Bahaa Abu Ras ist umstellt von neun israelischen Soldaten. Der damals 36-Jährige betreibt einen Telefonladen in Dura im Westjordanland. Auf einer Kreuzung in seiner Heimatstadt legt einer der Soldaten Abu Ras eine Hand auf den Rücken, ein Gewehr auf die Schulter. So zeigt es ein Video, das mutmaßlich ein Anwohner aufgenommen hat. Der Soldat schiebt Abu Ras in Richtung einer Gruppe junger Männer. Zwei weitere Soldaten folgen mit erhobenen Waffen. Abu Ras sagt, die Männer hätten die Israelis zuvor mit Steinen beworfen. In den kommenden 45 Minuten, so erzählt er es, wird Abu Ras den Israelis als menschlicher Schutzschild dienen.
Nicht erst seit Beginn dieses Gazakriegs wirft die israelische Regierung der Terrororganisation Hamas vor, sie missbrauche palästinensische Zivilisten als Schutzschilde. Es gibt einige Hinweise, dass die Hamas militärische Infrastruktur unter zivilen Einrichtungen baute.
Doch offenbar setzen auch israelische Soldaten bei ihren Einsätzen in Gaza und im Westjordanland Palästinenser ein, um sich vor Angriffen zu schützen. Schon im Jahr 2023 dokumentierten die Vereinten Nationen mehrere Operationen im Westjordanland, bei denen insgesamt fünf palästinensische Jungen als Schutzschilde missbraucht worden seien. Foto- und Videoaufnahmen aus 2024 lassen auf ähnliche Fälle schließen. Sie zeigen etwa einen Palästinenser, der auf der Motorhaube eines israelischen Militärfahrzeuges liegt, einen anderen, der nur in Unterwäsche bekleidet Trümmer durchsuchen muss. Ähnliche militärische Aufgaben übernehmen sonst Militärhunde.

Palästinenser mit verbundenen Augen in einem Haus in Gaza: Ähnliche militärische Aufgaben übernehmen sonst Militärhunde
Foto: Breaking The Silence / APIn mehreren Fällen ermittelt die israelische Militärpolizei
Ein israelischer Soldat schrieb im März in der Tageszeitung »Haaretz«, mittlerweile hätte in Gaza fast jede Einheit eine »Unterarmee von Sklaven«. Auch die israelische NGO Breaking the Silence, die Aussagen israelischer Soldaten sammelt und anonym veröffentlicht, geht im Gespräch mit dem SPIEGEL davon aus, dass die Praktik weitverbreitet ist: Soldaten aus Einheiten in verschiedenen Teilen des Gazastreifens hätten zu unterschiedlichen Zeitpunkten davon berichtet, wie palästinensische Gefangene in potenziell mit Sprengfallen versehene Häuser geschickt worden seien. Die israelische Militärpolizei hat laut Angaben der Armee in mehreren Fällen Ermittlungen gegen Soldaten eingeleitet, »aufgrund des Verdachts der Beteiligung von Palästinensern an militärischen Missionen.«
Der SPIEGEL hat mit sieben Palästinensern im Gazastreifen und im Westjordanland gesprochen, die angeben, Opfer dieses Vorgehens geworden zu sein. Einige seien vorher von israelischen Soldaten bezichtigt worden, eine Terrororganisation unterstützt zu haben; andere seien nach eigenen Angaben ohne Erklärung mitgenommen worden.
Erst durchsuchten sie seinen Laden, dann nahmen sie ihn mit
Der Telefonhändler Bahaa Abu Ras sagt, er wisse bis heute nicht, warum die Soldaten am 15. Januar 2024 ausgerechnet in seinen Laden in Dura gekommen seien.
Stattdessen treiben sie Abu Ras auf der Straße vor sich her. Hinter ihm, schätzt er, seien 20 Soldaten in Kampfmontur gelaufen. Am Anfang habe er noch protestiert: »Ihr habt Waffen, warum stellt ihr mich in die Schusslinie? Ich bin ein friedlicher Mann.« Der Soldat hinter ihm habe ihn angewiesen, still zu sein: »Lauf. Kein Wort mehr.«
Sobald die jungen Männer ihn gesehen hätten, sagt Abu Ras, hätten sie weniger Steine geworfen. Dennoch hätten die Soldaten hinter ihm Schüsse abgefeuert. Dabei seien zwei Menschen erschossen worden: ein junger Mann und eine Frau auf einem Dach. Ein Medienbericht über die israelische Operation in Dura spricht ebenfalls von zwei Todesopfern. Auch Abu Ras bringen die Soldaten an diesem Tag in Lebensgefahr, indem sie ihn zwischen sich und ihre Gegner stellen. Die Militärpolizei leitete Ermittlungen zu dem Vorfall ein – knapp eineinhalb Jahre danach sind sie noch immer nicht abgeschlossen.

Ladenbesitzer Bahaa Abu Ras: Von Soldaten in Lebensgefahr gebracht
Foto: PrivatDer Völkerrechtler Wolff Heintschel von Heinegg forscht zur rechtlichen Einordnung des Israel-Palästina-Konflikts. Er sagt: »Es ist eindeutig völkerrechtswidrig, wenn Soldaten Zivilisten vor sich stellen, um Angriffe abzulenken.« Dies sei der »Urfall«, gegen den sich das Verbot menschlicher Schutzschilde richte. »Das gilt für die israelischen Streitkräfte wie für die Hamas.« Die israelische Armee schreibt in einer Stellungnahme: Gemäß ihrer Befehle, »die in vollem Einklang mit dem Völkerrecht stehen«, sei allen Soldaten die Nutzung menschlicher Schutzschilde »streng verboten«. Die Truppe werde darauf regelmäßig hingewiesen.
Womöglich um den Einsatz von Zivilisten zu verschleiern, sind offenbar manche Einheiten der israelischen Armee dazu übergegangen, palästinensische Zivilisten vor ihren Zwangseinsätzen in Uniformen des israelischen Militärs zu stecken. Breaking the Silence zufolge haben israelische Soldaten, die sich an die NGO gewandt haben, eine andere Erklärung dafür: Die Uniform diene dazu, als Schutzschild eingesetzte Palästinenser vor versehentlichem Beschuss durch andere israelische Einheiten zu schützen.
Die israelische Zeitung »Haaretz« veröffentlichte Bilder, die einen israelischen Soldaten neben einem Palästinenser aus Gaza in Militäruniform zeigen, dessen Augen verbunden sind. Und auch ein Soldat des 435. Bataillons, einer ultraorthodoxen Einheit und Teil der Givati-Brigade, postete in seiner Instagram-Story ein Bild, das ihn und drei Kameraden vor einem Militärfahrzeug in Gaza zeigt. Einer von ihnen grinst mit herausgestreckter Zunge in die Kamera. Zwischen den Soldaten sitzt mit gesenktem Kopf ein Gefangener, auch er trägt eine olivgrüne Uniform, auch seine Augen sind mit einem weißen Tuch verbunden. Der Soldat, der das Bild postete, will sich heute nicht mehr dazu äußern. Die israelische Militärpolizei hat Ermittlungen eingeleitet wegen »eines Vorfalls, an dem das 435. Bataillon beteiligt war«.

Soldaten des 435. Bataillons, Gefangener: Auch er trägt eine olivgrüne Uniform
Foto: ytirawi / XHamas-Kämpfer, Tunnel und Sprengkörper
Mohamed Saad, Anfang 20, aus Nordgaza, berichtete dem SPIEGEL am Telefon ebenfalls, er habe bei seinen gefährlichen Einsätzen eine israelische Uniform tragen müssen. Im Juni 2024 habe er nach Mehl und anderen Lebensmitteln gesucht, als eine Einheit israelischer Soldaten ihn mitgenommen habe. In Handschellen und mit verbundenen Augen sei er an einen unbekannten Ort in der vom israelischen Militär heftig bombardierten Stadt Rafah gebracht worden. »Drei Tage lang haben sie mich verhört.«
Schließlich sei er in ein Militärfahrzeug gesetzt worden. Er habe gehofft, nun nach Hause zurückzukehren, zu seiner Mutter und seinen jüngeren Brüdern. Doch als ihm die Handschellen und das Tuch um die Augen schließlich abgenommen worden seien, sagt Saad, hätten die Soldaten ihn stattdessen in eine Uniform der israelischen Armee gesteckt und ihm einen Helm mit Kamera aufgesetzt. Dann hätten sie ihn gezwungen, Häuser zu betreten, um nach Hamas-Kämpfern, Tunneln und Sprengkörpern zu suchen. Für Saads Vorwürfe gegen die israelische Armee gibt es keine Belege, er brachte sie aber bereits im September gegenüber dem kanadischen Sender CBC vor und schilderte den Ablauf seiner Einsätze.
»Ich hatte jede Minute Angst, dass ich sterben könnte.«
Palästinenser Mohamed Saad

Mohamed Saad bei einem Gespräch in Gaza: Er habe nach Hamas-Kämpfern, Tunneln und Sprengkörpern suchen müssen
Foto: Ghada Alkurd / DER SPIEGELDabei habe ihn auf Schritt und Tritt eine Drohne verfolgt. Und das immer gleiche Gefühl: »Ich hatte jede Minute Angst, dass ich sterben könnte«, sagt Mohamed Saad. Aus sicherer Entfernung hätten ihn die Soldaten angewiesen, elektrische Kabel zu durchtrennen, in Schubladen, Kühlschränken und unter Teppichen nach verdächtigen Objekten zu suchen. Doch auf keiner seiner insgesamt 15 Missionen habe er etwas gefunden. Zwischen den Einsätzen, sagte Saad gegenüber dem SPIEGEL, hätten die Soldaten ihn beleidigt und ihm mit ihren Waffen ins Gesicht geschlagen. Die israelische Armee teilt auf Anfrage mit: »Der Vorfall wurde zur Überprüfung an den Ermittlungs- und Bewertungsmechanismus der Generalstabschefs weitergeleitet.«
Am 47. Tag hätten die Soldaten Saad schließlich befohlen, einen zerstörten Panzer zu durchsuchen. Er habe sich geweigert, so Saad weiter, aus Angst, die Hamas könnte einen Sprengsatz darin platziert haben. Daraufhin hätten israelische Soldaten geschossen, eine Kugel habe ihn in den Rücken getroffen. Sie sei durch die Brust wieder ausgetreten.

Rücken von Mohamed Saad: Die Kugel hinterließ eine Narbe
Foto: Ghada Alkurd / DER SPIEGELZwei Tage sei er im israelischen Soroka-Krankenhaus behandelt und anschließend zurück an den Grenzübergang zum Gazastreifen gebracht worden. Seine Familie, sagt Saad, sei bis zu seiner Rückkehr davon ausgegangen, dass er tot sei – kein Krankenhaus oder Gefängnis, das sie anriefen, hätte von seinem Verbleib gewusst.
Nur in einem Fall mussten sich Soldaten persönlich verantworten
Unstreitig ist, dass die israelische Armee bereits vor diesem Krieg bei ihren Operationen palästinensische Zivilisten zu lebensgefährlichen Einsätzen zwang. Während der Zweiten Intifada sprachen israelische Soldaten verharmlosend von der »Nachbar-Prozedur«, wenn sie Palästinenser dazu nötigten, an den Haustüren Verdächtiger zu klingeln.
Im August 2002 wurde dabei ein 19-Jähriger von einem Hamas-Kämpfer an dessen Haustür erschossen. Nach Klagen mehrerer Menschenrechtsorganisationen verurteilte der israelische Oberste Gerichtshof das Vorgehen der israelischen Armee scharf: Der Einsatz palästinensischer Zivilisten sei illegal und verstoße gegen internationales Recht.
Doch nur in einem Fall mussten sich Soldaten bisher persönlich für ein solches Vorgehen verantworten: 2010 erhielten zwei Hauptfeldwebel dreimonatige Bewährungsstrafen und verloren ihren Dienstgrad – sie hatten einen neunjährigen Jungen in einem Keller in Gaza gezwungen, Plastiktüten auf Sprengsätze zu durchsuchen. Auch seit Beginn des Gazakriegs wurde offenbar bisher kein israelischer Soldat dafür verurteilt oder bestraft, Palästinenser als menschliche Schutzschilde missbraucht zu haben.
Die Soldaten sollen ihn aus dem Krankenhaus mitgenommen haben
Auch über eine weitere völkerrechtswidrige Praktik konnte der SPIEGEL mit mehreren Betroffenen sprechen: Sie werfen israelischen Soldaten vor, sie von außen an Militärfahrzeuge gefesselt zu haben, vermutlich um Angriffe während der Fahrt abzuwehren.
Adel Sobeih, 22, Süßwarenhändler aus Nordgaza, sagt, er sei am 11. März 2024 mit einer Schussverletzung am Knie ins Schifa-Krankenhaus eingeliefert worden. Fotos und Röntgenbilder der Verletzung, die der SPIEGEL einsehen konnte, lassen eine solche Verletzung plausibel erscheinen.
Sieben Tage nach Sobeihs Aufnahme stürmten israelische Streitkräfte das Krankenhaus, weil sie dort eine Kommandozentrale der Hamas vermuteten. Bei der Operation wurde das einst größte Krankenhaus Gazas fast vollständig zerstört. Hilfsorganisationen berichteten von erschossenen Patienten in Krankenhausbetten, während die israelische Armee erklärte, sie hätte dort 200 »Terroristen« getötet und mehr als 500 festgenommen.
Am 20. März, sagt Sobeih, habe das Militär auch ihn mitgenommen. »Sie zogen mich über den Boden, obwohl ich verletzt war«, sagt er, »dann haben sie meine Hände und Füße an ein gepanzertes Fahrzeug gebunden, damit Kämpfer sie nicht angreifen würden.«
Der Schreiner Mohammed Moghrabi sagt, er habe sich am 25. Juli 2024 mit einem Freund auf einem Eselkarren auf den Weg in Richtung Süden gemacht, um Lebensmittel für seine Familie zu kaufen. »An einem Checkpoint haben uns israelische Soldaten angehalten«, sagt Moghrabi. Einer habe ihn gefragt, wohin er wolle. »Als ich sagte, ich wolle Essen und Wasser besorgen, warf er mir vor zu lügen. Ich würde planen, Tunnel zu graben.« Die Hamas nutzt Tunnel auch für Überraschungsangriffe gegen die israelische Armee. Die Soldaten hätten die beiden jungen Männer daraufhin mit vorgehaltener Waffe gezwungen, einen Panzer zu besteigen, und sie an dessen Vorderseite festgebunden. Etwa eine Stunde lang sei der Panzer mit ihnen gen Osten gefahren, in Richtung Israel.

Mohammed Moghrabi: »Er warf mir vor zu lügen«
Foto: Privat»Entgegen der Vorschriften und Verfahren«
Es gibt keine Aufnahmen, die die Schilderungen von Moghrabi und Sobeih belegen. Die israelische Armee teilte dem SPIEGEL mit, ihr würden Informationen fehlen, um die Vorfälle zuzuordnen. Doch im Westjordanland zeichnete die Dashcam eines Krankenwagens im vergangenen Juni einen Vorfall auf, der auf ein ähnliches Vorgehen hindeutet. Zu sehen ist einen Mann, der mit offenbar schweren Verletzungen auf der Motorhaube eines Armeegeländewagens liegt. Der SPIEGEL konnte ihn identifizieren. Die Soldaten fuhren mit ihm durch Dschenin, wo das israelische Militär regelmäßig von Kämpfern der Hamas und des Islamischen Dschihad beschossen wird.
Allerdings bestreitet die israelische Armee, den Mann als menschlichen Schutzschild genutzt zu haben. Während einer Antiterroroperation nahe Dschenin hätten »Terroristen das Feuer auf IDF-Truppen eröffnet, die das Feuer erwiderten.« Ein Verdächtiger sei dabei verletzt und verhaftet worden. Der Mann, der später auf der Motorhaube lag, posierte auf seinem Facebook-Account mit Waffen und nahm offenbar 2023 an der Beerdigung eines Hamas-Kämpfers teil. »Entgegen den Vorschriften und Verfahren wurde der Verdächtige von den Truppen transportiert, während er an ein Fahrzeug gefesselt war«, heißt es von der Armee. Der Vorfall werde »durch die Vollzugsbehörden geprüft«.
Israelische Soldaten fahren mit einem auf die Motorhaube gebundenen Palästinenser durch die Stadt Jenin im Westjordanland (aufgenommen am 22.06.2024). Video: Privat 30.05.2025
Selbst Kämpfer dürften nicht als menschliches Schutzschild missbraucht werden
Moghrabi und Sobeih beschreiben weitere Misshandlungen, nachdem sie als menschlicher Schutzschild missbraucht worden seien. Die beiden lernten sich während ihrer Gefangenschaft im berüchtigten Lager Sde Teiman in der Wüste Negev kennen. Die palästinensische Gefangenenrechtsorganisation Addameer bestätigt, dass Moghrabi nach Sde Teiman gebracht worden sei – einer ihrer Anwälte traf ihn am 14. Oktober 2024 in israelischer Gefangenschaft. Beide Männer erzählen, sie seien dort geschlagen und von Hunden gebissen worden. Moghrabi beschreibt zudem Folter mit Elektroschocks.
Übereinstimmend damit berichteten andere ehemalige Gefangene in einem internen Bericht des Palästinenserhilfswerks UNRWA, der dem SPIEGEL vorliegt , von Hundeattacken, Stromschocks und Schlägen auf bereits verletzte Körperteile in Sde Teiman. Dazu teilte die israelische Gefängnisbehörde dem SPIEGEL im vergangenen Juni mit, ihr seien die Vorwürfe nicht bekannt: »Alle Gefangenen sind im Einklang mit dem Gesetz interniert.«
»Ob es sich um Zivilpersonen handelt oder nicht, spielt beim Verbot menschlicher Schutzschilde also überhaupt keine Rolle.«
Wolff Heintschel von Heinegg, Völkerrechtler

Militärgefängnis Sde Teiman in der Wüste Negev: Gilt als »Israels Guantanamo«
Foto: Mostafa Alkharouf / Anadolu / AFP
Ein Palästinenser steht mit erhobenen Armen im Militärlager Sde Teiman: Geschlagen und von Hunden gebissen
Foto: picture alliance / APSobeih und Moghrabi sagen, in stundenlangen Verhören seien sie immer wieder als Terroristen bezeichnet worden. Vor seiner Festsetzung äußerte sich Sobeih auf seinem Facebook-Account einmal euphorisch über Raketenbeschuss auf Israel, eine Zeit lang nutzte er das Bild eines Kämpfers des Islamischen Dschihad als Titelbild seines Profils. Ein eindeutiger Beweis für eine Zugehörigkeit zu der Terrorgruppe ist das nicht.
Der Völkerrechtler Wolff Heintschel von Heinegg sagt, aus juristischer Sicht sei es unerheblich, ob die Männer tatsächlich einer der bewaffneten Gruppen im Gazastreifen angehörten – oder Zivilisten seien, wie sie beteuerten. »Auch palästinensische Kämpfer, die sich in der Gewalt der israelischen Armee befinden, dürfen keinen unnötigen Gefahren ausgesetzt werden«, sagt Heintschel von Heinegg. »Ob es sich um Zivilpersonen handelt oder nicht, spielt beim Verbot menschlicher Schutzschilde also überhaupt keine Rolle – und selbstverständlich auch nicht beim Verbot von Folter.«
Mohammed Moghrabi erzählt, er sei im Februar bei einem Austausch zwischen Israel und der Hamas freigekommen. Der Freund, der mit ihm am Panzer fixiert worden sei, werde noch immer festgehalten.
Bahaa Abu Ras, den Soldaten auf der Straße vor sich hertrieben, sagt, nach dem von ihm geschilderten Einsatz als menschlicher Schutzschild habe er eine »Phase der Angst« durchlebt. Ihm sei klar geworden, dass sein Leben der Willkür israelischer Soldaten ausgesetzt sei.
Mohamed Saad, der nach eigenen Angaben Häuser in Gaza durchsuchen musste, trägt zwei Narben: eine auf dem Rücken und eine auf der Brust. Die Spuren der Kugel, die ihn durchbohrt haben soll. »Manchmal wache ich mitten in der Nacht auf, aus Angst, dass die Soldaten kommen und mich wieder mitnehmen könnten.«
Mitarbeit: Almut Cieschinger und Friederike Röhreke (OSINT)