Wenn ich bei großen Turnieren auf die Bühne gehe, bin ich immer ein bisschen nervös. Im Publikum sitzen Tausende Leute, die mir zuschauen. Und in der Halle wird mein Name durchgesagt. Ich versuche, all das auszublenden. Ich gehe einfach zu meinem Platz, setze die Kopfhörer auf und warte darauf, dass es losgeht.
Die Turniere, bei denen ich mitmache, gehören zu den Pokémon-Videospiel-Meisterschaften. Dort kämpft man mit den Pokémon, die man in den Games zu Hause gefangen hat, gegen die Pokémon anderer Spieler. Gespielt wird auf der Nintendo Switch. Man darf vier seiner Pokémon in einen Kampf mitnehmen. Die Kämpfe sind rundenbasiert. Das heißt, dass man sich mit seinem Gegner abwechselt. Für einen Zug hat man 90 Sekunden. In dieser Zeit kann man zwei seiner Pokémon jeweils einmal angreifen lassen. Wer zuerst alle Pokémon des Gegners ausgeschaltet hat, gewinnt ein Spiel. Und wer zuerst zwei Spiele holt, hat ein Match gewonnen. Meistens dauert ein Match 20 bis 30 Minuten.
Ich bin durch meinen großen Bruder zum Pokémon-Spielen gekommen. Er macht auch bei Turnieren mit, spielt aber in einer Altersklasse über mir. Meine Schwester interessiert sich überhaupt nicht dafür. Sie freut sich aber immer über die Kuscheltiere, die mein Bruder und ich von den Turnieren mitbringen.
Als ich die Pokémon-Kämpfe zum ersten Mal ausprobiert habe, haben sie mir sofort Spaß gemacht. Mir gefällt, dass sie so taktisch sind. Es gibt Hunderte Pokémon mit unterschiedlichen Typen, Stärken, Schwächen und Attacken. Wichtig ist, ein ausgeglichenes Team zusammenzustellen. Feuer-Pokémon sind gut gegen Pflanzen-Pokémon. Wasser-Pokémon sind gut gegen Feuer-Pokémon. Und so weiter. Man sollte möglichst viele Pokémon und ihre Eigenschaften kennen, wenn man gewinnen will. So kann man besser vorhersehen, was der Gegner vorhat.

Bei Turnieren gewinnt Fabian nicht nur Preisgeld, sondern auch besondere Pokémon-Karten.
Foto: Julia Steinigeweg / DEIN SPIEGELAm Anfang habe ich nur online gegen andere Spieler gekämpft. Vor drei Jahren machte ich zum ersten Mal bei einem Turnier mit, der Regionalmeisterschaft in Bremen. Dort habe ich gut abgeschnitten, also wollte ich häufiger an Turnieren teilnehmen.
Mein erstes großes Turnier war die Europameisterschaft 2023 in London. Damals war ich noch nicht so gut, ich habe fast alle Spiele verloren. Im Jahr darauf lief es besser: Ich gewann meinen ersten großen Titel, die Lateinamerika-Meisterschaft in Brasilien.
Ein Jahr später war ich wieder bei der Europameisterschaft in London dabei. Und dieses Mal schaffte ich es bis ins Finale. Ich traf dort auf Ismael, einen Spieler aus Frankreich. Ismael und ich kannten uns schon von anderen Turnieren, wir sind gut miteinander befreundet.

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Wenn man bei großen Turnieren die Bühne betritt, ist alles für einen vorbereitet. Man spielt nicht mit seiner eigenen Switch, sondern meldet sein Pokémon-Team bei der Turnierleitung an. Sie richtet dann jedem Spieler eine Konsole auf der Bühne ein und überprüft, dass niemand die Werte seiner Pokémon verändert oder sonst wie geschummelt hat.
Die Bildschirme sind meist so ausgerichtet, dass wir seitlich zum Publikum sitzen. Vor uns stehen Kameras. Die Turniere werden im Livestream bei YouTube und Twitch gezeigt. Wir haben Kopfhörer auf, die alle Geräusche um uns herum ausblenden. Sonst könnten wir hören, was die Kommentatoren in der Halle erzählen. Dann wüssten wir, was der Gegner vorhat.
Das EM-Finale gegen Ismael war sehr aufregend. In meinem Pokémon-Team waren Iron Hands, Smogmog, Urshifu und mein Lieblings-Pokémon, Calyrex. Im Publikum saßen Tausende Menschen. Ich habe mich einfach nur auf mein Spiel konzentriert – und konnte das Match am Ende gewinnen.

Gewonnen! Fabian feiert seinen Sieg bei der Europameisterschaft. Sie fand im Februar in London statt.
Foto: Robert PaulIm ersten Moment habe ich gar nicht begriffen, was gerade passiert war. In der Halle wurde es auf einmal laut, weil alle geklatscht haben. Meine Eltern und Geschwister jubelten mir zu. Und Ismael kam zum Gratulieren zu mir rüber. Erst dann wurde mir klar, dass ich gerade Europameister geworden bin. Das war ein cooles Gefühl.
Ich mache nicht bei allen Wettbewerben mit, aber bei so vielen wie möglich. In der Woche vor einem großen Turnier trainiere ich bis zu fünf Stunden am Tag. Aber nicht auf der Switch, sondern am Computer. Dort gibt es eine App namens »Pokémon Showdown«, in der alle Pokémon ausprobiert werden können. Es geht dort nur darum, das Kämpfen zu üben. Bei Turnieren ist die App nicht erlaubt, da muss man mit den Pokémon antreten, die man selbst auf der Switch gefangen hat.
Ansonsten spiele ich gar nicht so viel. Ich bin mehrmals die Woche beim Fußballtraining und treffe mich mit Freunden. Ihnen ist es nicht so wichtig, dass ich gut in »Pokémon« bin. Auch in der Schule ist das kein großes Thema. Meine Lehrer wissen aber Bescheid, weil ich manchmal schulfrei bekommen muss, um rechtzeitig zu einem Turnier fliegen zu können. Die meisten großen Turniere finden freitags bis sonntags statt, sodass wir schon am Donnerstag losmüssen. Wenn es geht, verbinden wir die Reisen mit längeren Familienurlauben.
Bei den Turnieren gibt es viel zu gewinnen: Pokale, Medaillen, einzigartige Pokémon-Karten und Preisgeld. Ich habe schon mehrere Tausend Dollar gewonnen. Wir geben fast alles davon für die Flüge und Unterkünfte aus. Sonst könnten wir uns die vielen Reisen gar nicht leisten.
Die Pokémon Company übernimmt auch einen Teil der Kosten. Aber nur, wenn man in der europäischen Rangliste weit oben steht. Ich stehe zurzeit auf Platz drei. Das ist hoch genug, um eine Einladung zur Weltmeisterschaft zu bekommen. Bei der im vorigen Jahr habe ich es auf den achten Platz geschafft. Das war in Honolulu auf Hawaii. In diesem Jahr findet die Weltmeisterschaft in Kalifornien statt. Im August geht sie los. Und ich werde wieder dabei sein.
Dieser Artikel erschien in DEIN SPIEGEL 08/25.

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