Friedrich Merz soll hunderte Strafanzeigen wegen Beleidigung gestellt haben

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Medienbericht Merz soll hunderte Strafanzeigen wegen Beleidigung gestellt haben

»Arschloch«, »drecks Suffkopf«: Friedrich Merz hat laut einem Medienbericht in seiner Zeit als CDU-Fraktionschef Anfeindungen gegen ihn strafrechtlich verfolgen lassen – in einigen Fällen gab es demnach Hausdurchsuchungen.

08.12.2025, 06.38 Uhr

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU)

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU)

Foto: Filip Singer / EPA

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Wenn sich die Grünen gegen Pöbeleien und Anfeindungen juristisch wehrten, war das Unionspolitikern immer ein Thema wehrt. Hier werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen, so oft der Tenor. Doch offenbar soll auch Friedrich Merz umfangreich gegen Beleidigung vorgegangen sein. In seiner Zeit als Unionsfraktionschef soll Merz seit 2021 Hunderte Strafanträge wegen mutmaßlicher Beleidigungen gestellt oder mitverfolgt haben, berichtet die »Welt am Sonntag«  unter Berufung auf Strafanträge, Ermittlungsakten und Anwaltsschreiben.

Merz ging offenbar systematisch gegen Kritiker in sozialen Medien vor. In mindestens zwei Fällen führten diese Strafanträge zu Hausdurchsuchungen, darunter bei einer schwerbehinderten Rentnerin im Rollstuhl, die Merz als »kleinen Nazi« bezeichnet haben soll. Trotz ihres sofortigen Geständnisses wurde ihr Mobiltelefon beschlagnahmt, berichtet die Zeitung. In anderen Fällen ging es demnach um Beleidigungen wie »Arschloch« oder »drecks Suffkopf«. Eine Hausdurchsuchung wegen der Bezeichnung von Merz als »drecks Suffkopf« sei von einem Gericht nachträglich für rechtswidrig erklärt worden.

Ein Sprecher von Merz bestätigte, dass er als Abgeordneter in der vergangenen Legislaturperiode »einige Beleidigungen« habe strafrechtlich verfolgen lassen. Dabei seien eingezogene Gelder vollständig für soziale Zwecke im Hochsauerlandkreis gespendet worden.

»Es geht darum, Leute aus dem öffentlichen Diskurs herauszudrängen«

In einem schon länger bekannten Fall wurde der Umweltaktivist Tadzio Müller im Herbst 2023 angezeigt. Er hatte als Reaktion auf einen Kommentar des CDU-Chefs zum Asylrecht diesem »schamfreie Arschlochhaftigkeit« vorgeworfen und ihn in einem weiteren Post als »rassistisches Arschloch« bezeichnet. Der Aktivist nannte die Anzeigen damals einen Versuch, ihn einzuschüchtern: »Es geht nicht um eine Beleidigung oder Ehrverletzung. Es geht darum, Leute wie mich aus dem öffentlichen Diskurs herauszudrängen.«

Merz soll die Verfolgungen bis zur Bundestagswahl 2025 über die Agentur »So Done« genutzt haben. Die Agentur, die von Franziska Brandmann, der früheren Bundesvorsitzenden der FDP-Jugendorganisation Julis, und dem Rechtsanwalt und FDP-Politiker Alexander Brockmeier gegründet wurde, durchforstet das Internet nach Beleidigungen und erstattet dann Anzeigen. Die Hälfte der zivilrechtlichen Ansprüche erhält die Agentur, um sich zu finanzieren. Hier können Sie mehr über die Agentur lesen.

In der Vergangenheit hatte eine Hausdurchsuchung nach einer Strafanzeige des damaligen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne) für öffentliche Debatten über Verhältnismäßigkeit gesorgt. Es ging um eine Beleidigung mit dem Wort »Schwachkopf«. Der Verfasser wurde später zu einer Geldstrafe verurteilt – allerdings nicht wegen der Beleidigung, sondern wegen eines anderen Posts mit NS-Bezug. Vor allem in rechten Kreisen und beim BSW werden die juristischen Verfolgungen als Angriff auf die Meinungsfreiheit gewertet.

Auch Teile der Union kritisieren nun Merz’ Vorgehen: Unionspolitiker, die in der »Welt am Sonntag« nicht namentlich genannt werden, fürchten, dass die rigorose Verfolgung von Beleidigungen der Partei politisch schaden könnte. »Nach der Hausdurchsuchung bei dem Typen, der Habeck einen 'Schwachkopf' genannt hatte, fanden wir das nicht mehr vermittelbar, dass auch Merz so etwas macht.« Ein anderer sagte: »Die Strafanträge von ihm werden uns sicher auf die Füße fallen.«

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