Elektroauto Hyundai Ioniq 6 im winterlichen Langstreckentest: Grenzen aufgezeigt

vor 2 Tage 4

Die Sonne mag sich nicht über Zagreb zeigen, als die Testfahrt morgens um 7:30 Uhr beginnt. Der Himmel ist wolkenverhangen. Der Hyundai Ioniq 6 N mit einem 239 kW starken Antriebsverbund und 84-kWh-Batterie ist zu 80 Prozent geladen. Die Reichweitenanzeige verspricht 298 km. Wie in jedem modernen Auto basiert sie unter anderem auf der Fahrweise der zurückliegenden 30 bis 70 km. Damit geht es nach Norden in Richtung slowenischer Grenze. Kaum ist die Autobahn erreicht, müssen die Scheibenwischer in Aktion treten. Sie werden es bis zu unserem Ziel im polnischen Krakau bleiben.

Der koreanische Hersteller ist mit der aerodynamischen Limousine im Frühjahr 2023 in Deutschland gestartet. Zum Jahreswechsel 2026 kommt eine Modellpflege, die im Frühjahr schon gezeigt wurde. Äußerlich haben die Designer die Front mit den schmalen, pixelartigen Scheinwerfern überarbeitet. Am Heck wurde ein Buckel entfernt und der verbliebene Spoiler verlängert. Insgesamt ist das Auto um vier Zentimeter auf 4,93 m gewachsen.

Gewachsen ist auch der Energiegehalt der Traktionsbatterien, im Basismodell stärker als in der von uns gefahrenen Maximalausstattung. Der Kunde hat nun die Wahl zwischen 63 (zuvor 53) und 84 kWh (zuvor 77). Damit steigt die maximale Reichweite von 614 auf bis zu 680 km. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 185 km/h, was in keinem der sechs Länder auf dieser Tour von Relevanz war.

Innen wurde das Design der zwei 12,3-Zoll-Bildschirme sowie der Mittelkonsole überarbeitet. Erstmals gibt es Android Auto und Apple CarPlay kabellos. Ein orangefarbenes Licht zeigt an, dass das Smartphone induktiv geladen wird. Neben zwei Becherhaltern umfasst die Mittelkonsole Schalter für Sitzheizung und -lüftung sowie die Fensterheber. Auch das Lenkrad wurde überarbeitet. Nach wie vor verzichtet Hyundai darauf, den Markennamen oder das Logo auf das Lenkrad zu prägen. Hier sieht man lediglich vier Leucht-Pixel. Sie stehen für das Morsealphabet, viermal kurz ergibt den Buchstaben H. Das ist arg um die Ecke gedacht.

Einige Materialien erscheinen nun hochwertiger als bisher.

(Bild: Hyundai)

Mein Copilot und ich navigieren die erste Etappe mit einem Android-Smartphone. Google Maps schlägt immer wieder Alternativen vor, die schneller oder mautfrei sein sollen. Auf einen Vorschlag lassen wir uns ein und bereuen es kurze Zeit später. Die Route führt über einen ungeteerten Feldweg mit zahlreichen Schlaglöchern. Ja, die Federung im Ioniq 6 ist gut, kann aber auch nicht zaubern.

Beim ersten Grenzübertritt nach Slowenien fragt der Beamte nach unseren Ausweisen. Das bleibt auf dieser Fahrt durch sechs Länder die einzige Grenzkontrolle. Ansonsten sind die Vorteile offener Grenzen und einer EU zu spüren. Das Smartphone wählt sich einfach ins nächste Netz ein und die Routenführung wird fortgesetzt. Die Maut in Kroatien und Polen kann mit dem Handy entrichtet werden. In Polen zeigt die Abrechnung, dass 17 Złoty rund vier Euro sind. In Kroatien zahlt man in Euro.

Die Ladeinfrastruktur auf der Strecke ist überraschend gut. Die erste Etappe über 380 km bis zum österreichischen Parndorf gelingen nicht ohne Ladestopp. Über Google Maps ist eine passende Säule bei Shell im ungarischen Steinamanger schnell gefunden. Auf dem Weg durch die Stadt für einen Halt bei Aldi entdecken wir auf dem Parkplatz einen Alpitronic-Schnelllader von E.ON. Laut Aufkleber lädt die Säule mit bis zu 300 kW, der Ioniq 6 lädt mit bis zu 260 kW. Doch die Ladeleistung liegt mit 80 kW deutlich darunter. Die Erklärung ist einfach: Wir haben Android Auto statt der internen Navigation genutzt, eine Vorkonditionierung der Batterie fiel damit aus. Es herrscht Regenwetter bei sechs Grad Celsius. Es dauert 13 Minuten, bis die Ladeleistung langsam ansteigt. Doch bei 140 kW ist Schluss. Wir brechen die Ladung ab, sobald die prognostizierte Reichweite bis zum Mittagsstopp genügt.

Über eine gut ausgebaute Autobahn geht es durch Ungarn nach Österreich. Zum Mittagessen sind wir mit allen Teilnehmern sowie einem Vertreter von Ionity in Parndorf nördlich vom Neusiedler See verabredet. Dort erfahren wir, dass Ionity in Osteuropa zwischen Danzig im Norden und Dubrovnik im Süden 55 Standorte mit 252 Anschlüssen betreibt. Die E-Auto-Zulassungen in den dazugehörigen Ländern schreiten langsamer voran als in Deutschland. Doch den Ionity-Vertreter stimmt vor allem die Entwicklung der Zulassungen in Polen positiv. Hyundai gehört zu den Gesellschaftern des Ladeanbieters. In Osteuropa hat man vor allem Standorte bei Tankstellen-Partnern wie Shell, MOL und OMV gewählt. Die Auslastung der Ladesäulen an den Autobahnen ist ein Saisongeschäft mit guten Werten von Mai bis Oktober. Daher akquiriert Ionity jetzt verstärkt Standorte in Randlagen der Städte. Ein Erster soll demnächst in Budapest eröffnen.

Mit der Modellpflege wurde der Ioniq 6 nochmals 4 cm länger.

(Bild: Hyundai)

Mit 100 Prozent Ladezustand und 383 km Reichweite geht es weiter. Hier dürfte eher das Wetter als unsere Fahrweise der Grund für die große Differenz zur WLTP-Angabe von 680 km sein, denn der Regen hat nicht nachgelassen. Das erhöht den Rollwiderstand. Auf der Autobahn ist der adaptive Tempomat mit Spurhalter eine wertvolle Unterstützung. Die Routenplanung sieht einen weiteren Ladestopp bei Ionity im tschechischen Ostrava vor. Bis dahin sind es 325 km, doch auf dem Weg nach Norden sinkt die Reichweite schneller als erwartet, das Zwischenziel Ostrava ist so nicht zu erreichen.

Diesmal setzen wir auf die Fahrzeug-Navigation. Somit ist die Batterie für den nächsten Ladestopp an einer Tankstelle im tschechischen Vyškov vorbereitet. Im Dauerregen stehen wir ohne Dach an einer Ladesäule, die wieder von E.ON betrieben wird und laut Aufkleber 240 kW liefert. Der Ioniq 6 beginnt wieder bei 80 kW und verharrt bei dieser Ladeleistung. Nach einem Wechsel auf den zweiten Anschluss der Siemens-Ladesäule steigt die Leistung auf 118 kW. Ob das Auto oder die Infrastruktur hier schuld ist, lässt sich nicht ermitteln. Doch so wollen wir nicht bis 80 Prozent im Regen stehen und verlassen den Standort, sobald genug nachgeladen ist, um bis nach Ostrava fahren zu können.

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