EZB senkt Leitzins auf 2,25 Prozent

vor 2 Tage 1

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Leitzinsen erneut gesenkt. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagesatz wurde am Donnerstag von 2,50 auf 2,25 Prozent nach unten gesetzt. Die Notenbanker setzen damit ihren Kurs des billigeren Geldes fort.

»Der Disinflationsprozess schreitet gut voran«, begründete EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Senkung um 0,25 Prozentpunkte. »Der EZB-Rat ist entschlossen, für eine nachhaltige Stabilisierung der Inflation beim mittelfristigen Zielwert von zwei Prozent zu sorgen.«

Lagarde warnte vor den Folgen der aggressiven Zollpolitik der US-Regierung. Der Ausblick für die Wirtschaft werde durch eine »außergewöhnliche Unsicherheit« belastet, sagte sie. Die Risiken für eine negative Entwicklung der Konjunktur seien groß.

Geopolitische Spannungen seien »Quelle der Unsicherheit«, warnt Lagarde

Eine aggressive Zollpolitik der US-Regierung hatte zeitweise zu heftigen Turbulenzen an den Finanzmärkten gesorgt. Zuletzt hat vor allem ein eskalierender Handelskonflikt zwischen den USA und China die Aussichten für die Weltwirtschaft belastet. Überdies seien auch geopolitische Spannungen eine »Quelle der Unsicherheit« für die weitere konjunkturelle Entwicklung, warnte die Notenbankerin.

 »Wir müssen auf das Unberechenbare vorbereitet sein«

EZB-Präsidentin Christine Lagarde bei der Pressekonferenz zur Zinssenkung: »Wir müssen auf das Unberechenbare vorbereitet sein«

Foto: Ronald Wittek / EPA

Die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump ist sehr erratisch und schwer vorherzusehen. Auch wenn die Zölle gegen die EU teilweise wieder ausgesetzt wurden, sind sie doch deutlich höher als zuvor. Daher dürfte der EZB die Entscheidung zur Senkung der Zinsen nicht leicht gefallen sein.

Lagarde sieht Anzeichen für Wirtschaftswachstum im Euroraum

Doch Lagarde zeigt Optimismus: »Die Wirtschaft des Euroraums hat Widerstandskraft gegen globale Schocks gezeigt.« Sie sieht auch Anzeichen für ein Wirtschaftswachstum in der Eurozone. So hätten sich zuletzt Hinweise auf eine Stabilisierung in der angeschlagenen Industrie gezeigt. Ferner dürfte sich die Inflation nach Einschätzung der EZB weiter abschwächen. Auch die jüngst deutlichen Kursgewinne des Euro könnten die Inflation dämpfen. Die Arbeitslosigkeit sei im Februar auf 6,1 Prozent gefallen, dies sei der niedrigste Stand seit der Einführung des Euro.

Lagarde äußerte sich jedoch vorsichtig, ob der Leitzins in Zukunft weiter gesenkt werden soll. Man müsse den geldpolitischen Kurs abhängig von der Datenlage von Sitzung zu Sitzung festlegen, sagte sie. »Der EZB-Rat legt sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest«, sagte Lagarde. »Wir müssen auf das Unberechenbare vorbereitet sein.«

Schlechte Nachricht für Sparerinnen und Sparer

Lagarde hatte sich nach der Zinssenkung im März zwar noch die Tür für unveränderte Zinsen offen gehalten. Nach den jüngsten Zollturbulenzen werden jedoch belastende Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum erwartet. Zudem hat sich die Inflation zuletzt weiter abgeschwächt: Die Rate ging im März auf 2,2 Prozent zurück, von 2,3 Prozent im Vormonat.

Die besonders stark beachtete Kernteuerung, bei der schwankungsanfällige Preise für Energie-, Nahrungs- und Genussmittel herausgerechnet werden, sank ebenfalls. Die Teuerung nähert sich damit dem mittelfristigen Inflationsziel von zwei Prozent an.

All das führte nun zur siebten Zinssenkung seit Juni 2024: Niedrigere Leitzinsen verbessern die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen und Privathaushalte und können so die Wirtschaft ankurbeln. Eine starke Binnennachfrage könnte so auch die aktuellen Probleme in der Außenwirtschaft dämpfen. Für Sparerinnen und Sparer ist die Zinssenkung aber eine schlechte Nachricht: Geldanlagen könnten nun noch geringer verzinst werden.

Experten dringen auf weitere Senkung

Ob der aktuelle Zinsschritt der EZB der angeschlagenen Wirtschaft wieder nachhaltig auf die Beine hilft, ist allerdings strittig. Die Zinssenkung sei »kein Befreiungsschlag für die schwächelnde Konjunktur im Euroraum«, sagte Lena Dräger, Forschungsdirektorin am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Die Zentralbank folge vielmehr ihrer bisherigen Linie, allmählich auf ein normalisiertes Zinsniveau zurückzukehren. Angesichts der aktuellen US-Handelspolitik wäre aus ihrer Sicht eine Senkung um einen halben Prozentpunkt angemessen gewesen.

Silke Tober vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung sagte: »Die heutige Zinssenkung wurde von den Märkten bereits erwartet, es ist gut, dass sie gekommen ist. Die Zentralbank sollte aber noch weitergehen und perspektivisch weitere Lockerungen der geldpolitischen Zügel ankündigen.«

Die Wirtschaft im Euroraum dümpelte zuletzt vor sich hin – und erreichte im Schlussquartal 2024 nur ein Plus von 0,2 Prozent. Laut Umfrage von S&P Global unter Einkaufsmanagern zeichnete sich zuletzt aber ein leichter Aufschwung ab.

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