Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bemüht sich um eine Beschleunigung der zuletzt stockenden Verhandlungen mit Russland. Man habe Moskau ein Angebot gemacht, bereits in der kommenden Woche erneut Friedensverhandlungen zu führen, teilte der Staatschef mit.
»Es sollte alles getan werden, um einen Waffenstillstand zu erreichen«, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. »Die russische Seite sollte aufhören, sich vor Entscheidungen zu verstecken«, fügte er hinzu.
Russland führt seit mehr als drei Jahren einen zerstörerischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und hatte seine Attacken zuletzt intensiviert. Täglich greift Russland das Nachbarland auch abseits der Fronten mit Hunderten Drohnen und Raketen an und versucht, die ukrainische Flugabwehr zu überlasten. Obwohl die Ukraine etliche Raketen und Drohnen abfängt oder unschädlich macht, gibt es durch die Angriffe immer wieder schwere Schäden, Verletzte und Tote.
Laut Selenskyj wurde das neuerliche Gesprächsangebot formal durch den ehemaligen Verteidigungsminister Rustem Umjerow überstellt. Umjerow hatte die ukrainische Delegation bereits bei den bisherigen Verhandlungsrunden in Istanbul angeführt. Selenskyj nannte zunächst kein genaues Datum für die Gespräche, betonte aber, dass die Ukraine auch zu einem Treffen auf Führungsebene bereit sei.
Selenskyj stellt erneuten Gefangenenaustausch in Aussicht
Bei der letzten Gesprächsrunde in Istanbul im Juni war wie zuvor im Mai ein Durchbruch in puncto Waffenruhe ausgeblieben. Russland stellt dafür bislang Maximalforderungen, die Kyjiw kategorisch ablehnt. Zu den russischen Bedingungen gehören etwa der Verzicht der Ukraine auf einen Nato-Beitritt und die Anerkennung der von Moskau annektierten Gebiete.
Beide Seiten verständigten sich im Juni jedoch auf einen Gefangenenaustausch. Der Fokus lag dabei auf schwerverletzten, schwerkranken und jungen Menschen. Auch die Übergabe von 6000 Leichen gefallener ukrainischer Soldaten wurde bei den Gesprächen vereinbart. Bereits bei der ersten Gesprächsrunde in Istanbul am 16. Mai war der Austausch von jeweils 1000 Menschen vereinbart worden. Selenskyj sagte nun, dass auch ein neuer Austausch von Gefangenen vorgesehen sei.
Neuer Druck aus Washington
Hinter dem neuen ukrainischen Vorstoß stecken womöglich Absprachen mit den USA. In dieser Woche war der US-Sondergesandte Keith Kellogg nach Kyjiw gereist. Anfang der Woche hatte US-Präsident Donald Trump den Druck gegenüber Russland erhöht und eine Waffenruhe innerhalb von 50 Tagen gefordert. Er drohte Moskau dabei mit Sanktionen und Strafzöllen, inklusive Strafgebühren für Russlands Handelspartner. (Lesen Sie dazu hier die aktuelle SPIEGEL-Titelstory .)
Russland äußerte sich zunächst nicht zu der neuen Offerte aus Kyjiw. Kremlsprecher Dmitrij Peskow hatte sich allerdings am Freitag dazu eingelassen, dass Selenskyj erklärt hatte, der Verhandlungsprozess müsse beschleunigt werden. »Das ist ein positives Signal. Und hier sind wir uns absolut einig: Wir sind auch dafür, den Verhandlungsprozess zu beschleunigen«, sagte Peskow.