Zahlen, bitte! 16 Striche für bundesdeutsches E-Government

vor 12 Stunden 1

Deutschland hat zum ersten Mal ein eigenständiges Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung mit einem großzügigen Zuschnitt und weitreichenden Vollmachten, geführt von einem CDU-Politiker: Kurz nach seinem Amtsantritt trat der Manager Karsten Wildberger in die Partei ein, die ihn berufen hatte. Sein Anspruch, "Deutschland zur treibenden Kraft der Digitalisierung in Europa zu machen", eilte ihm gewissermaßen sogar voraus. Noch vor der Bildung der Großen Koalition, aber nach dem Bruch der Ampelkoalition im November hatte eine Werbeagentur das Digitalwappen Deutschlands vorgestellt, mit dem das neue Ministerium seinen Auftritt schmückt. Ein Blick zurück auf die Digitalisierung in Deutschland mit einigen bemerkenswerten Zahlen.

Ganz unten auf der Homepage des neuen Ministeriums für Digitalisierung und Staatsmodernisierung (BMDS) findet sich das ebenfalls noch recht neue Digitalwappen, ein aus 16 Strichen zusammengesetzter Bundesadler. Die 16 steht für die deutschen Bundesländer, denn auch diese und natürlich die Kommunen tragen die Digitalisierung und die Modernisierung der Verwaltung mit. Den Takt soll dabei Karsten Wildberger vorgeben, ehemals Manager des Handelskonzerns Ceconomy und Vizepräsident des Wirtschaftsrates der CDU.

Karsten Wildberger (*5. September 1969 in Gießen) ist der erste Bundesminister des am 6. Mai 2025 neu geschaffenen Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung.

(Bild: CC BY-SA 4.0, Martin Rulsch, Wikimedia Commons)

Wie weit ihm seine neue Partei, die CDU, bei der Digitalisierung freie Hand lässt, ist eine spannende Frage. Mit Zahlen und konkreten Zielen, die der neue IT-Wumms verfolgt, können wir freilich noch nicht dienen. Aber es gibt Vorläufer.

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Den Einstieg der CDU in die Digitalisierung lässt sich technisch an der Frage des Breitbandnetzes festmachen, das Anfang der 1980er von der SPD-geführten Bundesregierung unter Schmidt über eine Zeitspanne von 30 Jahren geplant war. Allerdings gewann die CDU/CSU die Wahlen und stoppte diese Planungen. Legendär wurde eine Talkshow im Bundestagswahlkampf 1994, in der Kanzlerkandidat Helmut Kohl vom TV-Moderator Hans Meiser auf das Thema "Datenautobahnen" angesprochen wurde und einen besseren Ausbau der Straßen für Deutschlands Autofahrer versprach.

Kohl machte indes schnell wieder Boden gut, als er seinen Parteifreund Jürgen Rüttgers als Superminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie berief. Rüttgers war zuvor Vorsitzender der Enquete-Kommission "Technikfolgenabschätzung und -bewertung", die sich mit den neuen Technologien befasste und wurde schnell als "Zukunftsminister" hochgelobt.

Seine technologische Großtat war jedoch nicht der Ausbau der Datennetze, sondern das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz (IuKDG). Mit dem Multimediagesetz sollte Deutschland "weltweit Schrittmacher in der Zukunftswerkstatt Multimedia" werden, erklärte Rüttgers. Mit dem Gesetzespaket war Deutschland Vorreiter bei der digitalen Signatur als Ersatz für die Unterschrift auf Papier, doch die wurde eher zögerlich angenommen. Zu den Zahlen: Der gesamte Etat des Zukunftsministers belief sich im ersten vollen Jahr (1995) auf 15,8 Milliarden DM, wovon Rüttgers versprach, eine Milliarde für die Informationstechnik bereitzustellen.

Besonders die Förderung von Telearbeitsplätzen hatte es ihm angetan, durch die der Autoverkehr um drei bis vier Milliarden Kilometer reduziert werden sollte, bei bis zu 80.000 Tele-Arbeitenden im ganzen Land, die maximal 15 Km bis zum nächsten "Telehaus" fahren sollten.

Das Logo der neuen digitalen Dachmarke für Länder-Bund-übergreifende digitale Angebote. Der digitale Bundesadler soll bei übergreifenden Angeboten wie etwa dem Deutschlandticket zum Tragen kommen und besteht aus 16 einzelnen Elementen, deren Anzahl für die Bundesländer steht, während die schwarz-rot-goldene Farbgebung die Verbindung zum Bund darstellen soll.

(Bild: Bundesregierung)

Rüttgers kündigte zudem einen Forschungsrat zur Zukunft des Internets an. Aus diesem Vorhaben wurde schließlich die Enquete-Kommission "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft", die von Ende 1995 bis Mitte 1998 tagte und mit der christlichen Warnung (Matth 24,2) startete: "Kein Stein wird auf dem anderen bleiben!" Ganz so schlimm kam es für die angestrebten "Perspektiven auf die Informationsgesellschaft" nicht, wie der Abschlussbericht zeigt (PDF), in dem es vor allem um die angestrebte Akzeptanz der neuen Technologien geht. Nüchtern konstatiert der Bericht: "Die Informationswirtschaft wird aller Voraussicht nach der größte und wohl auch einzige Wachstumsmarkt sein."

In einem Sondervotum forderte das Bündnis 90/Die Grünen unter Berufung auf die c't die Abschaffung der prohibitiven Zugangskosten. Die Zahlen: wer das Internet nutzte, zahlte durchschnittlich 500 DM im Monat, wovon 35 DM auf den Internet-Provider entfielen und 435 DM an die Telekom, wenn es keinen Ortsnetz-Zugang gab.

Im Nachgang stellt sich heraus, dass der damalige SPD-Chef Gerhard Schröder auf den Wachstumsmarkt besser als Rüttgers reagierte: Er kündigte auf der CeBIT anno 2000 eine Offensive für Informationskompetenz an, bei der ausländische IT-Fachkräfte mit einer "Greencard" ins Land geholt werden sollten. Auch hier ist es interessant, auf die Zahlen zu schauen: mit 13.300 Green Cards war die Aktion ziemlich erfolglos, der Bedarf war laut Branchenverband Bitkom viermal so hoch.

Doch Schröder hatte mit ihr gepunktet. Denn nach dieser PR-Aktion auf der CeBIT erklärte Rüttgers, nunmehr nordrhein-westfälischer Spitzenkandidat, die Prioritäten: "Statt Inder an die Computer müssen unsere Kinder an die Computer". Unter der denkbar ungeschickten Verkürzung seiner PR-Strategen zu "Kinder statt Inder" konnte die CDU-Kampagne gar kein Land gewinnen. Deutschland war damals ein weltoffenes Land -- und ziemlich hip: Unter Kanzler Schröder wurde die Kampagne "Deutschland schreibt sich mit de" gestartet, mit der die Internet-Nutzung angekurbelt werden sollte. Dabei mutierte der Bundesadler zum ersten Mal zu einem Digitalwappen, Findulin genannt. Die "blaue Bundeskrähe" war nicht sonderlich erfolgreich.

Digitaler Bundesadler "Findulin" in einer für die 2000er Jahre recht typischen 3D-Darstellung. Der Name wurde in einem Wettbewerb ermittelt – eingereicht von einem damals elfjährigen Mädchen aus Schwäbisch Gmünd. Getauft wurde der Adler auf der CeBIT 2001 durch Gerhard Schröder.

(Bild: Bundesregierung)

Wie war das noch, mit keinem Stein, der auf dem anderen bleiben soll? Wir überspringen Jahre unter Merkel, die bereits in einem Missing Link tiefergehend thematisiert wurden und damit auch den einstmaligen Minister für Internet und Verkehr Alexander Dobrindt, der heute die politische Oberaufsicht über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat. Damit landen wir prompt bei einem Digitalexperten, der sich für die Losung "kein Stein, der auf dem anderen bleibt" richtig begeisterte.

Es ist Lars Klingbeil, der über die nächste Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" schwärmte und sie als Bollwerk gegen den "Überraschungserfolg der Piratenpartei" wertete. Sie tagte von Mai 2010 bis April 2013, betonte das Prinzip der Netzneutralität und der Privatkopie. Sie forderte parteiübergreifend die Berufung eines Staatsministers für die Digitalisierung. Klingbeil lobte zum Abschluss der Kommissionsarbeit die Experimente mit der Online-Beteiligung der Bürger.

Heute ist er Finanzminister und Vizekanzler und muss den Geld-Wumms freigeben, den sein Kabinetts-Kollege Wildberger benötigt, um die immer noch nötige digitale Transformation in Angriff nehmen zu können. Wir sind gespannt, wie die Zahlen aussehen.

(mawi)

Gesamten Artikel lesen