Gentechnik im Supermarkt: Was die gelockerten Regeln für Verbraucher bedeuten

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Veränderte Lebensmittel Was die neuen Gentechnik-Regeln für Kunden im Supermarkt bedeuten

Lebensmittel, die auf bestimmte Weise mit neuer Gentechnik modifiziert wurden, sollen künftig nicht mehr gekennzeichnet werden müssen. Was heißt das für Verbraucher? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

04.12.2025, 14.41 Uhr

 Eingeschränkte Wahlfreiheit

Obst und Gemüse im Supermarkt: Eingeschränkte Wahlfreiheit

Foto: FotoPrensa / IMAGO

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In der Europäischen Union sollen die Regeln für bestimmte gentechnisch veränderte Lebensmittel gelockert werden. Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments haben sich in Brüssel darauf geeinigt, dass diese Produkte künftig ohne spezielle Gentechnik-Kennzeichnung im Supermarkt verkauft werden können.

Das EU-Parlament und die EU-Staaten müssen den neuen Regeln noch zustimmen. Das gilt üblicherweise als Formsache.

Welche Art von Gentechnik ist gemeint? Wie sicher sind solche Produkte? Und wie schätzen Wissenschaftler und Verbraucherschützer die geplante Lockerung ein? Der Überblick.

Um welche Art der Gentechnik geht es?

Mit Gentechnik können Experten Pflanzen auf unterschiedliche Art und Weise verändern. Sie können in Obst und Gemüsepflanzen etwa fremde Gene anderer Arten einfügen. Diese klassische Gentechnik ist streng reguliert. Es gibt ein gesondertes Zulassungsverfahren mit Risikoprüfung, und Lebensmittel mit solchen Pflanzen müssen gekennzeichnet werden.

Mit modernen gentechnischen Verfahren, sogenannter neuer Gentechnik, sind inzwischen auch gezieltere, kleinere Eingriffe möglich als bei der klassischen Gentechnik. Pflanzen, die auf diese Weise gezüchtet wurden, sollen nun nicht mehr gekennzeichnet werden müssen.

Wie funktioniert die Gentechnik, die ohne Kennzeichnung bleiben soll?

Mit sogenannten Genscheren, die bekannteste ist Crispr, werden Punktmutationen in das Erbgut der Pflanzen eingefügt. Ein einzelner Baustein in der DNA wird dabei möglichst gezielt verändert, so erhält die Pflanze neue Eigenschaften.

Punktmutationen sind Teil der Evolution. Sie kommen jeden Tag natürlich millionenfach vor, etwa wenn UV-Licht auf Pflanzen scheint.

Was bedeuten die Änderungen für Kunden?

Verbraucher werden ohne Kennzeichnung künftig oft nicht mehr bemerken, wenn sie Produkte kaufen, die mit neuer Gentechnik verändert wurden. Verbraucherschützer kritisieren, dadurch werde die Wahlfreiheit eingeschränkt.

Bioprodukte bleiben laut den derzeitigen Plänen frei von Gentechnik, außer es handelt sich um ein »technisch unvermeidbares Vorhandensein«. Gentechnisch verändertes Saatgut soll weiter gekennzeichnet werden, sodass Bio-Landwirte es beim Einkauf erkennen können.

 Bio-Produkte bleiben weitgehend frei von Gentechnik

»Ohne Gentechnik«-Label: Bio-Produkte bleiben weitgehend frei von Gentechnik

Foto: Sina Schuldt / dpa

Ist es sicher, mit neuer Gentechnik erzeugte Pflanzen zu essen?

Ja. Bereits jetzt müssen manche Pflanzen, deren Erbgut über die klassische Züchtung hinaus verändert wurde, nicht gekennzeichnet werden. Dabei geht es um Sorten, deren DNA mit Strahlung oder Chemikalien behandelt wurde, um verstärkt Mutationen hervorzurufen. Aus diesen mutierten Exemplaren werden dann die mit gewünschten Eigenschaften herausgesucht und vermehrt.

Für die Produkte der neuen Gentechnik, die bald wohl nicht mehr gekennzeichnet werden müssen, sollen dieselben Vorgaben gelten wie für diese Verfahren und für Züchtungen, bei denen Pflanzen gekreuzt oder gezielt Exemplare mit gewünschten Eigenschaften weitervermehrt werden. Für sie alle soll die gesetzlich geregelte Sortenprüfung und -zulassung gelten. Dabei wird unter anderem geprüft, welche Inhaltsstoffe neue Züchtungen besitzen.

Wie argumentieren Befürworter der gelockerten Regeln?

Befürworter erhoffen sich vom Wegfall der Kennzeichnungspflicht, dass europäische Landwirte wettbewerbsfähiger werden. Sie verweisen darauf , dass Pflanzen, die mit neuer Gentechnik erzeugt wurden, sich oft nicht unterscheiden lassen von klassischen Züchtungen und deshalb auch der Nachweis schwer zu führen ist.

Viele Forscher hoffen, mit neuer Gentechnik widerstandsfähigere Pflanzen züchten zu können, die etwa Trockenheit, Hitze, Starkregen oder Schädlingsbefall besser aushalten. So ließe sich womöglich auch der Pestizideinsatz reduzieren, argumentieren sie. Wissenschaftler arbeiten etwa an einer Weizensorte, die gegen die Pilzkrankheit Mehltau resistent ist. Auch könnten Erdnüsse gezüchtet werden, die auch Allergiker vertragen.

Lesen Sie hier, warum manche Forscher nichts gegen technisch veränderte Pflanzen haben.

Was befürchten Kritiker?

Pflanzen können mit Gentechnik auch so verändert werden, dass sie Unkraut- und Insektenvernichter vertragen, die ihnen normalerweise schaden würden. Solche Arten würden einen höheren Einsatz von Pestiziden ermöglichen. Nach Angaben des liberalen Europaabgeordneten Pascal Canfin sollen Sorten, die gegen Herbizide resistent sind, auf dem europäischen Markt aber nicht zugelassen werden.

Kritiker befürchten, dass künftig weitere Gentechnik-Regelungen gelockert werden könnten. Neue Gentechnik-Methoden könnten dann auch genutzt werden, um Pflanzen umfassender zu verändern, über einzelne Punktmutationen hinaus.

Zudem könnten Patente auf bestimmte Eigenschaften von Pflanzen zu Monopolen führen und kleinere Züchter und Landwirte in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen. Die geplante Neuregelung erlaubt Patente für gentechnisch veränderte Pflanzen. Ausnahmen soll es aber für Merkmale geben, »die in der Natur vorkommen oder auf biologischem Wege hergestellt werden«, so das EU-Parlament.

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