"Als Stürmer weiß man, was Stürmer denken": Aubstadts Nickel überrascht in neuen Rollen

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Der TSV Aubstadt ist in die Erfolgsspur zurückgekehrt. Mit ein Grund dafür: Kreative Lösungen des Trainerteams - wie das Beispiel Marco Nickel zeigt.

Marco Nickel kann nicht nur in vorderster Front spielen.

Marco Nickel kann nicht nur in vorderster Front spielen. IMAGO/Frank Scheuring

Beim TSV Aubstadt ist kurz vor Advent die Welt in Ordnung. Wieder, weil sie nach dem Exodus von 13 Spielern nach der letzten Saison - der erfolgreichsten als Vierter in der Vereinsgeschichte - ziemlich in Unordnung geraten schien und die Gründe nicht transparent gemacht wurden.

Die zwölf Neuverpflichtungen ließen qualitativ viele Fragen offen. Chef-Trainer Julian Grell und sein Mitarbeiterstab standen vor einer Herkules-Aufgabe, wie auch die drei Niederlagen in Serie zum Saisonstart bestätigten. Doch im vierten Spiel, dem 2:1 gegen Türkgücü München durch ein Tor von Max Grimm in der 95. Minute, deutete sich die mögliche Wende an. "Gebt uns noch etwas Zeit", bat Grell um Geduld, "so ein Zusammenbau eines neuen Teams geht nicht von heute auf morgen. Die Jungs haben Qualität." Und er legte immer wieder im Merkel-Jargon nach: "Wir schaffen das."

Verschworene Gemeinschaft

Trotz mehrfach verschossener Elfmeter, trotz Latte und Pfosten und langzeitverletzter Stammspieler schaffte der TSV Aubstadt das, was ihm in seiner erfolgreichsten Zeit auch oft gelungen war: Punktgewinne gegen die Top-Teams der Liga: Unentschieden gegen den 1. FC Nürnberg II, den FC Bayern München II, die SpVgg Bayreuth und Meister Würzburger Kickers sowie ein Sieg gegen den Tabellenführer FC Schweinfurt 05. Aber halt auch sieben Unentschieden, "bei denen, wenn man so zurückschaut", so Julian Grell, "mit ein bisschen weniger Pech und mehr Routine zehn Punkte mehr da sein könnten."

Der zusammengewürfelte Haufen hat sich inzwischen zu einer verschworenen Gemeinschaft mit einer gewissen Resilienz entwickelt. Gab es in der ersten Vorrunden-Hälfte noch Knackpunkte im Spiel, die Grell mit "Stecker gezogen" beschrieb, so steckt seine Mannschaft inzwischen sowohl Rückschläge im Lauf eines Spiels wie auch unnötige Punktverluste weg. Solche gab es vorwiegend gegen Teams aus der hinteren Tabellenhälfte, in Ansbach, gegen Aschaffenburg oder gegen Hankofen/Hailing. "Man darf Fehler machen, muss nur daraus lernen und sofort wieder aufstehen", lautet Grells Credo.

Acht Spieler fehlen

Was macht diesen TSV Aubstadt 2024/25 noch so stark, dass er sich sukzessive vom Tabellenende über die Abstiegs- und Relegationsplätze bis hinauf auf Rang 8 verbessert hat? Immerhin fehlen derzeit acht mögliche Stammspieler. Und wann immer der nächste ausfällt, zaubert das Trainerteam, ein befreundetes, harmonisches Quintett, eine neue Lösung hervor. Eine davon besteht darin, die Bereitschaft und Qualität der Spieler zum flexiblen Einsatz abzufragen. Ein Paradebeispiel ist Marco Nickel. Der gelernte Mittelstürmer bewährte sich in den letzten Wochen zunächst, als beide Innenverteidiger ausfielen, in deren Rolle. Kopfballstark und ballsicher ist er, "und als Stürmer weiß man, was Stürmer denken", so sein Argument. "Es geht schließlich nicht um mich und meine Torquote, sondern um die Mannschaft."

Inzwischen wurde er auch erfolgreich auf die Einzel-6 und als Abräumer im defensiven Mittelfeld verschoben. Und selber im Sturmzentrum ersetzt von Max Grimm. Der 21-jährige Thüringer war bei seinem Heimatverein FC Carl-Zeiss Jena in der Regionalliga Nordost im Frühjahr kaum noch zum Zug gekommen. Nach nur einem Tor in 50 Regionalliga-Einsätzen war die Karriere des gelernten Mittelstürmers etwas ins Stocken geraten. Dann folgte er dem Ruf einer neuen Umgebung, um in Aubstadt einen neuen Anlauf zu nehmen. Wobei er sich zunächst schwertat, mittlerweile zu einer festen Größe in Grells Team geworden ist: In 20 Einsätzen an 21 Spieltagen, durchschnittlich für 56,8 Minuten im Einsatz, sammelte er sechs Tore.

Beim Rückspiel vergangenen Samstag bei Türkgücü München (3:1) schlug Grimm wieder zu, war mit dem 1:0 der Türöffner - mit einem 30-Meter-Schuss. "Als ich keine Anspielstation fand, habe ich einfach mal drauf gehalten." Nickels Tordrang als Sechser führte übrigens zum 3:0, ebenfalls seinem sechsten Treffer. Sollten es die Platzverhältnisse in Aubstadt zulassen und gegen Schwaben Augsburg gespielt werden (Hinspiel 2:0), könnte Aubstadt  die nur acht Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz bei zwei mehr ausgetragenen Spielen vergrößern, die 30-Punkte-Marke knacken - und die Welt wäre noch mehr in Ordnung.

Rudi Dümpert

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