Die Bundestagsverwaltung hat mehrere Abgeordnete aufgefordert, Regenbogenfahnen an ihren Büros zu entfernen. In einem Fall wurde offenbar sogar die Bundestagspolizei gerufen. Die Betroffenen sind empört. Die SPD-Abgeordnete Lina Seitzl sprach im »Tagesspiegel«, der zuerst darüber berichtete , gar von einer »Jagd auf Regenbogenfahnen«.
Seitzl sagt dort weiter, sie sei am Montag telefonisch von der Bundestagsverwaltung informiert worden, dass sie zwei Regenbogenfahnen in ihrem Büro abhängen müsse. Dabei sei auf die Hausordnung des Bundestags verwiesen worden.
Dort heißt es im Paragraf 4: »Das Anbringen von Aushängen, insbesondere von Plakaten, Postern, Schildern und Aufklebern an Türen, Wänden oder Fenstern in den allgemein zugänglichen Gebäuden des Deutschen Bundestages sowie an Fenstern und Fassaden dieser Gebäude, die von außen sichtbar sind, ist ausnahmslos nicht gestattet.«
Lina Seitzl findet das alles »ein bisschen lächerlich«
»Ich bin mir nicht sicher, ob man die Flaggen von außen sehen konnte, aber das war wohl der Grund«, sagt Seitzl dem »Tagesspiegel«. Für sie seien die Fahnen ein Zeichen für Vielfalt und Respekt. Sie findet den Vorgang »ein bisschen lächerlich«, sagt Seitzl. »Mir wäre daran gelegen, wenn sich die Bundestagspolizei mit relevanten Sicherheitsfragen beschäftigen würde, statt Jagd auf Regenbogenfahnen zu machen.« Kürzlich wurden die Sicherheitsvorkehrungen im Bundestag erhöht, um das Eindringen von Verfassungsfeinden zu verhindern.
Die Linkenabgeordnete Stella Merendino berichtet auf Instagram : »Wegen der Regenbogenflagge an meinem Büro im Bundestag wurde die Bundestagspolizei gerufen. Danke Nestle-Julia und NoAfD.« Beim Dank bezieht sich Merendino auf Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU), die 2019 öffentlich den Nestlé-Konzern gelobt hatte.
Auch Merendino wurde von der Verwaltung mit Verweis auf die Hausordnung aufgefordert, ihre Regenbogenfahne zu entfernen. Diese hing aus dem Fenster ihres Abgeordnetenbüros in der Dorotheenstraße zum Innenhof hin.
»Den kleinen Regenbogenherz-Sticker mussten wir auch von der Tür abmachen«, schreibt Merendino weiter. Für den Vorgang hat sie kein Verständnis, sie kommentiert: »What the actual fuck« (übersetzt etwa: »Was zum Teufel«).
Klöckner-Sprecher beteuert, es gehe nicht gezielt um die Regenbogenfahne
Die Bundestagsverwaltung spricht von einem »Routinevorgang«. Mathias Paul, Sprecher von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU), schreibt laut »Tagesspiegel«: »Es geht nicht konkret um die Kontrolle von Regenbogenfahnen. Betroffen wären auch andere Fahnen oder Aushänge.« Sobald etwas von außen oder in einem Flur sichtbar sei, müsse es entfernt werden.
Vor dem Hintergrund der Vorkommnisse der vergangenen Monate befürchten Abgeordnete dennoch ein gezieltes Vorgehen gegen die Regenbogenfahne, die die Akzeptanz von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten symbolisiert.
Grünenabgeordnete Nyke Slawik beklagt falsche Prioritäten
Die queerpolitische Sprecherin der Grünenfraktion im Bundestag, Nyke Slawik, beklagt im »Tagesspiegel« und via Instagram ähnlich wie ihre SPD-Kollegin Seitzl eine verkehrte Schwerpunktsetzung. »Täglich gehen hier im Bundestag Menschen mit rechtsextremen Verbindungen ein und aus bei der AfD. Diese Verfassungsfeinde sollten lieber genau im Auge behalten werden, statt nun Jagd auf die Regenbogenfahne zu machen.«
Ihr selbst sei bereits vor einigen Wochen untersagt worden, ein Foto mit einer Regenbogenfahne im Paul-Löbe-Haus zu machen. »Ich merke persönlich, wie sich der Wind im Parlament gedreht hat und dass die Prioritäten nun darauf liegen, Regenbogen im Bundestag unsichtbar zu machen.«