Geheimgutachten zu Northvolt veröffentlicht: Verteilte Habeck das Steuergeld zu sorglos? 

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Für Robert Habeck war es „ein großer Tag für das Land“. Beim Spatenstich für die Batteriefabrik der schwedischen Firma Northvolt im März 2024 im beschaulichen Heide in Schleswig-Holstein frohlockte der damalige Wirtschaftsminister geradezu. Man sehe, dass Klimaschutz und die industrielle Wertschöpfung gut zusammenpassen würden, schon im kommenden Jahr werde es viele neue Jobs in der Region geben. „Von Schulen bis zu Bäckereien kann die Region enorm prosperieren.“

Ein gutes Jahr später hat sich in dem Örtchen wenig getan. Doch politisch und wirtschaftlich hat sich viel verändert. Habeck ist Grüner-Hinterbänkler im Bundestag, Northvolt meldete in Schweden Insolvenz an. Die Zukunft der deutschen Fabrik ist unklar – ebenso die politischen Konsequenzen. Denn Northvolt hatte rund 600 Millionen Euro von der staatlichen Förderbank KfW erhalten, für die Bund und Land bürgten. „Es ist wirklich gut angelegtes Geld“, versicherte Habeck im März 2024.

Zum Spatenstich der Northvolt-Fabrik kam auch der damalige SPD-Kanzler Olaf Scholz (m.) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (r.) von der CDU.

© dpa/Marcus Brandt

In den letzten Tagen wächst die Kritik an Habeck nun wieder enorm. Das Wirtschaftsministerium habe „weitestgehend nach dem Prinzip Hoffnung“ agiert, hieß es zuletzt in einem vertraulichen Bericht des Bundesrechnungshofes. Habeck habe Millionen an Steuergeldern leichtfertig verteilt, so die Kritik.

Am Mittwoch schloss sich dieser Kritik auch seine Nachfolgerin im Wirtschaftsministerium an. Die Investitionsentscheidung sei mit guter Absicht getroffen worden, habe sich aber als „fehlerhaft“ erwiesen, sagte Ministerin Katherina Reiche im Bundestag. Man nehme das Gutachten des Bundesrechnungshofes ernst, sagte die CDU-Politikerin: „Es ist eine Mahnung, dass der Staat selten der bessere Unternehmer ist.“

Es ist eine Mahnung, dass der Staat selten der bessere Unternehmer ist.

Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) kritisiert die Northvolt-Entscheidung.

Einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, wie ihn zuletzt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ins Gespräch gebracht hatte, lehnte Reiche aber ab. Man wolle erst einmal „Klarheit in die Fakten“ bringen.

In diesem Zusammenhang stellte Reiche den Haushaltspolitikern des Bundestags ein bislang geheimes Gutachten der Prüfgesellschaft PwC zur Verfügung, das für Habeck im Juni 2023 eine Bewertung des Batterieherstellers vorgenommen hatte. In dem 94-seitigen Dokument, das dem Tagesspiegel vorliegt, finden sich durchaus kritische Warnungen.

„Northvolt befindet sich derzeit noch in einer Art „Start-Up“-Phase“, heißt es dort etwa. Die Expansionspläne würden den Prüfern „ambitioniert“ erscheinen. Zudem habe Northvolt wegen der hohen Produktionsaufwendungen „derzeit preislich einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Produkten von asiatischen Wettbewerbern“.

86

Prozent sei die Wahrscheinlichkeit, dass Bund und Länder die Wandelanleihe zurückbekommen würden.

Die Prüfer attestierten Nortvolth jedoch auch, dass das Absatzpotenzial der Batteriezellen „hoch“ sei. Zudem habe das Unternehmen ein stabiles Netzwerk an Zulieferern aufgebaut, darunter Volkswagen, BMW und Volvo. Die Firma habe „bedeutende Meilensteine erreicht“ und die Expansionsstrategie von Northvolt sei „grundsätzlich nachvollziehbar und plausibel“.

Laut PwC-Gutachten bestünde insgesamt eine Wahrscheinlichkeit von 86 Prozent, dass Northvolt Bund und Länder die Wandelanleihe bis 2028 zurückerstatte.

An dem Gutachten gab es jedoch schon vor der Veröffentlichung Kritik, unter anderem deshalb, weil PwC zeitgleich auch für Northvolt arbeitete. Der Bundesrechnungshof kritisierte zudem, dass PwC von Northvolt nicht alle relevanten Informationen erhalten habe.

Im Haushaltsausschuss war dazu heute eigentlich eine Debatte angesetzt gewesen, nach Tagesspiegel-Informationen wurde der Tagesordnungspunkt jedoch abgesetzt. Eventuell auch, weil Robert Habeck nicht erschienen war – Union und SPD hatten den Grünen-Politiker nicht rechtzeitig eingeladen.

Für Habecks Parteifreundin Katrin Uhlig, die sowohl im Haushaltsausschuss, als auch im Wirtschaftsausschuss sitzt, stellt sich der Sachverhalt für nicht so dramatisch dar: „Die Ministerin hat heute selbst eingeräumt, dass die damalige Entscheidung mit guter Absicht getroffen wurde“, sagte sie dem Tagesspiegel.

Reiche habe zudem im Wirtschaftsausschuss unterstrichen, wie wichtig eine eigene Batterieproduktion für die deutsche und europäische Automobilbranche sei. Uhligs Fazit: „Hinterher ist man immer schlauer.“

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