atmosphäre, Stimmung und Qualität im Training seien stets super, berichtet der 51-Jährige von vielen positiven Eigenschaften seiner Mannschaft, aber: "Das würde ich mir im Spiel auch wünschen. Dann wären wir einen Schritt weiter."
Bitter sei, dass man gute Leistungen oft nicht mit der entsprechenden Ausbeute vergolden konnte. "Das ist halt unser Sport. Da geht es um Ergebnisse." Die zuletzt nicht zufriedenstellten. "Und dann kommt irgendwann der Tag, an dem man anfängt, etwas zu wackeln, weil es immer wieder passiert." Von den sieben unentschieden gestalteten Spielen habe man "mindestens fünf" gewinnen müssen, rechnet Breitenreiter vor. "Dann wären wir Dritter oder Vierter."
Statt Frust und Resignation aber lebt in Breitenreiter die Zuversicht und auch eine Portion Trotz. Er glaube nach wie vor daran, die Zielsetzung, bis zum Ende oben dabei zu sein, einhalten zu können. Nur die jüngste Leistung gegen Elversberg verbiete es, derzeit vom Aufstieg zu reden. "Nach zwei Siegen kann sich das ganz schnell wieder ändern. Aber da sind wir noch nicht. Viele glauben nicht an die Mannschaft, glauben nicht an den Trainer. Ich glaube an uns. Und wenn ich der Einzige bin - das ist kein Problem. Vielleicht entwickeln wir noch diese Widerstandsfähigkeit in so einer Wagenburg-Mentalität."
Personallage in der Verteidigung entspannt sich
Phil Neumann stieg nach Problemen im hinteren Oberschenkel am Donnerstag wieder ins Training ein. Auch sonst entspannt sich die Personallage. Mit Boris Tomiak arbeitete nach seiner Magen-Darm-Infektion ein weiterer zuletzt lädierter Abwehrspieler teilweise im Training und teilweise individuell.
Und: "Marcel Halstenberg trainiert auch voll mit der Mannschaft", so Breitenreiter, der das Comeback seines Führungsspielers andeutet, auch wenn dieser nach bald sechs Wochen Pause nicht bei 100 Prozent sein kann: "Wir haben keine Zeit zum Warten. Wir benötigen Qualität auf dem Platz. Marcel Halstenberg ist mit Ball wahrscheinlich einer der Besten der ganzen Liga und sicherlich jemand, der uns in der Spieleröffnung sehr gut tut." Man müsse nach der wochenlangen Pause des Ex-Nationalspielers eventuell ein paar Kompromisse eingehen, aber: "Wenn es möglich ist, wird er hoffentlich zur Verfügung stehen." Hintergrund: Aktuell habe man ansonsten nicht die Spieler, die vorangehen können, "weil jeder mit sich selbst beschäftigt ist".
Michael Richter