Seit Montagabend ist Robert Berg nicht mehr Trainer des kriselnden Regionalligisten SV Wacker Burghausen. Kurz nach seiner Freistellung zeigt sich der 49-Jährige selbstreflektiert und spricht über das allgemeine Stimmungsbild an der Salzach.
Robert Berg blickt stolz auf seine Zeit in Burghausen zurück. Buchholz
Der SV Wacker Burghausen hat mit der Entlassung von Cheftrainer Robert Berg (49) und Co-Trainer Muhamed Mehmedovic (34) auf die Talfahrt der vergangenen Wochen reagiert. NLZ-Leiter Michael Kostner (55), der von Urgestein Ronald Schmidt (47) unterstützt wird, trägt am Freitag beim letzten Spiel vor der Winterpause die Verantwortung. "Schade, ich hätte gerne weitergemacht, grundsätzlich ist der Schritt irgendwie nachvollziehbar", zeigt Berg Verständnis für die Entscheidung seines Arbeitsgebers.
Späte Premiere
Dabei ist das Gefühl für ihn komplett neu, wurde der A-Lizenz-Inhaber, der 1999 bei seinem Heimatverein TSV Peterskirchen als Trainer eingestiegen ist, bislang noch nie entlassen. "Das hat in dem Geschäft eh lange genug gedauert, bis es mich erwischt hat", kann Berg am Tag nach seiner Demissionierung schon wieder etwas scherzen: "Das ist sauber über die Bühne gegangen, aber ich hatte schon das Gefühl, dass wir das Ruder wieder herumreißen können, dass wir es wieder hinbekommen."
Nach der Entlassung von Hannes Sigurdsson hatte Berg den ehemaligen Zweitligisten im September 2023 in argen Abstiegsnöten übernommen, bis zur Winterpause konsolidiert und dann mit der drittbesten Rückrunde auf Platz 9 geführt. Nach einer größeren Fluktuation im Kader folgte ein bärenstarker Start in die neue Regionalliga-Saison, der Wacker nach einem knappen Saisondrittel sogar vorübergehend bis an die Tabellenspitze brachte. Nach zwei Niederlagen Ende September in Schweinfurt und gegen Fürth II gelangen mit dem 2:1 in Illertissen und dem 1:0 gegen Türkgücü München zwei weitere Siege, seither stehen neun Spiele ohne Dreier mit nur zwei Punkten zu Buche.
Es ist mehr als ein Jahr perfekt gelaufen, jetzt waren eineinhalb Monate schlecht von den Ergebnissen.
"Es ist mehr als ein Jahr perfekt gelaufen, jetzt waren eineinhalb Monate schlecht von den Ergebnissen. Nach dem 1:0 gegen Türkgücü habe ich schon eine gewisse Unzufriedenheit gespürt, weil wir nicht höher gewonnen haben. Aber es war von Anfang an klar, dass für uns jeder Sieg harte Arbeit ist, in den letzten Spielen hatten wir dann auch oft nicht das Glück, dass uns am Anfang hold war und vielleicht die große Erwartungshaltung beflügelt hat. Ich sage nicht, dass ich alles richtig gemacht habe und will auch keine Ausreden suchen, wenn man neun Spiele nicht gewinnt", weiß Berg um die Mechanismen im Geschäft und kann dennoch nicht genau analysieren, warum es zuletzt nicht mehr geklappt hat: "Es gibt im Fußball viele Dinge, die nicht messbar sind. Aber grundsätzlich hatte ich schon das Gefühl, dass sich die Mannschaft entwickelt hat, dass man im Winter an ein paar Stellschrauben drehen hätte müssen, aber ich denke, dass ich die Mannschaft guten Gewissens übergeben kann."
Ich bin dankbar, dass ich beim renommiertesten Verein der Region diese Chance bekommen habe.
Jeweils über vier Jahre hat Berg im Laufe seiner Trainertätigkeit bei seinen Vereinen gearbeitet und dabei zahlreiche Aufstiege gefeiert. Nach Peterskirchen folgten die Stationen beim SV Kirchanschöring, beim SV Erlbach und bei Union Ostermiething, ehe er im Sommer 2023 bei Wacker unterschrieben hat: "Ich bin dankbar, dass ich beim renommiertesten Verein der Region diese Chance bekommen habe. Das war ja unüblich für Wacker auf einen Trainer zu setzen, der nicht Profi war. Es hat mir immer brutalen Spaß gemacht. Und ich will auch nicht sagen, dass mich die Mannschaft im Stich gelassen hat. Ich hätte mir schon eine starke Rückrunde ausgerechnet."
Gestiegene Erwartungshaltung als Knackpunkt?
Dass sein bis zum Saisonende laufender Vertrag nicht im Spätsommer verlängert wurde, hat den Peterskirchner sicherlich etwas leichter angreifbar gemacht, oder war es die gestiegene Erwartungshaltung nach dem starken Saisonstart mit neuem Sponsoren-Engagement und der Zielvorgabe, bis 2030 in das Profigeschäft zurückzukehren? Schwer zu beurteilen, doch Berg will in keiner Weise nachtarocken: "Ich habe mich zu hundert Prozent mit dem Verein identifiziert und mit der Mannschaft. Ich wünsche Burghausen, dass es mit dem Aufstieg in die 3. Liga baldmöglichst klappt. Was im Umfeld möglich ist, hat man ja mit 3.500 Fans am Samstag gegen Vilzing wieder gesehen. Ich gehe davon aus, dass sich der Verein jetzt Schritt für Schritt noch schlagkräftiger aufstellt und nicht erst 2029 sagt, jetzt hauen wir alles rein."
Ich hätte weniger links und rechts schauen und den knallharten Fußball durchziehen können.
Wie viele Spieler aus dem aktuellen Kader überhaupt 3. Liga spielen können, ist auch psychologisch eine Sache, ob Berg einen zwingend verstärkten Aufstiegskader hätte führen können, eine andere. "Als Trainer habe ich mich für alle Spieler verantwortlich gefühlt. Ob ich die Rotation in den Englischen Wochen übertrieben habe, ist schwer zu sagen. Vielleicht hätte ich die Gruppe kleiner halten sollen, was bei der U-23-Regel schwierig war. Ich hätte weniger links und rechts schauen und den knallharten Fußball durchziehen können. Gott sei Dank hatten wir ganz wenige Verletzte, wenn es aber anders gelaufen wäre, hätten wir vielleicht jeden Mann gebraucht, der schon so gut weg war", entgegnet Berg dem Vorwurf, er hätte keine Stammformation etabliert.“
Zeit für die Familie
Vor Sommer nächsten Jahres will sich Berg jetzt erst einmal Frau und Familie widmen, durchschnaufen und die letzten Monate analysieren: "Es ist schade, aber für mich ist das jetzt kein großes Drama, weil ich finanziell unabhängig bin. Ich mache jetzt erst einmal eine Pause und lasse das Revue passieren. Ich habe nicht vor, dass ich im Winter was Neues anfange, es sei denn, es gäbe ein interessantes Angebot. Oder meine Familie sagt, ich würde ihr ohne Fußball auf die Nerven gehen."
Michael Buchholz