Der König sei „der erste Diener seines Staates“: Das ist ein Satz, der Friedrich II., dem „Großen“, nicht nur zugeschrieben wird, sondern den er in seinem politischen Testament von 1752 tatsächlich geschrieben hat. Man muss ihn nur auch richtig lesen. Der Regent dient eben nicht irgendeinem Abstraktum, sondern seinem Staat, der ihm gehört. Friedrich war ein aufgeklärter, aber auch ein absolutistischer Monarch, für den nie infrage stand, dass er das Staatswesen, für das er tätig war, zugleich verkörperte und deshalb auch nicht über Bürger, sondern über Untertanen herrschte.
An das Bonmot des „Alten Fritz“ muss man denken, wenn man liest, dass die öffentliche Hand, also Vertreter des Bundes sowie der Länder Berlin und Brandenburg, bei Verhandlungen mit der Hohenzollernfamilie über deren Eigentumsansprüche auf Objekte in staatlichen Sammlungen „die Rechtslage neu bewertet“ habe. Demnach fallen die kostbaren Tabatieren, die Friedrich bei seinem Tod hinterließ, dem Haus Hohenzollern zu.
Mit Versteigerungserlösen ist zu rechnen
Die Nase des Königs war zwar gleichfalls ein Teil seines Staates, aber die auf Staatskosten aus Halbedelsteinen gefertigten und mit Brillanten besetzten Döschen, aus denen er seinen Tabak schnupfte, gehören nun nicht seinem Rechtsnachfolger, der Bundesrepublik Deutschland, sondern seinen privaten Erben. Zwei der sieben erhaltenen Tabatieren wollen die Hohenzollern freundlicherweise der Öffentlichkeit als Dauerleihgabe überlassen, die übrigen nehmen sie in Besitz. Sie sind viele Millionen Euro wert. Mit ihrer Versteigerung auf dem internationalen Kunstmarkt ist zu rechnen.
Der Vertragsentwurf, über den der „Tagesspiegel“ berichtet hat, ist noch nicht ratifiziert. Außer den Länderparlamenten müssen ihm die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und das Deutsche Historische Museum zustimmen. Es geht um gut 27.000 Objekte, von denen die Hausbibliothek Friedrichs II. allein zwei Drittel ausmacht und die Bestände des einstigen Hohenzollernmuseums im kriegszerstörten Schloss Monbijou ein weiteres knappes Viertel. Letztere, darunter zentrale Erinnerungsstücke der deutschen Geschichte seit 1700, sollen einer gemeinnützigen Stiftung übereignet werden, deren Stiftungsrat abwechselnd vom Kulturstaatsminister und dem jeweiligen Chef des Hauses Hohenzollern geleitet wird.

Damit hat die Hohenzollernfamilie jene Ansprüche auf Mitsprache und „institutionalisierte Mitwirkung“, die sie in ihrem 2019 bekannt gewordenen Forderungskatalog formulierte, großenteils durchgesetzt. Etwa 6000 Objekte aus staatlichen Sammlungen könnten fortan nicht mehr ohne ihre Zustimmung verliehen oder kuratorisch gedeutet werden. Dass die Hohenzollern darüber hinaus endlich anerkennen, dass die Kunstwerke der sogenannten „19er-Liste“, zu denen auch Watteaus Gemälde „Einschiffung nach Kythera“ gehört, bereits in der Weimarer Republik vom deutschen Staat erworben wurden, und zudem die Dauerleihverträge für wichtige Exponate wie das Reichsschwert der Kurfürsten von Brandenburg und die Kronkarkasse der preußischen Könige verlängern wollen, ist demgegenüber beinahe nebensächlich.
Der Rechtsstreit in Potsdam war nicht mehr zu gewinnen
Denn der Rechtsstreit um Entschädigungen für hohenzollersche Liegenschaften, die von der sowjetischen Besatzungsmacht vor 1949 enteignet wurden, war angesichts der wissenschaftlich kaum noch strittigen Mitwirkung des damaligen Hausvorstands Wilhelm von Preußen beim Sturz der Demokratie im Jahr 1933 nicht mehr zu gewinnen, weshalb Wilhelms Urenkel Georg Friedrich vor zwei Jahren seine Klage vor dem Potsdamer Verwaltungsgericht zurückzog. Der öffentliche Abtransport bedeutender Leihgaben aus den Schlössern in Potsdam und Charlottenburg wiederum hätte den Ruf der Hohenzollernfamilie nachhaltiger beschädigt als jede Enthüllungsgeschichte in den bunten Blättern der Republik.
Den staatlichen Verhandlern aber war der „dauerhafte Rechtsfrieden“, den der Vertragsentwurf beschwört, offenbar wichtiger als die Freiheit ihrer Kulturinstitutionen. Deshalb gaben sie in der entscheidenden Frage der Mitsprache nach. In großen Ländern wie England und Frankreich ist die Einflussnahme der Königshäuser auf den Museumsbetrieb verpönt, in kleinen wie Dänemark ist sie normal. Aber die dänische Geschichte ist auch anders verlaufen als die deutsche. Was der neue Rechtsfrieden für künftige Ausstellungen über Preußen und das Deutsche Kaiserreich bedeutet, wird man sehen. Friedrichs Erben sitzen jetzt mit im Boot.