Vorsicht, Kunde! – Ärger mit Inkasso und Phantomverträgen

vor 1 Tag 3

Es klingt wie ein schlechter Scherz, ist für Betroffene aber purer Stress: Ein Haushalt wird aufgelöst, die Schlussrechnung bezahlt, doch drei Jahre später bucht der Stromversorger plötzlich wieder Geld ab. Jeglichen Widerspruch ignorierte er und schaltete am Ende sogar ein Inkassounternehmen ein.

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Solche Fälle häufen sich, da viele Stromanbieter ihre internen Prozesse nicht im Griff haben, erklärt c’t-Redakteur Urs Mansmann: „Wir bekommen viele Zuschriften von unzufriedenen Stromkunden und da sind alle Bereiche der Abrechnung betroffen.“ Die Rechtslage sei durch Gesetze zu erneuerbaren Energien zwar komplex, doch oft scheitert es schlicht an der Organisation der Unternehmen, glaubt Mansmann.

Stromanbieter dürfen Nachforderungen stellen, sofern sich der Abrechnungszeitraum überschneidet, etwa bei einem Umzug. Doch Forderungen, die Jahre später auftauchen, sind in der Regel nicht zulässig;.

Wer seinen Stromanbieter wechseln möchte, um Kosten zu sparen, kann Vergleichsportale nutzen. Diese suchen die für den jeweiligen Wohnort günstigsten Preise heraus und können im Auftrag des Kunden auch Verträge mit dem Stromanbieter abschließen. Dabei müssen sie aber sicherstellen, dass die Kunden bewusst einen kostenpflichtigen Vertrag eingehen, etwa durch eindeutig beschriftete Bestell-Buttons.

Wer seine persönlichen Daten eingibt und auf einen Button wie "zahlungspflichtig bestellen" klickt, schließt einen Vertrag mit dem Dienstleister. "Man muss genau lesen, was man anklickt", warnt Mansmann. Zusätzlich muss das Portal dem Kunden eine Vertragsbestätigung und die Widerrufsbelehrung zur Verfügung stellen. Wer sich nur orientieren möchte, nennt auf solchen Portalen zwar die eigene Postleitzahl, aber weder Namen noch Anschrift.

In Deutschland wechseln die Kunden zu zwei Dritteln der Stromlieferanten, ohne dass ein Umzug sie dazu zwingen würde.

(Bild: Statista: Bundesnetzagentur; Bundeskartellamt)

Kommt es nach dem Abschluss zum Vertragsstreit, muss jede Partei die für sich rechtlich vorteilhaften Dinge belegen. Demzufolge muss der Stromanbieter nachweisen, dass ein solcher Vertrag tatsächlich zustande gekommen ist, erklärt Rechtsanwalt Niklas Mühleis im c’t-Podcast.

Verbraucher sollten unberechtigten Forderungen sofort schriftlich widersprechen und detailliert begründen, warum sie nicht zahlen müssen. Wichtig ist eine schnelle Reaktion, gerade auch bei Inkasso-Schreiben. Wer schweigt, riskiert ein gerichtliches Mahnverfahren mit zusätzlichen Kosten.

Trudelt trotz Widerspruch ein Mahnbescheid vom Gericht ein, muss man innerhalb der zweiwöchigen Frist widersprechen, um eine Zwangsvollstreckung zu verhindern. Durch den Widerspruch endet das Mahnverfahren automatisch. Der Gläubiger müsste dann ein reguläres Gerichtsverfahren anstrengen, was bei offensichtlich unbegründeten Forderungen meist unterbleibt.

Unternehmen können jederzeit Inkasso-Büros mit dem Eintreiben vermeintlicher Schulden beauftragen. Entweder beauftragt das Unternehmen dazu den Dienstleister nur mit dem Eintreiben, bleibt aber Forderungsinhaber, oder tritt die Forderung komplett an das Inkassounternehmen ab. Für Verbraucher ist dies oft schwer zu erkennen, reagieren sollten sie in beiden Fällen.

Die Gebühren der Eintreiber sind ein häufiges Ärgernis, dabei dürfen die Inkassofirmen sie nicht willkürlich festlegen. Die Kosten dürfen jene Sätze nicht übersteigen, die ein Rechtsanwalt nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) für die gleiche Tätigkeit verlangen dürfte. Bei Streitwerten bis 500 Euro liegt die Obergrenze für außergerichtliche Vertretung beispielsweise bei rund 95 Euro.

Wird eine Forderung ernsthaft bestritten, etwa weil der vermeintliche Vertragspartner geschäftsunfähig ist, können Inkassounternehmen überhaupt keine Gebühren verlangen.

Geschäftsunfähig sind Kinder unter sieben Jahren sowie Personen, die sich "in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit" befinden (Formulierung im § 104 BGB). Dazu gehören etwa demente Menschen oder Personen mit geistiger Behinderung. Ihre Willenserklärungen sind nichtig, ein Vertrag ist von Anfang an unwirksam. Dazu bedarf es keines Widerrufs und auch wenn der Zustand dem Vertragspartner nicht bekannt war, kommt kein Geschäft zustande.

Betroffene sollten dem Vertragspartner schriftlich mitteilen, dass die Person geschäftsunfähig ist und sich auf § 105 BGB berufen. Anders als beim 14-tägigen Widerrufsrecht für Online-Käufe gibt es hier keine zeitliche Begrenzung. Wie Kunden ihr Recht am besten einfordern, klären wir in der aktuellen Episode des c‘t-Podcast Vorsicht, Kunde!

Hier können Sie den c’t-Artikel zu dem im Podcast behandelten Streitfall nachlesen

  • Der Fall Jan W..: Stromanbieter LichtBlick kassiert aus untergeschobenem Vertrag

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(uk)

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