Auf der Art Basel Miami Beach: Die Robotisierung der Welt

vor 11 Stunden 2

Elon Musk ist mutiert. Er hoppelt auf vier Beinen über die Messe und sieht aus wie ein Roboterhund, dem man den Kopf des Tesla-Gründers aufgeschraubt hat. Manchmal bleibt er sitzen. Dann schaut es aus, als ob er einen Haufen machte – aber es kommt hinten nur ein Ausdruck der Überwachungsbilder heraus, die eine Kamera vorne schießt. Neben ihm laufen auch Mark Zuckerberg und andere Internetgrößen als Robohunde mit digitaler Überwachungsbildverdauung über die Messe. Ein Exemplar kostet 100.000 Dollar, und jenseits der Frage, ob das gute Kunst ist (Antwort: nein), stehen die Chancen gut, dass diese Arbeit die meistfotografierte der Messe werden könnte.

Beeples neuester Coup

Das liegt auch daran, dass sie von Mike Winkelmann alias Beeple ersonnen wurde: Der Informatiker hatte seit 2007 täglich ein Bild auf der Onlineplattform Tumblr gepostet, „Everyday: The First 5000 Days“ wurde dann vor vier Jahren als NFT bei Christie’s versteigert, der Käufer zahlte in der Kryptowährung Ether eine Summe, die in der echten Welt gut 69 Millionen Euro wert wäre. Danach flaute der Hype um die NFT-Kunst ab, aber mit Trumps Begeisterung für Kryptowährungen und einer neuen Sammlergeneration könnte sich auch an dieser Front etwas tun.

 Beeple hat auch einen Hund wie Warhol und einen weiteren nach seinem eigenen Bild gestaltet.In der Arena mit hündischen Tech-Giganten: Beeple hat auch einen Hund wie Warhol und einen weiteren nach seinem eigenen Bild gestaltet.Art Basel

Die Art Basel Miami Beach hat die Stadt so grundlegend verändert wie nichts zuvor. Miami Beach war ein Art-déco-Museum, in dem kälteflüchtige Rentner, Exilkubaner und verwitterte Don-Johnson-Lookalikes herumsaßen. In den Seitenstraßen war es abends gefährlich. Jetzt sieht es dort so sauber aus wie in der Schweiz. Die Kunst beschert der Region laut Analysten Wirtschaftskraft im Wert einer halben Milliarde Dollar. Vor allem machte sie Miami zu einem der wichtigsten Kunstumschlagplätze der Welt – und weil der US-Markt gut 45 Prozent am Verkaufswert des globalen Kunsthandels ausmacht, schaut der Handel entsprechend nervös, was hier passiert: Verunsichert das Gerede über einen bevorstehenden Crash der KI-Aktien die Käufer?

 Die Art Basel hat Miami Beach verändert.Alles so schön aufgeräumt: Die Art Basel hat Miami Beach verändert.Art Basel

Einerseits ist der globale Kunstmarkt im vergangenen Jahr um zwölf Prozent Umsatz auf geschätzte 57 Milliarden Dollar abgesunken, vor allem das Hochpreissegment lahmte. Andererseits liefen die Herbstauktionen gut, und 57 Milliarden Dollar ist immer noch mehr, als der weltweite Markt in den wilden Tagen der Nullerjahre brachte. Damals mutierte die Kunstwelt zum Partyschiff der globalen Geld- und Promi-Eliten. Bei den ersten Ausgaben der Art Basel in Miami Beach traf man Paris Hilton auf der Suche nach der Party von David LaChapelle in Hotellobbys; Pamela Anderson lehnte auf der Messe arg derangiert gegen einige Skulpturen und musste ins Freie geleitet werden.

Die Preise sind immer noch erstaunlich

Solche Szenen gibt es diesmal nicht, außer dass der Google-Gründer Sergey Brin gesehen wurde, wie er angeblich zu Beeples Musk-Hund in die Manege kletterte und mit ihm sprechen wollte. Die irre Rekordpreisrally der Spekulanten und Art-Flipper scheint vorbei zu sein, aber schon nach dem ersten Messetag gab es Verkäufe in allen Segmenten: David Zwirner meldet die Weitergabe eines abstrakten Gemäldes von Gerhard Richter für 5,5 Millionen Dollar, White Cube brachte Andreas Gurskys Monumentalcollage von Harry Styles mit Fans für 1,2 Millionen an den Mann. Das ist weit weg von den Auktionsrekorden der Zehnerjahre, aber dennoch erstaunlich, und auch im unteren Segment wurde viel verkauft. Die Stimmung ist nicht euphorisch, aber erleichtert.

 Maurizio Cattelans gestürzter amerikanischer Adler aus Carrara-Marmor am Stand der Gagosian GalleryKritik in Weiß: Maurizio Cattelans gestürzter amerikanischer Adler aus Carrara-Marmor am Stand der Gagosian GalleryArt Basel

Die Art Basel Miami Beach, an der diesmal 283 Galerien aus 43 Ländern teilnehmen, ist unterteilt in verschiedene Sektoren, darunter die gelungene, „Meridians“ genannte Monumentalwerkabteilung und „Zero 10“, wo Beeples Roboterköpfe herumgeistern. Vor allem sollten dort die Zukunft der „Digital Art“ und der Einfluss von Digitalisierung und KI auf die Kunstproduktion und Gegenwartsästhetik sichtbar werden, sagt Bridget Finn, die seit 2023 die Messe leitet. Im „Zero 10“ wird auch Kim Asendorfs „Raster und Spektrum“ gezeigt, eine wandhohe Digitalarbeit, die ihre Form jede Sekunde endlos verändert. So kehrt das romantische Motiv der ephemeren, bald auf immer verlorenen Erscheinung ins Digitalzeitalter zurück (145.000 Dollar).

 Standinstallation bei The Modern InstituteIrgendwie immersiv: Standinstallation bei The Modern InstituteArt Basel

Laut einer neuen Umfrage kaufen wohlhabende junge Sammlerinnen mehr Kunst als Männer und mehr Werke von Künstlerinnen. Für sie hat die amerikanische Galerie Yares Art eine wandhohe, aquarellzarte Arbeit von Helen Frankenthaler dabei (4,8 Millionen Dollar). Nebenan steht eine ältere Dame vor einem Kenneth Noland, tätschelt ihrem im Rollstuhl sitzenden Mann zärtlich die Schulter und sagt: „Unser Noland ist besser.“

Landschaften und Witterungen

Max Hetzler hat einen lichten Günther Förg dabei, eine weiße Leinwand mit rechteckigen Farbinseln – angeblich eine Hommage an Francis Bacon, der seine Pinsel immer an der Wand seines Ateliers abstrich (1,8 Millionen Dollar). Wentrup aus Berlin präsentiert Fotografien der 1984 geborenen Russin Anastasia Samoylova; sie ist auf den Spuren von Berenice Abbotts berühmter Reportagereise durch die Vereinigten Staaten gefahren. Eine ihrer Arbeiten ging am ersten Tag für 13.000 Dollar weg.

Neugerriemschneider zeigt eine Themenausstellung zum Wasser. Mit dabei ist eine hypnotische Arbeit von Ho Tzu Nyen, die eine digitale Gewitterwolke über dem glitzernden Meer zeigt. In Uruguay und Miami beheimatet ist Pietro Atchugarry, der eine Entdeckung mitgebracht hat: die 1924 in Berlin geborene Künstlerin Eva Olivetti, die mit ihrer Familie vor den Nationalsozialisten nach Südamerika floh und dort surreale Landschaften mit bleigrauen Sonnen malte (ab 7000 Dollar). Solche Kunst aus Lateinamerika würde man ebenso gern mehr sehen wie die aus afrikanischen Ländern bei Afriart aus Kampala.

 Auftritt der Galerie Thaddaeus RopacMit einem Bild von Alex Katz: Auftritt der Galerie Thaddaeus RopacArt Basel / VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Eine weitere schlechte Arbeit, über die alle reden, findet sich bei Jeffrey Deitch: Die Künstlerin Isabelle Brourman hat ein Nacktporträt der Journalisten Olivia Nuzzi gemalt, die nach der Veröffentlichung eines intimen SMS-Austauschs mit dem amerikanischen Gesundheitsminister Robert F. Kennedy beim „New York Magazine“ wegen Verletzung journalistischer Standards rausgeflogen war.

Politisch interessanter ist der Stand von Cristin Tierney: Die First-Nation-Künstlerin Sara Siestreem, die im kommenden Februar eine Ausstellung im Parrish Art Museum haben wird, zeigt mit einer beeindruckenden Collage aus Farbfeldern und Schwarz-Weiß-Kopien, wie man ein Bild der gemeinsamen Kunstgeschichte von Europäern und Indigenen schaffen kann (75.000 Dollar). Julian Gaines erinnert mit der Heckklappe eines Ford-Trucks, an der zwei US-Fahnen hängen, an einen von Rassisten zu Tode geschleiften schwarzen Jungen.

Im Dschungel der Kunstwoche

Um die Art-Basel-Messe herum ist die Miami Art Week gewachsen, ein Dschungel aus Sammlungspräsentationen und Nebenmessen, darunter die Design Miami. Man muss sie sich ein bisschen wie einen Ikea für Superreiche vorstellen. An jedem dritten Stand steht, man könne hier eine „immersive“ Erfahrung machen. Atra und Morphus versprechen ein „immersives Erlebnis zwischen dem Gemessenen und dem Intuitiven“, ein milde lächelnder Herr bittet Kunden auf ein Sofa mit Namen „Solaris“, das unangenehm vibriert. Das tue es, weil es seinen Benutzer dank Biohacking heile, raunt der Verkäufer und macht ein sehr bedeutungsvolles Gesicht. Schnell weiter: Am Stand von Gagosian thront der heilsam schöne Nachbau einer auf Marmorsäulen ruhenden massiven Holzbank aus der berühmten Casa Malaparte auf Capri (Edition von zwölf, 65.000 Dollar).

Larry Gagosian ist auf beiden Messen vertreten; auf der Art Basel Miami zeigt er einen abgestürzten amerikanischen Adler, den Bananen-Guru Maurizio Cattelan dort als Kritik an Trumpland installiert hat. Auf der Untitled-Messe ist der gleiche platte Einfall bei der Galerie Curro deutlich billiger zu haben.

 die Künstlerin Nike Davies-Okundaye aus Nigeria auf der Art Basel Miami BeachVor ihren Werken: die Künstlerin Nike Davies-Okundaye aus Nigeria auf der Art Basel Miami BeachAP/ Lynne Sladky

Die von dem Messeunternehmer Jeffrey Lawson organisierte Untitled hat vor allem den Vorteil, dass sie in Zelten direkt am South Beach stattfindet. Ansonsten hat sie keinen guten Ruf: Was man dort sehe, sagte beim „Vanity Fair“-Empfang ein Sammler, sei Kunst für Leute, die sonst auf Bootsmessen gehen. Aber auch hier sind Entdeckungen zu machen: Chiostro zeigt Zeichnungen des Utopikers Ugo La Pietra aus den Siebzigern (ab 6000 Dollar); Latinou präsentiert den drastischsten Schocker zum Thema „Der Mensch im Zeitalter der Robotisierung“, nämlich einen abgerissenen Roboterarm von Chavis Marmol, der den blutigen Knochen eines Lebewesens festhält. So kann es gehen, wenn man nicht aufpasst bei der Robotisierung der Welt.

Bilder eines geteilten Landes

Am Morgen zeigt sich am Strand von South Beach das geteilte Amerika: Ein Obdachloser schläft im Sand, nicht weit von ihm sitzen ein paar Kunstwelt-Esoteriker im Schneidersitz und öffnen die Arme und bewegen sich sehr immersiv. Im Andenkenladen drapiert eine Frau echte Alligatorenköpfe (16,99 Dollar das Stück), im News Café wird diskutiert, warum die Galerien Pace und Di Donna zusammengehen und was eigentlich Leonardo DiCaprio jetzt ohne seine Kunstberaterin Lisa Schiff macht, die wegen Betrugs zu zwanzig Monaten Haft verurteilt wurde. Dann fährt ein autonomer Lieferroboter den Bürgersteig entlang, und man schaut zweimal, ob nicht der Kopf von Elon Musk daran klebt.

Dann werden erstmals die Awards verliehen: Beste Nachwuchskünstlerin ist Meriem Bennani, beste Kuratorin Can­dice Hopkins, beste Künstler sind die in Berlin lebende Nairy Baghramian und der neuerdings in der „Power 100“-Liste von „Art Review“ als wichtigster Künstler der Gegenwart geführte Ibrahim Mahama.

Art Basel Miami Beach, Convention Center, bis 7. Dezember, Eintritt 88 Dollar

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