Syriens Übergangspräsident Sharaa appelliert an Beduinenstämme – neue Gefechte in Suwaida

vor 1 Tag 1

In der südsyrischen Provinz Suwaida dauert die Gewalt an. Reporter der Nachrichtenagentur Reuters berichten auch am Samstag von Maschinengewehrfeuer und Granatenbeschuss. Auch in der Stadt Suwaida selbst seien Schüsse zu hören gewesen. Informationen über Schäden, Verletzte oder Tote gab es zunächst nicht.

Syriens Übergangspräsident Ahmed al-Sharaa hatte sich am Samstagvormittag in einer Fernsehansprache an die Menschen im Land gewandt und einen »sofortigen Waffenstillstand« in der südlichen Region angekündigt, in der sich Beduinenstämme und Drusen seit Tagen bekämpfen . Inwieweit die Zentralregierung eine Waffenruhe gegenüber den bewaffneten Gruppen vor Ort durchsetzen kann, scheint fraglich.

»Wir danken den Beduinen für ihr heldenhaftes Verhalten, verlangen aber, dass sie sich uneingeschränkt an die Waffenruhe halten und die Anordnungen des Staates befolgen«, wurde Sharaa von der Nachrichtenagentur AP zitiert. Die Beduinen könnten »die Rolle des Staates bei der Regelung der Angelegenheiten des Landes und der Wiederherstellung der Sicherheit nicht ersetzen«, so der Interimspräsident.

Fast 1000 Menschen sollen in der Region getötet worden sein

In seiner Ansprache machte Sharaa »bewaffnete Gruppen aus Suwaida« dafür verantwortlich, den Konflikt durch »Vergeltungsangriffe gegen die Beduinen und ihre Familien« neu angefacht zu haben. Die Aussagen dürften sich an die Drusen richten.

Sharaas Regierung hatte angesichts der blutigen Auseinandersetzungen zuletzt eigene Kräfte nach Suwaida entsandt. Dabei waren Berichten zufolge auch Kämpfer der Regierung mit Drusen aneinandergeraten. Am Freitag kündigte die Regierung in Damaskus erneut an, Einheiten in die Regionen zu schicken.

Nach Angaben der in Großbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sind seit Beginn der blutigen Unruhen in der Provinz Suwaida bislang 940 Menschen getötet worden. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht.

In seiner Ansprache betonte Sharaa jedoch auch, dass Suwaida »ein integraler Bestandteil des syrischen Staates bleibt und die Drusen eine tragende Säule des syrischen Nationalgefüges sind«. Er versprach, alle Minderheiten in Syrien zu schützen.

Die Drusen sind eine arabischsprachige Religionsgemeinschaft, die hauptsächlich im Libanon, in Israel und in Syrien vertreten ist. Das Drusentum ist eine Abspaltung des Islam, die Drusen betrachten sich aber nicht als Muslime. Das Gouvernement Suwaida in Syrien, wo es nun zu Zusammenstößen kommt, ist das Siedlungszentrum der syrischen Drusen.

Die Drusen pochten bereits unter der Herrschaft des langjährigen Diktators Baschar al-Assad auf eine gewisse Autonomie. Seitdem das Regime im Dezember gestürzt wurde, haben Drusenmilizen sich den Bemühungen der neuen Regierung widersetzt, alle bewaffneten Gruppen in die Streitkräfte zu integrieren und weitestgehend die Kontrolle über ihr Gebiet behalten.

Sharaa kritisiert Israels Eingreifen

Israel, das sich gern als Schutzmacht der Religionsgemeinschaft in der Region inszeniert, hatte zuletzt in die Auseinandersetzungen im Süden Syriens eingegriffen und unter anderem das Verteidigungsministerium der Zentralregierung in Damaskus bombardiert . In der Nacht zu Samstag hatte der US-Botschafter in der Türkei und Sondergesandte für Syrien, Tom Barrack, verkündet, dass sich Israel und Syrien unter US-Vermittlung auf eine Waffenruhe verständigt hatten.

»Wir rufen Drusen, Beduinen und Sunniten auf, ihre Waffen niederzulegen und gemeinsam mit anderen Minderheiten eine neue und geeinte syrische Identität in Frieden und Wohlstand mit seinen Nachbarn aufzubauen«, schrieb Barrack auf X.

Sharaa äußerte in seiner Rede deutliche Kritik am Eingreifen Israels. »Die israelische Intervention hat das Land in eine gefährliche Phase gebracht, die seine Stabilität bedroht«, so der Interimspräsident. Den USA dankte Sharaa für ihre »wichtige Rolle bei der Bekräftigung ihrer Unterstützung für Syrien in diesen schwierigen Zeiten«.

Israels Außenminister warnt vor Sharaa

Israels Außenminister Gideon Sa’ar wertete die jüngsten Aussagen Sharaas gegenüber Beduinen und Drusen indes als Parteinahme für die Beduinen. »In Sharaas Syrien ist es sehr gefährlich, einer Minderheit anzugehören – Kurden, Drusen, Alawiten oder Christen«, schrieb Sa'ar auf X. »Das hat sich in den vergangenen sechs Monaten immer wieder gezeigt.«

Gesamten Artikel lesen