Nach wochenlangem Streit in der Koalition, mehreren Überzeugungsrunden mit jungen Abgeordneten in der Unionsfraktion und Zwischenrufen aus Wissenschaft und Wirtschaft hat der Bundestag am Freitag das Rentenpaket der Koalition verabschiedet. Die Folgekosten dieses Beschlusses werden sich über die kommenden Jahrzehnte auf Hunderte Milliarden Euro summieren – und Auswirkungen auf alle Generationen haben.
Warum verursacht das Rentenpaket zusätzliche Kosten?
Der Bundestag hat ein Paket aus drei Gesetzentwürfen beschlossen: Es koppelt die Entwicklung der Renten weiter an den Anstieg der Löhne, erhöht durch eine Ausweitung der Mütterrente die Renten für Frauen mit älteren Kindern, stärkt Betriebsrenten und verschafft Menschen im Rentenalter einen Steuerbonus, wenn sie als Beschäftigte weiterarbeiten. Allein die Stabilisierung des Rentenniveaus (die sogenannte Haltelinie) und die Ausweitung der Mütterrente kosten bis 2040 etwa 200 Milliarden Euro. Und das in einer Zeit, in der Deutschland ohnehin mit einer alternden Bevölkerung umgehen muss: Große Jahrgänge gehen die kommenden Jahre in Rente, junge, kleinere Jahrgänge rücken ins Berufsleben nach. Aller Voraussicht nach müssen weniger Beschäftigte mehr Rentnerinnen und Rentner finanzieren über ihre Sozialbeiträge und Steuern.
Konkret heißt das: Die Beschäftigten und deren Arbeitgeber müssen künftig einen immer höheren Anteil des Lohnes an die Rentenkasse abführen.
Derzeit gehen 18,6 Prozent ab, laut Gesetzentwurf werden es 2030 bereits 20 Prozent sein, 2035 dann 21,2. Was bedeutet das, wenn man ein typisches Arbeitsleben als Beispiel nimmt? Wer mindestens 45 Jahre in der Rentenkasse versichert war, erhielt Stand 2024 im Durchschnitt eine Rente von 1668 Euro, wer mindestens 40 Jahre dabei war 1566 Euro. Wer nur 35 Jahre versichert war, etwa Frauen, die Kinder erzogen haben, bekam 1501 Euro im Monat überwiesen, jeweils nach Abzug von Sozialbeiträgen aber vor Steuern.
Was bedeuten die jetzigen Beschlüsse für Jüngere?
Die höheren Beiträge an die Rentenkasse müssten die Jüngeren wegen der Alterung sowieso schultern, auch ohne Rentenpaket. Die Kosten der neuen Beschlüsse kommen jetzt noch dazu. Allerdings werden sie nicht über die Beiträge zur Rentenkasse finanziert, sondern über den Bundeshaushalt. Das heißt, die Bundesregierung muss einen steigenden Anteil ihres Haushalts für die Rente ausgeben. Die Folge: Entweder die Schulden wachsen und damit die Ausgaben für Zinsen und Tilgung, oder es kann weniger Geld ausgegeben werden für andere Aufgaben wie Verteidigung, Klimaschutz oder Digitalisierung. Oder es müssen die Steuern erhöht werden.
Das heißt, der finanzielle Spielraum des Staates für die jüngeren Generationen wird enger oder aber die Jüngeren müssen neben höheren Sozialausgaben zusätzlich höhere Steuern bezahlen. Oder alles zusammen. Hier lag der Streitpunkt mit den jungen Unionsabgeordneten: Sie kritisierten, dass auch nach dem Jahr 2031 höhere Kosten für den Haushalt entstehen, weil die Rentenerhöhungen auf dem dann erreichten, höheren Niveau weitergehen.
Erschwerend kommt hinzu: Rentner zahlen zwar auch Steuern, doch die Hauptlast tragen die Erwerbstätigen und andere Steuerzahler. Die geplante „Aktivrente“ dürfte die Steuerlast der Ruheständler zudem verringern, weil sie dann 2000 Euro pro Monat steuerfrei verdienen dürfen.
2026 kommt die nächste Rentenreform – was ist zu erwarten?
Das ist jetzt die spannende Frage, hier kommt es auf den politischen Willen der Bundesregierung an. Sowohl Union als auch SPD haben mit vielen Worten Bereitschaft zu grundlegenden Reformen signalisiert, die die Altersvorsorge stabil und fair aufstellen sollen. Noch im Dezember will die Regierung deshalb eine Rentenkommission einsetzen.
Fachleute und Politiker sollen zusammen Vorschläge für die entscheidenden Fragen erarbeiten: Sollen die Menschen länger arbeiten müssen bis zur Rente? Sollen die Renten nach dem Auslaufen der Haltelinie 2031 langsamer steigen als die Löhne? Soll der Staat Menschen mit kleiner Rente stärker unterstützen? Soll man auch Kapital- und Mieteinkünfte zur Finanzierung der Renten heranziehen – und auch Beamte und Selbständige in die Rentenkasse einzahlen lassen? Die Debatten der vergangenen Wochen haben bereits gezeigt: Die nachhaltige Rentenreform stellen sich die Koalitionspartner sehr unterschiedlich vor. Im Kern geht es um zwei Fragen: Wer zahlt für die höheren Rentenausgaben? Und wie wirkt sich diese Entscheidung auf Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze aus?
Worin besteht das Risiko für jüngere Generationen?
Die größte Gefahr für jüngere Menschen droht, wenn die zweite umfassende Rentenreform kommendes Jahr trotz Kommissionsvorschlägen platzen sollte. Dann müssten die Jüngeren wie beschrieben mit höheren Beiträgen zur Rentenkasse und wachsenden Rentenausgaben im Bundeshaushalt zurechtkommen, würden aber kaum entlastet oder unterstützt. Die Kosten der Alterung würden dann vor allem bei den Jüngeren abgeladen.
Hinzu kommt: Junge Menschen sind mehr als bisher gefordert, zusätzlich zur gesetzlichen Rente privat vorzusorgen, wenn sie im Alter gut durch den Monat kommen wollen. Das heißt, sie müssen zusätzlich Geld zur Seite legen. Der geplante Ausbau der Betriebsrenten und die geplante Frühstartrente mit einem staatlichen Startkapital für Schüler werden nicht reichen.
Sollte man jetzt überhaupt noch vorsorgen?
Unbedingt, wenn man nicht ein Leben auf Bürgergeld-Niveau anstreben will. Trotz der heftigen Debatte sollte man nicht vergessen: Die gesetzliche Rente ist immer noch die wichtigste Geldquelle im Alter und sichert Millionen Ruheständler gegen Armut ab. Allerdings wird zusätzliche Vorsorge neben der Rente immer wichtiger.
Derzeit sparen fast zwei Drittel der Menschen für eine zusätzliche Altersvorsorge in Form einer Betriebsrente oder eines Riestervertrags – oder sie haben beides. Fachleute und Politik sind sich einig, dass dieser Anteil wachsen muss, wenn die Menschen im Rentenalter vor Armut geschützt sein sollen und wenigstens einigermaßen ihren Lebensstandard halten wollen. Die zusätzliche Vorsorge lohnt sich auch dann, wenn man später einmal nur eine kleine Rente erhält und deshalb auf Grundsicherung im Alter, das Bürgergeld für Rentner, angewiesen ist. Denn Renten und Pensionen jeder Art, auch eine Riesterrente, werden bis 100 Euro im Monat nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Was darüber hinausgeht, kommt zu 30 Prozent beim Bedürftigen an. Hilfreich ist außerdem eine Eigentumswohnung oder ein Haus, das man im Alter selbst bewohnen kann. Viele Seniorinnen und Senioren sind in den vergangenen Jahren durch die oft steil steigenden Mieten in Schwierigkeiten geraten, dieses Risiko fällt mit einer eigenen Immobilie weg, und die Miete ohnehin. Fachleute bringen die Lage so auf den Punkt: Altersarmut ist Mieterarmut.
Wie viel Geld sollte ich zurücklegen, wenn ich im Alter meinen Lebensstandard halten möchte?
Die Antwort darauf ist so individuell wie der eigene Lebenslauf. Vielleicht macht man sich selbständig oder nimmt eine Auszeit, vielleicht erbt man ein Vermögen, oder die Steuern steigen. Eine gute Orientierung bietet die Faustregel des Verbraucherschutzportals Finanztipp: Man sollte im Alter 80 Prozent des letzten Nettolohns an Einnahmen erzielen, um den Lebensstandard zu halten. Finanztip hatte Anfang dieses Jahres 900 Szenarien durchgerechnet und nennt Leitwerte. Wer 30 Jahre alt ist und kein eigenes Vermögen hat, sollte neben den Rentenbeiträgen gut 15 Prozent seines Nettoverdiensts fürs Alter zur Seite legen. Wer jünger ist, kann weniger sparen, wer älter ist, muss mehr abzweigen.
Ein 20-jähriger Beschäftigter mit einem Jahresgehalt von brutto 30 000 Euro müsste demnach monatlich 192 Euro sparen. Eine 30-Jährige mit demselben Gehalt müsste bereits 296 Euro zurücklegen. Beginnt man erst mit 35 Jahren mit der Altersvorsorge, dann beispielsweise mit einem Jahresbruttogehalt von 60 000 Euro, werden bereits 609 Euro fällig – fast 20 Prozent des Nettogehalts.
Zentral ist, wie man das Geld angelegt. Verbraucherschützer raten dazu, das Geld in breit streuende Aktien-ETFs anzulegen, sie bringen erfahrungsgemäß deutlich mehr Rendite als Tagesgeldkonten, private Rentenversicherungen oder Aktienfonds, die teuer bezahlte Fachleute managen. Und man sollte so früh wie möglich anfangen, auch wenn nur kleine Beträge möglich sind, damit das Vermögen durch Zins und Zinseszins wachsen kann. Auf die Politik wartet man demnach besser nicht, auch nicht auf eine Rentenreform, die nächstes Jahr kommt – oder auch nicht.











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