»Skincare«-Routine: Forscher warnen vor TikTok-Trend bei jungen Mädchen

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 »Die Risiken überwiegen bei Weitem jeden marginalen Vorteil«

Junges Mädchen bei der Gesichtspflege (Symbolbild): »Die Risiken überwiegen bei Weitem jeden marginalen Vorteil«

Foto: Marc Romanelli / Getty Images / Tetra images RF

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»Skincare-Routine«, das ist für viele junge Mädchen ein zentraler Begriff in ihrem Tagesablauf. Sie setzen damit einen Trend auf TikTok , der ihnen einiges abverlangt. Einige Mädchen stünden schon frühmorgens um 4.30 Uhr auf, um ausreichend Zeit zu haben, ihr Gesicht mit Reinigungsmilch, Feuchtigkeitscremes, Anti-Aging-Masken und anderen Produkten zu behandeln, hat ein Forschungsteam der Northwestern University in den USA festgestellt.

Laut einem Bericht des »Guardian«  kommt das Team zu dem Ergebnis: Die »Skincare«-Routinen seien teuer, unnötig und potenziell schädlich. »Die Risiken, insbesondere bei jungen Mädchen, überwiegen bei Weitem jeden marginalen Vorteil, den man aus der Verwendung der aktiven Inhaltsstoffe der Produkte ziehen könnte«, mahnt Studienautorin Molly Hales. Mit der komplexen Hautpflege erhöhe sich vielmehr das Risiko von Hautreizungen und lebenslangen Allergien.

Hales und ihre Kollegen hatten zwei TikTok-Accounts  erstellt, bei denen sie sich als angeblich 13-Jährige ausgaben. In diesem Zusammenhang sammelten sie mehr als 80 Videos zu Hautpflegeroutinen, die junge Influencerinnen und Influencer aufgenommen und über die Plattform TikTok ins Netz gestellt hatten, und werteten diese aus. Die überwiegende Mehrheit der Creator war den Angaben zufolge weiblich, die jüngsten sieben, die ältesten 18 Jahre alt.

Sie habe Verständnis dafür, dass sich junge Mädchen in sozialen Medien ausprobieren und darstellen wollten, wird Hales im »Guardian« zitiert. Aber die Botschaft, die mit den »Skincare«-Videos vermittelt werde, sei in mehrfacher Hinsicht zweifelhaft.

  • Erstens: Mädchen werde suggeriert, sie müssten entsprechende Prozeduren vornehmen, um sich um ihre Haut zu kümmern und ihre Gesundheit zu schützen. Doch die Produkte machten die Haut nicht gesünder, sondern verschlechterten sie wahrscheinlich sogar im Laufe der Zeit, so Hales. Sinnvoller sei, die Haut ein- bis zweimal am Tag zu reinigen und Sonnencreme zu verwenden.

  • Zweitens: Die »Skincare«-Videos vermitteln dem Forschungsteam zufolge ein zweifelhaftes Schönheitsideal. »Fast alle Inhaltsersteller hatten klare, helle Haut ohne sichtbare Unreinheiten«, heißt es in der Analyse. Die Videos verwiesen häufig auf vermeintlich erstrebenswerte Ideale, die mit »Weißsein« verbunden sein könnten.

Unterm Strich profitieren von dem »Skincare-«-Trend auf TikTok offenbar vor allem bestimmte Hersteller von Pflegeprodukten. Die Studie zeigt, dass die »Routinen« im Schnitt sechs Produkte umfassen, oft von denselben Marken, mit einem Gesamtdurchschnittspreis von 124 britischen Pfund. Umgerechnet: 147 Euro. In einigen Videos wurden sogar mehr als ein Dutzend Produkte mit Gesamtkosten von über 369 Pfund verwendet. Umgerechnet: 438 Euro.

 »Immer jüngere Kinder suchen nach Hautpflegeprodukten«

Kind vor dem Spiegel (Symbolbild): »Immer jüngere Kinder suchen nach Hautpflegeprodukten«

Foto: Elena Medoks / Getty Images

Viele Inhaltsstoffe in den vorgestellten Produkten, wie Zitronensäure, stellen der Studie zufolge ein Risiko für Hautreizungen und Sonnenempfindlichkeit dar. Damit erhöhe sich bei den Mädchen das Risiko, einen Sonnenbrand und andere Hautschäden zu erleiden. Nur rund ein Viertel der untersuchten Videos enthielt den Angaben zufolge Produkte mit Sonnenschutz. Das, so das Forschungsteam, sei eine »verpasste Chance«. Denn: Sonnenschutz beugt Hautkrebs vor.

Nicht hilfreich

Die Dermatologin Tess McPherson, die nicht an der Studie beteiligt war, warnte angesichts der Ergebnisse: »Wir beobachten definitiv einen enormen Anstieg der Menschen, die sich perfekte oder makellose Haut wünschen. Wir wissen jedoch, dass dieses Ideal nicht zu erreichen ist. Es macht die Menschen nicht glücklich«, wird sie im »Guardian« zitiert.

Neben den in der Studie aufgezeigten Risiken trügen die Hautpflegevideos zu einer verstärkten Stigmatisierung von Erkrankungen wie Akne und Ekzemen sowie zu einer Angst vor dem Altern bei, so McPherson. Diese Botschaft werde durch die zunehmende Akzeptanz von Botox und sogenannten Fillern verstärkt, um Falten zu mindern.

»Immer jüngere Kinder suchen nach Hautpflegeprodukten, obwohl sie diese nicht benötigen. Sie sind nicht hilfreich«, warnt die Dermatologin. Es sei besorgniserregend, welche Ansichten sich in der Gesellschaft dazu verbreiteten, wie die Haut von Menschen aussehen sollte.

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