FC Bayern München bei der Klub-WM: Wenn Cincinnatis Bürgermeister den »Bayern-Tag« ausruft

vor 8 Stunden 1
 Eine Stadt in Rot

Bayern-Fans in Cincinnati: Eine Stadt in Rot

Foto:

Grace Bradley - FIFA / Getty Images

Dieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.

Deutsche Musik schallt aus den Boxen. Banner, Schals, Trikots, überall ist rot zu sehen.

»Bayern«, ruft der Moderator durchs Mikrofon.

»München«, schallt es ihm aus dem Chor der Fans entgegen.

Es gibt Bier, Brezeln, Bratwurst. Mit »Servus« begrüßen sich viele hier. Der Pub »The Pitch« in Cincinnati im US-Bundesstaat Ohio war am Wochenende ganz in Bayern-Farben gehüllt – von außen wie innen.

Im Schatten des TQL-Stadions wurde »The Pitch« beim »Pub-Takeover« für die FCB-Fans zur zentralen Anlaufstelle. Der Pub liegt am Rande des deutschen Viertels von Cincinnati, »Over-the-Rhine«. Es ist eines der größten historischen Viertel der USA und das älteste der Stadt. Nur wenige Meter sind es von dort zum Eingang des Stadions, in dem Bayern München mit einem 10:0 gegen Auckland City FC in die Klub-WM startete.

Hunderte Bayern-Fans fieberten dem Spiel im Pub entgegen. Die meisten von ihnen folgten der kleinen Marschkapelle aus der Bar, rüber auf die andere Straßenseite zum Stadion. Der Ticketverkauf lief schleppend, bis zum Anpfiff konnten Kurzentschlossene noch Karten erwerben.

»Ich bin einfach nur glücklich, dass mein Verein hier ist«

Das Spiel der Bayern in Cincinnati war trotzdem gut besucht. Daran hat auch Adam Jacob einen Anteil. Der Gründer des FC-Bayern-Fanklubs »Over the Rhine« hat in den vergangenen Monaten gemeinsam mit dem Verein Veranstaltungen geplant. In Lederhosen, Bayern-Trikot und Hut mit Anstecknadeln steht er auf der Terrasse des Pubs. Gerade hat er ein Interview gegeben, hinter ihm zeichnet sich der Umriss des Stadions ab.

»Ich bin einfach nur glücklich, dass mein Verein hier ist, und das für ein echtes Spiel, kein Freundschaftsspiel«, sagt Jacob, der sozusagen das Gesicht der Bayern-Fans in der Stadt ist. Seine Familie wanderte 1960 von München nach Cincinnati aus, vor zehn Jahren gründete er den Fanklub. Fünf Spiele »seines« Vereins hat er bereits in München gesehen. Nun endlich eins in seiner Heimatstadt. »Zweite Reihe, direkt am Rasen. So nah wie es nur geht, ohne verhaftet zu werden«, sagt Jacob stolz.

Die wenigen im Pub verbliebenen Fans verfolgen gespannt das Spiel auf den zahlreichen Bildschirmen und Leinwänden. Als das 1:0 fällt, brandet Jubel auf – draußen im Stadion und drinnen im Pub. Die Fans feiern das erste Tor ihres Teams und der Klub-WM.

Schon seit Freitagabend stand die Queen City ganz im Zeichen der Bayern. Jacob hatte mit dem FC Bayern einen Dinnerabend organisiert – mit dem früheren Bayern-Star und Publikumsliebling Rafinha als Ehrengast. »Ein wirklicher guter Typ«, sagt Ed Pharo, ebenfalls Fanklub-Mitglied der ersten Stunde.

Rummenigge erweckte die Fußballliebe

»Ich liebe die Mannschaft«, sagt er auf Deutsch. Auch er hat, wie so viele in der Stadt, deutsche Wurzeln. Als 14-Jähriger war er das erste Mal in Deutschland. Vor 1978, gibt Ed Pharo zu, mochte er Fußball nicht so richtig. Dann habe er Karl-Heinz Rummenigge in einem Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gesehen und plötzlich habe »alles still gestanden«. Sein Fußballliebe, und die Liebe für den FCB, waren geboren.

Adam Jacob und Ed Pharo ist die Begeisterung anzusehen und anzuhören. Cincinnati sei nicht gerade die erste Wahl, wenn es um Spielstätten für so ein Turnier geht. Sie sind glücklich, dass es so gekommen ist. Nicht nur sie: Zwei Stunden vor Anpfiff erklärte der Bürgermeister vor den Fans im Pub feierlich den 15. Juni zum FC-Bayern-München-Tag in Cincinnati.

 Begeisterung zu sehen und zu hören

Fans vor dem Stadion in Cincinnati: Begeisterung zu sehen und zu hören

Foto: Mirjam Ruescher
 »Jede Trophäe für Bayern München ist eine gute Trophäe«

Bayern-Fans Pharo (l.) und Jacob (r.): »Jede Trophäe für Bayern München ist eine gute Trophäe«

Foto: Mirjam Ruescher

Dass es dabei auch viel Kritik an der Klub-WM gibt, wissen sie natürlich. »Klar, da gibt es einiges, was nicht so gut ist«, sagt Jacob. Der Ticketverkauf lief schlecht und der Spielplan der Fifa sei nicht gerade fanfreundlich. »Unsere Spieler sind nicht einmal für 24 Stunden in der Stadt«, sagt er. Aber die Fifa sei eben die Fifa und die meisten Fans würden doch die Dachorganisationen ihrer Sportarten nicht wirklich mögen. Für Jacob überwiegt das Positive.

Auch Ed Pharo ist zuversichtlich. »Jede Trophäe für Bayern München ist eine gute Trophäe.« Er hat sich nicht nur Tickets für das Spiel gegen Auckland gesichert, sondern auch zwei Karten für jedes Spiel nach der Gruppenphase – vom Achtelfinale bis zum Finale. Charlotte, Philadelphia, New York: Spielt sein Bayern München so, wie er es erwartet, dann wird er einiges an Kilometern zurücklegen, um von Spiel zu Spiel zu reisen.

Der Auftakt ist seinem Team schon einmal geglückt. 2:0, 3:0, 4:0 in nur vier Minuten. Die Fans im Pub haben früh Grund, ihren Klub zu feiern – und taten das auch.

»Wir wären auch in den Irak gefahren«

Die Fans sind aus Tennessee angereist, aus Kentucky, Michigan, Minnesota, Indiana. Es sind auch deutsche Stimmen zu hören. Eine Gruppe deutscher Anhänger sitzt auf der Dachterrasse des Pubs. Etwa 300 bis 400 Bayern-Fans seien mitgereist, schätzen sie. Man kennt sich. Auch die Gruppe hat Tickets bis zum Finale.

Ob es eine schwierige Entscheidung war, für die Klub-WM in die USA zu reisen? »Quatsch! Gar nicht. Es ist unser Verein, unser Ding. Wir fahren sonst auch überallhin. Wir wären auch in den Irak gefahren. Es gibt einen Spielplan und dem folgen wir.«

FCB-Maskottchen Bernie und Rafinha sorgen bis kurz vor dem Spiel für Stimmung im Pub. Rafinha posiert für Fotos, gibt Interviews. Bernie tritt in einer Challenge gegen die Maskottchen der Sportklubs von Cincinnati an, darunter Mr. Red, das Maskottchen der Cincinnati Reds, dem ältesten professionellen Baseballteam der USA.

Aus allen Richtungen strömen Menschen durch den Stadtteil »Over-the-Rhine« zum Spiel herbei. Thomas Müller ist auf seiner Abschiedstour in den USA der Fanliebling, auf den meisten Trikots prangt sein Name. Als er kurz vor der Pause zum 5:0 trifft, ist der Jubel besonders groß. »Danke, Thomas!«, brüllen sie nicht nur im Pub.

Die Stadt erlebte ein Wochenende im Fußballrausch. Rund um das Stadion herrschte Begeisterung und Partystimmung. Die Spieler wurden bei ihrer Ankunft am Hotel am Samstagabend von einer stundenlang wartenden Menschentraube gefeiert.

 Eine Stadt im Fußballrausch

Bayern Spieler Müller (l.) und Kane: Eine Stadt im Fußballrausch

Foto: Stuart Franklin - FIFA / FIFA / Getty Images

Für die Bayern geht es nun am kommenden Samstag in Miami gegen die Boca Juniors weiter. Doch in Cincinnati bahnt sich schon das nächste deutsche Fußballfest an: Am Freitag übernimmt Schwarz-Gelb die Stadt und auch den Pub. Vor und nach dem Spiel von Borussia Dortmund gegen Mamelodi Sundowns (Samstag, 18 Uhr MESZ) öffnet »The Pitch« seine Türen und wird zur BVB-Fanbotschaft.

Eine »schwarz-gelbe Visitenkarte«

Sebastian Schneider, in der Fanabteilung des BVB zuständig für die internationale Gemeinschaft, hofft darauf, dass der Verein eine »schwarz-gelbe Visitenkarte« hinterlassen kann. »In der Gruppenphase begleiten uns über 1000 deutsche Fans aus mehr als 100 offiziellen BVB-Fanklubs. Hinzukommen US-Fans von unseren knapp 40 US-Fanklubs«, so Schneider.

Bei einem Besuch in Cincinnati haben sie bereits Kontakte zu den Fans vom FC Cincinnati geknüpft. Der FCC Fanklub »Die Innenstadt« trägt in seinem Namen dem deutschen Erbe der Stadt Rechnung. Bei einem Stadionbesuch feuerten sie zusammen Cincinnati an, bei den Spielen der Klub-WM hoffen die Dortmunder nun auf Support von den einheimischen Fans.

Ob der BVB bei seinen Spielen einen ähnlichen Heimvorteil haben wird wie der FCB bleibt abzuwarten. Deutsche Verbundenheit gäbe es in der Stadt auf jeden Fall genug.

Gesamten Artikel lesen