Ob leichte Hüttenwanderung oder anspruchsvolle Gipfelbesteigung: Wenn Sie eine Tour in den Bergen planen, müssen Sie immer drei Faktoren beachten. Erstens: Faktor Mensch. Wie fit bin ich? Was kann ich? Welche Erfahrung bringe ich mit? Zweitens: Faktor Gelände. Welche objektiven Schwierigkeiten hat die Tour? Und drittens: Faktor Verhältnisse. Wie wird das Wetter? Vermeintlich leichte Touren können bei Nässe, Nebel, Gewitter oder Hitze schwierig bis lebensgefährlich werden.
Vor allem Extremwetter und seine Folge sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Kürzlich mussten nach schweren Unwettern mit Murgängen und Erdrutschen zwei Tiroler Berghütten evakuiert werden, weil ein Abstieg zu unsicher war. Der Deutsche Alpenverein (DAV) beobachtet in den Bergen eine Zunahme von Naturgefahren durch den Klimawandel, auf die Wanderinnen und Wanderer sich einstellen müssen.
Bergstürze, Schlammlawinen, Erdrutsche: Tödlich, aber selten
Wenn der Berg ins Tal stürzt, rollt oder fließt, entsteht eine Schneise der Verwüstung. Im besten Fall steht nichts im Weg, im schlimmsten Fall werden ganze Orte begraben, wie das Schweizer Bergdorf Blatten im Wallis. Kurze Differenzierung:
• Ein Bergsturz meint den plötzlichen Abbruch großer Fels- und Schuttmassen, ausgelöst durch tektonische Spannungen, Erdbeben oder das Auftauen von Permafrost, der das Gestein wie ein Bindemittel zusammenhält, oft in Verbindung mit Extremwetterereignissen.
• Bei einem Erdrutsch lösen sich Erd- und Gesteinsmassen und gleiten nach unten, ausgelöst durch anhaltende Nässe, die das Erdreich unstabil macht.
• Ein Murgang ist ein reißender Strom aus Schlamm, Gesteinsmaterial und Wasser, der schnell wie eine Lawine zu Tale fließt. Auslöser ist meist Starkregen.
Diese drei Phänomene haben gemein, dass sie zwar tendenziell häufiger vorkommen, aber immer noch relativ selten sind. Jedenfalls zählen sie nicht zu den alpinen Gefahren, mit denen sich Wanderer vor jeder Tour auseinandersetzen müssen.
Große Bergstürze lassen sich manchmal vorhersagen, die Behörden reagieren entsprechend und sperren Gebiete. Murgänge sind häufiger, weil sich Unwetterzellen mit Starkregen aber nicht punktgenau lokalisieren lassen, ist es praktisch unmöglich zu sagen, wo eine solche Schlammlawine abgehen wird, wie der Meteorologe und Alpinist Gerhard Hohenwarter erklärt. »Davor kann ich mich nicht schützen.«
Nur eins kann man tun: Bei angekündigten Unwettern mit Starkregen gar nicht erst aufbrechen oder auf jeden Fall rechtzeitig im Tal oder auf der Hütte sein.
Wärmegewitter: Lebensgefahr an schönen Sommertagen
Gewitter sind im Gebirge lebensgefährlich, weil Wanderer im offenen Gelände vom Blitz getroffen werden können. Intensität, Dynamik und Häufigkeit von extremen Gewitterzellen nehmen laut Tobias Hipp, Geowissenschaftler vom DAV, zu. Zwar habe sich die Anzahl der Gewitter in den vergangenen 30 Jahren nicht erhöht, die Zahl starker Gewitter aber schon, sagt Meteorologe Hohenwarter. Anders gesagt: Wenn's kracht, dann eher mal richtig.
Zu unterscheiden sind zwei Arten von Gewittern:
• Frontgewitter, die an Kalt- oder Warmfronten entstehen, gehen einher mit einem Wetterwechsel und starken Temperaturstürzen. Der Wetterbericht kündigt sie verlässlich an. Dann am besten keine Tour planen.
• Aus harmlosen Wolkenhäufchen werden Quellwolken und irgendwann Wolkentürme, die wie ein bedrohlicher Amboss aussehen: Wärmegewitter entstehen im Sommer an heiteren Tagen, meist nachmittags. Ob und vor allem wo genau sie auftreten, lässt sich nicht so einfach vorhersagen.
Wie kann ich mich vor einem Wärmegewitter schützen?
• Vorbereitung: Immer den Wetterbericht checken, am besten von meteorologischen Instituten wie der Geosphere Austria oder dem Deutschen Wetterdienst. Oder das DAV-Bergwetter . Sind Wärmegewitter für den Nachmittag angekündigt, die Tourenplanung anpassen: Früh aufbrechen und zurück sein. »Manche Hüttenwirte bieten dann ein früheres Frühstück, das habe ich gerade im Trentino erlebt«, sagt Hohenwarter. Notabstiege ins Tal und Schutzmöglichkeiten wie Almen und Hütten einplanen. Regenschutz und warme Kleidung einstecken. Sind schon früh am Tag Gewitter angekündigt, maximal noch ins Tal absteigen.
• Unterwegs: Die Sekundenzahl zwischen Blitz und Donner geteilt durch drei ergibt in etwa die Entfernung in Kilometern. Wer beim Zählen bis zur Zehn kommt, ist schon in Gefahr, das Gewitter nicht mehr fern (ohne Donnern ist das Gewitter noch weit weg). Wenn man doch erwischt wird: Gipfel, Grate und seilversicherte Passagen sofort verlassen. Wasserläufe, nasse Wände, Lichtungen, einzelne Bäume und Waldränder meiden. Falls möglich, schnell in eine Hütte oder ein Auto. Dichter Wald und Höhlen bieten Schutz. Auf freier Fläche am Boden mit angezogenen Beinen zusammenkauern, am besten auf einer isolierenden Unterlage wie einem trockenen Rucksack. Nicht panisch werden!

Vermeintlich leichte Touren können ohne Vorbereitung schwierig bis gefährlich werden
Foto: fokkebok / Getty ImagesRegen und Nebel: Schlüpfrige Pfade, eingeschränkte Sicht
Gewitter können zwar Starkregen bringen, der dann Murgänge auslöst. Aber Regen an sich bedeute erst einmal keine Gefahr für Leib und Leben, sagt Hohenwarter. Ja, manchmal hat das Gebirge bei Nieselwetter auch etwas Mystisch-Schönes.
Allerdings erhöhen sich die alpinen Gefahren: Wege werden schlüpfrig, man braucht mehr Trittsicherheit, die Gehzeiten verlängern sich. Aus leichter Blockkletterei auf einem Felsgrat kann bei Nässe statt Trockenheit ein heikles Unterfangen werden.
Unverzichtbar sind natürlich eine Regenjacke, am besten eine wasserundurchlässige Hose und wasserdichte Wanderschuhe mit guter Profilsohle. Ein Rucksackcover schützt das Gepäck, Wanderstöcke helfen auf rutschigen Pfaden.
Hohenwarter würde nicht aufbrechen, wenn ein Tiefdruckgebiet mit Dauerregen und dichten Wolken angesagt ist. Macht erstens den Wenigsten Freude, zweitens fällt die Orientierung im Gelände durch die eingeschränkte Sicht schwerer.

Wanderstöcke helfen auf rutschigen Pfaden
Foto: Stanislaw Pytel / Getty ImagesSteinschlag: Risiko für ambitionierte Bergsportler
Für Steinschlag sind Regen oder Schmelzwasser, Verwitterung, Erosion, sowie unachtsame Wanderer und Kletterer verantwortlich. Ein wichtiger Faktor ist aber auch der tauende Permafrost. Das Eis-Fels-Gemisch in Höhenlagen ab etwa 2800 bis 3000 Metern hält Schutthänge und Felswände zusammen. Wird es jedoch wärmer, kann die Bindung nachlassen. Der Klimawandel hat die Gefahr von Steinschlag in den Alpen deutlich erhöht.
Extrembergsteiger Thomas Huber weist darauf hin, dass etwa die berühmte Eiger-Nordwand früher im Sommer geklettert wurde. Nun fehlt der Schnee, und man wäre »einem regelrechten Bombardement durch Steine ausgesetzt«, so Huber. Also gehen die Profis heute im Winter in die Wand. Das Beispiel zeigt aber auch: Steinschlag gefährdet hauptsächlich hochalpine Routen und steiles Gelände und betrifft eher Alpinistinnen, Kletterer und Hochtouren-Geher, weniger den durchschnittlichen Bergwanderer.
Tipp für solche Touren: Früh aufbrechen, bevor der Boden sich erwärmt. Und eben manche Touren in »sichere«, das heißt kältere Jahreszeiten, verschieben.
Hitze: die unterschätzte Gefahr
Wolkenloser Himmel, Sonne satt – perfektes Wetter für eine Bergtour? Nicht unbedingt. »Hitze wird als Gefahr total unterschätzt«, sagt Hohenwarter. Die größte Gefahr ist die Hitzeerschöpfung, die durch einen Mangel an Flüssigkeit im Körper entsteht, erklärt der DAV. Deshalb: Viel trinken!
Der Alpenverein gibt außerdem folgende Hitze-Tipps:
• Der anstrengendste Teil der Tour sollte idealerweise vor der Mittagshitze gegen 14 Uhr hinter einem liegen. Bei langen Touren sollten Wanderer den Mittag nach Möglichkeit für ein Päuschen im Schatten nutzen.
• Funktionskleidung tragen, die Feuchtigkeit ableitet und kühlt.
• Trockenes Wechselshirt für die Gipfelpause einpacken.
• Kopfbedeckung und eine Sonnenbrille tragen.
• Die Haut mit Sonnencreme schützen, auch Nacken und Ohren.
Genug Flüssigkeit dabei zu haben – am besten Wasser oder isotonische Getränke – ist auch bei großer Trockenheit wichtig. Der Wassermangel ist nicht nur für viele Hütten ein Problem, auch Quellen zum Auffüllen der Trinkflasche können versiegen. »Wenn einem das Wasser ausgeht, macht das keinen Spaß«, sagt Hohenwarter.

Wassermangel ist in der Höhe ein Problem, also: genug Flüssigkeit dabei haben
Foto: Ekaterina Vasileva-Bagler / Getty ImagesUnd: Altschnee im Frühsommer, schmelzende Gletscherbrücken
Wärmegewitter, Starkregen und Hitze sind in aller Munde, doch im Gebirge lauert natürlich auch der gute, alte Schnee – auch wenn weniger als früher fällt.
Im Frühsommer sind Altschneefelder für Wanderer eine große Gefahr. Sie überdecken oft noch höher gelegene Wanderwege und sorgen bei entsprechender Hangneigung für Absturzgefahr. Stöcke helfen, Trittspuren ebenso, am besten sind Leichtsteigeisen. Aber im Zweifel sollten Wanderer unbedingt umkehren.
Zugleich ist der Frühsommer eine gute Zeit für Hochtouren, die über Gletscher führen. Die Spalten sind oft noch mit soliden Schneebrücken überdeckt, die Einsturzgefahr ist geringer. Das ändert sich, je weiter der Sommer voranschreitet. Die Brücken über den unsichtbaren Spalten schmelzen, die Gefahr einzubrechen nimmt zu.
Mancher Gletscher ist irgendwann komplett aper, das heißt schneefrei. Dann liegen die Spalten offen. Nun macht die Randkluft des Gletschers auf mancher Route Probleme, zum Beispiel beim Anstieg auf die Zugspitze über das Höllental.
Im Spätsommer und Herbst sollten Wanderer darauf gefasst sein, dass es in der Höhe zu einem Wintereinbruch mit Kälte und Schneefall kommen kann. Allerdings lässt sich dieser in aller Regel gut vorhersehen – dann bleibt man lieber im Tal.