Die EU hat sich auf einen Komplettausstieg aus russischem Gas geeinigt. Europa soll unabhängiger werden, Russlands Kriegskasse geleert werden. Was die Novelle bedeutet.
Aktualisiert am 4. Dezember 2025, 17:55 Uhr Quelle: DIE ZEIT, AFP, wil
Es handle sich um den "Beginn einer neuen Ära", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, als die EU das Ergebnis ihrer Verhandlungen um ein Ende aller Gaslieferungen aus Russland präsentierte. Im vierten Jahr des Angriffskriegs auf die Ukraine soll so die russische Kriegskasse geleert werden – und Europa wirklich unabhängig von russischer Energie werden. Was die Novelle konkret bedeutet:
Alle Fragen im Überblick:
Was wurde beschlossen?
Die Mitgliedsländer der Europäischen Union und das EU-Parlament haben sich Anfang Dezember auf ein komplettes Verbot für russische Gasimporte verständigt. Innerhalb der kommenden zwei Jahre soll demnach auch die letzte Energielieferung aus Russland eingestellt werden, wie der Europäische Rat mitteilte. Der Ausstieg soll schrittweise erfolgen und im November 2027 komplett vollzogen sein.
Damit hat der Weg zu einer vollständigen Energieunabhängigkeit von Russland die letzte entscheidende Hürde genommen. Bereits im Mai dieses Jahres hatte die Europäische Kommission entsprechende Pläne vorgelegt. Insbesondere Polen und die baltischen Staaten unterstützten das Vorhaben, während aus Ungarn und der Slowakei Widerspruch kam. Im Oktober hatten sich zunächst die Energieminister der Länder auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt, mit dem Beschluss vom Mittwoch gilt das Vorhaben nun als gesichert. Formal müssen das Europaparlament und der Rat der 27 Mitgliedsstaaten noch zustimmen, mit einer Mehrheit wird aber gerechnet.
Möglich wurde der Beschluss über einen Kniff in den EU-Regularien. Denn eigentlich ist Energie Sache der Mitgliedsstaaten, womit ein vollständiger Einfuhrstopp am Widerstand von Ungarn und der Slowakei gescheitert wäre. Die Kommission berief sich in ihren Plänen für ein Einfuhrverbot allerdings auf das Zollrecht. Ein einstimmiger Beschluss war damit nicht notwendig, der Widerstand der beiden Länder somit ausgehebelt.
Bedeutet das ein Ende aller Energieimporte nach Deutschland?
Nein. Die Einigung, über die final im Dezember abgestimmt werden soll, zielt ausschließlich auf russisches Gas. Perspektivisch sieht der Fahrplan der EU-Kommission zwar auch ein Ende der Ölimporte in die EU vor. Konkrete Vorgaben dafür finden sich allerdings noch nicht im Beschluss vom Mittwoch. Ein entsprechendes Gesetz soll erst im kommenden Jahr auf den Weg gebracht werden. Nach Angaben des Europaparlaments könnte dann auch für Erdöleinfuhren ein komplettes Importverbot ab Ende 2027 stehen.
Sowohl Ungarn als auch die Slowakei beziehen zurzeit noch Erdöl aus Russland über die sogenannte Druschba-Pipeline. Beide Länder haben sich – wie auch beim Gas – gegen einen Importstopp ausgesprochen.
Ab wann gilt der Importstopp?
Der Beschluss vom Mittwoch sieht vor, dass der Import von russischem Gas sechs Wochen nach Inkrafttreten des Gesetzes prinzipiell verboten werden soll. Die Abstimmung im Europäischen Parlament soll zwischen dem 15. und 18. Dezember erfolgen – das Verbot könnte damit bereits im kommenden Februar greifen.
Für bestehende Verträge gilt eine Übergangsfrist. Flüssiggas-Importe aus sogenannten LNG-Terminals, die noch vor dem 17. Juni 2025 in kurzfristigen Verträgen vereinbart wurden, sollen demnach Ende April 2026 verboten werden, Pipeline-Gas aus ähnlichen Verträgen ab dem Juni 2026. Bei langfristigen Verträgen gilt eine Schonfrist bis Januar 2027 für LNG- und bis Herbst 2027 für Pipeline-Gas. Der Komplettausstieg gilt demnach ab dem 30. September 2027, sofern die Mitgliedsstaaten ihre Gasspeicher bereits ausreichend gefüllt haben. Spätestens am 1. November soll endgültig Schluss sein.
Auch Vertragsänderungen sind nach den Plänen der EU nur noch innerhalb enger Grenzen möglich. Abmachungen, die auf eine Erhöhung der Importmenge zielen, sind demnach ausgeschlossen.
Wie viel Gas bezieht die EU noch aus Russland?
Seit Beginn der russischen Vollinvasion in der Ukraine sind die Gasimporte aus Russland massiv zurückgegangen. Nach Zahlen des Thinktanks Bruegel importierte die EU Ende 2021 noch 36,6 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland, was damals mehr als 40 Prozent aller Gasimporte in die EU entsprach. Bis September 2025 sanken die russischen Ausfuhren auf rund acht Milliarden Kubikmeter – das waren demnach nur noch knapp elf Prozent der Importe.
Die Lücke füllten vor allem LNG-Lieferungen aus Norwegen und den USA. Norwegen ist mit fast 24 Milliarden Kubikmetern (31 Prozent) im September 2025 mittlerweile der größte Gaslieferant der EU, an zweiter Stelle stehen die USA mit zuletzt rund 21 Milliarden Kubikmetern (27 Prozent). Dazu ist der Verbrauch in der EU insgesamt gesunken: Er ging zwischen 2021 und 2024 um über 19 Prozent zurück, wie die EU-Kommission mitteilt. Im Zuge des russischen Angriffskriegs hat sich geändert, wie Energie und vor allem Wärme in der EU erzeugt wird – man denke nur an die Diskussion um die Wärmepumpen.
Allerdings importierten mehrere EU-Staaten zuletzt wieder mehr Gas aus Russland. Bisher hatte sie sich nicht auf ein gemeinsames Embargo einigen können. Der Ausstieg aus dem russischen Gas wurde vielmehr durch die Initiative einzelner Mitgliedsländer getragen. So fließt etwa in Litauen seit dem Jahr 2022 kein Gas aus Russland mehr, in Estland seit 2023. In Deutschland wird seit der Sabotage von Nord Stream 2 im September 2022 kein Gas mehr aus russischen Pipelines bezogen.
Welche EU-Länder beziehen Gas aus Russland?
Eine Reihe von Ländern innerhalb der Europäischen Union bezogen auch Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs noch Gas aus Russland. Dazu gehörten im Jahr 2024 nach Angaben der Denkfabrik Ember (PDF) etwa Italien, Frankreich, Spanien, Österreich und auch Deutschland. Vor allem Italien und Frankreich importierten in diesem Zeitraum demnach sogar mehr LNG-Gas aus Russland als im Jahr zuvor.
Ungarn und die Slowakei importieren unterdessen weiterhin Gas auf dem Landweg. Beide Länder haben sich wiederholt gegen die Ausstiegspläne der EU gewehrt. So sagte Ungarns Außenminister Péter Szijjártó im Juni, sein Land lehne das Vorhaben grundsätzlich ab. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico forderte wiederum Ausnahmebestimmungen für sein Land. Insbesondere die Regierung unter Viktor Orbán in der Vergangenheit wiederholt die Nähe zu Wladimir Putin gesucht, zuletzt mit einem Besuch in Moskau vor rund einer Woche.

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