Die Nachrichten bringt nicht der Storch: das SWR-Videospiel „Nachrichtenmacher“

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Die einen suchten den Gral. Andere fragten sich, warum und vor allem wo Atlantis untergegangen ist. Ähnlich wird man einst wohl auf den Versuch blicken, Jugendliche für traditionelle Medien zu interessieren. So in etwa stellt es sich für diejenigen dar, die ­daran arbeiten, das Weltgeschehen durch Übersetzung in handliche Nachrichten verständlich zu machen.

Nun gibt es „die Jugendlichen“ als heterogene Rezipientenmasse ebenso wenig wie den Königsweg, die 14- bis 29-Jährigen stärker an Nachrichtenformate und -marken zu binden; also auch jene der insgesamt vier vom Hans-Bredow-Institut in seiner „Use the News“-Studie aus dem Jahr 2024 identifizierten „Typen der Nachrichtenorientierung“ mit ins Boot zu holen, die kaum Wert auf journalistische Quellen legen. „Abgeholt“ werden sollen junge Leute, heißt es – und zwar dort, wo sie unterwegs sind: auf Tiktok, Instagram, Reddit, Youtube und exotischeren Netzwerken. Doch auch Videospiele fordern Platz in ihrem Alltag. Und deshalb ist der Versuch des SWR, Journalismus via „Serious Game“ zu vermitteln, begrüßenswert. Nur verrät schon die Überschrift der Pressemitteilung das Problem: „SWR launcht neue Medienkompetenzanwendung“. Das klingt nach Schule. Und dass Journalismus nur im Pflichtkontext der Schule Bedeutung erlangt, kann kaum im Interesse jener sein, die davon leben.

Der Nachrichtenalltag in einer Radiosendung

„Nachrichtenmacher“ lässt sich einfach im Internetbrowser aufrufen. Man startet in der Nachrichtenredaktion der SWR-Radiosendung „Das Ding“ (eine Radiosendung für 14- bis 29-Jährige), wählt ein Datum aus dreien und damit die tatsächliche Nachrichtenlage des jeweiligen Tages. Kollegin Lena begrüßt den Spieler. Mit ihr stellt man die Nachrichten für die kommende Sendung zusammen. So wird anhand verschiedener Dialogoptionen über potentielle Meldungen diskutiert. Zur gewonnenen Präsidentenwahl von Donald Trump am 6. November 2024 kann der Spieler zwischen folgenden Einschätzungen wählen: „Das ist doch in den USA. Das betrifft doch die Leute, die Das Ding hören, gar nicht.“ „Das ist jetzt aber auch schon wieder ein paar Stunden her. Wie lange soll eine Meldung denn im Programm bleiben?“ oder „Das wird ja immer noch heiß diskutiert. Das bringen wir auf jeden Fall.“

Das mag auf Außenstehende naiv und überzeichnet wirken. De facto aber ist es im Kern nicht weit entfernt von der Diskussion an Newsdesks und in Konferenzen vieler Medienhäuser – auch weil (und das gehört zur Transparenz, um die sich dieses Spiel bemüht) jeder Journalist seinen eigenen Blick auf Weltgeschehen und Wichtigkeit mitbringt. Lena widerspricht, als man das Interesse der Leute an Amerika bezweifelt: „Die USA sind ein wichtiger Partner von Deutschland und der EU – politisch, wirtschaftlich und militärisch und so weiter.“ Wir geben uns geschlagen und bekommen einen erhobenen Daumen für unsere Kritikfähigkeit. So werden verschiedene Nachrichten geprüft, bei denen wahlweise die Quellenlage hinterfragt oder die Expertise der Kollegen hinzugezogen werden muss. Lob gibt es in dieser sehr affirmativen „Kompetenzanwendung“ fürs Hinterfragen, Nachhaken und Identifizieren von Falschnachrichten.

Die Fallen und Versuchungen des journalistischen Arbeitsalltags bildet „Nachrichtenmacher“ teils rührend, teils gespenstisch präzise ab. Alte Hasen mögen lächeln, doch es erfrischt auch den routiniertesten Journalistenkopf, noch einmal die simpelsten Kriterien für die Auswahl einer Nachricht vor Augen geführt zu bekommen: Aktualitätswert, Relevanz – aber auch der Nutzwert. Mit dem Ziel, die Entstehung einer Nachricht transparent zu machen, trifft das Spiel den entscheidenden Punkt: Wie sonst kann es Journalisten gelingen, Menschen zu zeigen, dass sie aufgrund ihres Handwerks, ihrer Arbeitsweise und gewisser Richtlinien der beste Informationsanbieter sind. Der Kampf um das Wissen in den Köpfen der Menschen, respektive dessen Erhalt ist ja längst kein Spiel mehr.

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